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Politikerinnen streiten übers Parité-Gesetz„Das ist total ideologisch“

Die CSU-Landtagsabgeordnete Petra Guttenberger und die grüne Co-Fraktionschefin Katharina Schulze streiten über den Weg zu mehr Frauen im Parlament.

Petra Guttenberger (links) und Katharina Schulze Foto: Thomas Dashuber
Dominik Baur
Interview von Dominik Baur

Frau Guttenberger, Frau Schulze hat in ihrer Fraktion einen Frauenanteil von 47 Prozent. Ihre Fraktion, die CSU, bringt es dagegen gerade mal auf 21 Prozent. Beneiden Sie die Kollegin ein bisschen?

Petra Guttenberger: Neidisch bin ich nicht, aber ich denke mir: Wir haben noch gut Luft nach oben. Und die werden wir nutzen. Markus Söder hat nach der Wahl sehr viele Frauen ins Kabinett berufen, und Vorbilder sind noch immer die beste Werbung.

Katharina Schulze: Dann sollten Sie unbedingt unser Hälfte-der-Macht-Gesetz unterstützen. Da fordern wir genau das: dass künftig 50 Prozent im Kabinett von Frauen besetzt werden sollen. Das mit der Luft nach oben höre ich oft von CSU-Frauen. Dabei ist im Bundestag und im Landtag der Anteil der Frauen gesunken. Was wollen Sie dagegen unternehmen, außer zu sagen: Wir machen das fünfzehnte Mentoring-Programm?

Guttenberger: Das brauchen Sie gar nicht so herablassend sagen, Mentoring-Programme sind wichtig. Wir wollen auch mehr Frauen. Aber dafür müssen wir Frauen gewinnen, sich zur Wahl zu stellen. Und wir amtierenden Frauen müssen diese Frauen auch stärken. Aufs Pferd steigen müssen sie dann aber selber. Bei den Direktmandaten haben wir jetzt übrigens schon eines mehr in weiblicher Hand. Ein kleiner Schritt – aber auch ein kleiner Schritt ist ein erster Schritt. Außerdem zeigt die Änderung unserer Parteisatzung Wirkung. In der heißt es jetzt, dass Frauen 40 Prozent der Parteiämter innehaben sollen.

Schulze: Da sehen Sie’s doch: Die Quote wirkt – sogar in der CSU.

Guttenberger: Ja, aber auf freiwilliger Basis. Wenn in einem Bezirksverband keine einzige Frau kandidiert, fällt die Welt nicht zusammen. Mich erinnern Quoten an das Ständewahlrecht. Da gab’s die Quoten für die Ritter, die Bauern, die Handwerker …

Schulze: Aber keine für die Frauen. Vor hundert Jahren haben wir das Wahlrecht für Frauen erkämpft. Wenn wir jetzt, 100 Jahre später, sehen, dass es noch immer keine gleiche Verteilung der Macht, keine gleichwertige Bezahlung von Frauen und Männern gibt …

Guttenberger: Das würde ich so pauschal nie sagen.

Schulze: Dann machen wir es ganz konkret: Im bayerischen Landtag sitzen 26,8 Prozent Frauen. In der Bayerischen Verfassung und im Grundgesetz steht jedoch: Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Und dass der Staat aktiv diese Gleichberechtigung fördern muss. Wenn alle Selbstverpflichtungen und Appelle nicht das gewünschte Ergebnis erzielt haben, muss sich der Gesetzgeber doch etwas einfallen lassen.

In dem Gesetzentwurf, den die Grünen jüngst in den Landtag eingebracht haben geht es vor allem um die Besetzung des Landtags. Sie wollen nicht nur wie in Brandenburg für die Listen das Reißverschlussverfahren einführen …

Schulze: … sondern auch an die Direktmandate gehen. Dazu wollen wir die Zahl der Direktmandate insgesamt behalten, aber die Stimmkreise so anpassen, dass in jedem Stimmkreis zwei Abgeordnete gewählt werden können: eine Frau und einen Mann. So können wir verhindern, dass von 91 Direktmandaten nur 19 Frauen sind, wie es momentan der Fall ist.

