Kommentar Volksentscheid Enteignungen: Die Gier-Suppe bitte auslöffeln
Um sich gegen steigende Mieten zu wehren, machen die BerlinerInnen Druck. Diese Drohkulisse hat sich die Branche selbst eingebrockt.
V on einer erfolgreichen Abstimmung ist die Berliner Initiative, die per Volksentscheid die größten Immobilienkonzerne enteignen will, noch weit entfernt: Das mehrstufige Verfahren zieht sich in der Regel über ein bis zwei Jahre, im April erst beginnt die Unterschriftensammlung. Trotzdem sorgt das Vorhaben in der Hauptstadt bereits für jede Menge Wirbel. Die rot-rot-grüne Regierung sieht sich zur Positionierung gezwungen – und findet keine gemeinsame Haltung –, Wirtschaftsvertreter laufen Sturm gegen das Vorhaben.
Für diesen Wirbel gibt es zwei Gründe. Der eine betrifft das Mittel, der andere den Inhalt: Volksbegehren werden in der Stadt immer populärer, in den sozialen Bewegungen gibt es mittlerweile jede Menge Know-how dazu, wie dieses Instrument am geschicktesten eingesetzt wird. Und: Die explodierenden Mieten sind für die BerlinerInnen zum Thema Nummer eins geworden, und zwar längst nicht mehr nur in den Altbauquartieren der Innenstadt.
Um etwas gegen steigende Mieten zu tun, würden die BerlinerInnen quasi alles unterschreiben, was ihnen hingehalten wird. Und weil politische Regulierungsversuche wie die Mietpreisbremse zu Recht als gescheitert gelten, wendet man sich anderen Mitteln zu, selbst ein so verpönter Begriff wie Enteignung findet stadtweit Zuspruch.
Für die Immobilienbranche, für Wirtschaftslobbyisten oder die FDP ist das natürlich zum Haareraufen. Dort wird man sich freuen über die Ankündigung der Ratingagentur Moody’s, die Hauptstadt im Falle eines erfolgreichen Volksentscheids herabzustufen, schließlich schafft diese eine Art Drohkulisse.
Allein, nützen wird es wenig – die Drohkulisse der nächsten Mieterhöhung ist für die meisten Berliner ungleich konkreter. Diese Suppe hat sich die Branche mit ihrer Gier, das Maximum an Profit aus dem Wohnungsmarkt herauszupressen, selbst eingebrockt. In den nächsten Monaten wird man in Berlin zusehen können, wie geschickt sie sie auslöffeln wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Resolution gegen Antisemitismus
Nicht komplex genug
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
BSW in Thüringen
Position zu Krieg und Frieden schärfen