Sie wollen auch die Verfassung ändern und darin vorschreiben, dass im Landtag mindestens die Hälfte der Abgeordneten weiblich sein muss. Warum eigentlich „mindestens“?

Schulze: Weil wir’s unter der Hälfte nicht mehr machen. Grundlage sind das Grundgesetz und die Bayerische Verfassung, in der die Gleichberechtigung von Männern und Frauen steht.

Gleichberechtigung wäre aber nicht mindestens, sondern genau 50 Prozent.

Im Interview: Die Politikerinnen

Petra Guttenberger, 56, CSU, ist Vorsitzende des Verfassungsausschusses im Bayerischen Landtag.

Katharina Schulze, 33, führt seit 2013 gemeinsam mit Ludwig Hartmann die Grünen-Fraktion.

Schulze: Es werden ja nicht auf einmal 80 Prozent Frauen in den Parlamenten sitzen. Wenn wir bei 50 Prozent ankommen, ist das gut, schließlich sind Frauen die Hälfte der Bevölkerung und keine Minderheit.

Da man in Bayern auch mit der Zweitstimme eine Kandidatin oder einen Kandidaten wählt, könnte es aber wieder passieren, dass im Parlament die Männer in der Mehrheit sind.

Schulze: Das stimmt. Wir haben ja keine starren Listen, denn wir wollen die Besonderheit des bayerischen Wahlrechts erhalten. Die Leute können weiter auf der Liste auswählen, ob sie den Heinz Meier oder die Liesl Müller haben wollen.

Ein Männerüberschuss würde dann aber der Verfassung widersprechen.

Schulze: In der Verfassung schreiben wir eine Zielvorgabe fest. Mit unserem Modell kommen wir dann der Fifty-fifty-Regelung so nahe wie möglich.

Guttenberger: Wenn wir schon bei der Verfassung sind: Im Grundgesetz ist ganz klar die Funktion der Parteien festgelegt. Nur sie haben das Recht, Wahllisten aufzustellen. Und Sie wollen den Parteien jetzt vorschreiben, in jedem Stimmkreis immer einen Mann und eine Frau aufzustellen.

Schulze: Dieses Recht bleibt bestehen. Das Duo kann jede Partei immer noch aus ihren Mitgliedern auswählen.

Guttenberger: Es ist trotzdem eine Einschränkung. Wenn ich beispielsweise in einem Stimmkreis vier großartige Frauen habe und ein paar Männer, die man sich nicht unbedingt in den Landtag wünschen würde, dann muss ich mit Gewalt irgendeinen Mann suchen, obwohl ich viel lieber zwei Frauen aufstellen würde.

Frau Schulze, in der Debatte haben Sie gesagt, Ihr Gesetz würde dazu führen, dass Parteien attraktiver für Frauen werden müssten. Was macht sie denn so unattraktiv?

Schulze: Zum Beispiel die langen abendlichen Sitzungen, wenn man Kinder ins Bett bringen muss. Auch dass es bei Parteiveranstaltungen oft keine Kinderbetreuung gibt.

Guttenberger: Bei uns gibt es das.

Schulze: Das freut mich. So etwas ist wichtig. Auch die Sitzungskultur würde sich mit mehr Frauen bestimmt ändern. Die ehemalige CSU-Politikerin Christine Haderthauer hat neulich in einem Interview mit der Zeit Interessantes aus dem Innenleben der CSU berichtet: wie beispielsweise der Geräuschpegel sofort steigt, wenn eine Frau sich zu Wort meldet. So was ändern wir nur, wenn wir eine kritische Masse an Frauen haben.

Guttenberger: Ich erlebe das nicht so. Ich würde mir eine solche Behandlung auch gar nicht gefallen lassen. Frauen müssen schon auch für ihre Meinung einstehen und sich notfalls Gehör verschaffen. Wenn eine Frau das nicht will, sollte sie sich vielleicht auch keinen Wahlkampf zumuten.

Schulze: Aber ich will auch Leute mit leisen Tönen im Parlament haben. Es müssen sich doch nicht die Frauen ändern, sondern die Strukturen. Die Frauen sollen ruhig so bleiben, wie sie sind. Das gefällt natürlich nicht jedem: Nicht alle Männer geben gerne Macht ab. Da fällt es leichter, im Parteihaushalt Mittel für ein Frauen-Mentoring bereitzustellen oder Frauenfrühstücke auszurichten.

Guttenberger: Das ist doch total ideologisch. Die Realität sieht völlig anders aus. Bei uns bestimmt jeder Stimmkreis, wen er nominiert. Da gibt es keinen Männerbund, der die Macht nicht abgeben will: Es erschreckt mich, wie Sie sich die CSU vorstellen.

Schulze: Bisher konnten Sie mich noch nicht vom Gegenteil überzeugen. Außerdem wollte ich erklären, warum der Widerstand gegen dieses Gesetz so groß ist.

Guttenberger: Das stimmt aber nicht. Akzeptieren Sie doch, dass wir aus Überzeugung heraus starre Quoten ablehnen – nicht, weil dann ein paar Männer ihre Macht verlieren würden. Wenn Sie eine starre Quote für Frauen machen, müssen Sie auch eine für Senioren machen. Und für alle anderen.

Bedeutet Gleichberechtigung auch gleiche Teilhabe an der Macht?

Guttenberger: Nein, das bedeutet Chancengleichheit. Die gibt es. Wir wollen auch mehr Frauen, aber ohne Bevormundung.

Frau Schulze, warum wollen Sie die CSU-Frauen denn dann zu ihrem Glück zwingen?

Schulze: Weil ich eine überzeugte Feministin bin. Gleichberechtigung wird uns allen gut tun.

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13 Kommentare

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  • Ich habe mich immer gewundert, wieso es ausgerechnet die Union gebraucht hat um die Wehrpflicht abzuschaffen oder die SPD um den Sozialstaat zu zerschlagen. Nun weiß ich es: Nur diese Parteien konnten die schlagkräftigsten internen Gegner der Projekte emotional außer Gefecht setzen.

    Autoritär-paternalistischen Allüren provozieren unbewusste juvenile Trotzreaktionen. Die führen dazu, dass die Betroffenen nicht mehr rational handeln können/wollen.

    Woher ich das weiß? Ich kann Muster sehen. Vor allem, wenn ich sie oft genug „am eigenen Leib“ erlebt habe. Es fängt so gleich an: Jemand versucht mich zu zwingen etwas zu tun, was ich sowieso tun wollte. Sagen wir: in die Politik gehen. Oder nach dem Tod meine Organe spenden. Oder die Schreiberei zum Beruf machen. Oder mich von meinem Mann trennen.

    Der akute Versucht, mich „zu meinem Glück [zu] zwingen“, weil ich es angeblich alleine nicht erreichen kann, sorgt dann dafür, dass ich mich von meinem ursprünglichen Ziel ab- und meinem neuen Gegner zuwende. Das ursprüngliche Ziel habe ich schließlich schon länger. Der Gegner ist neu. Evolutionsbedingt setzt dann mein Hirn für mich Prioritäten: Die neueste zuerst. Das Ziel kann warten.

    Nein, ich glaube nicht, dass die SPD mehr Frauen in die Politik holen wird mit ihrer aktuellen Lieblingsidee. Ich glaube, sie wird gerade die Frauen, die sie bräuchte, um der Gleichberechtigung endlich wieder näher zu kommen, vergraulen damit. Bekommen wird sie für die Zwangs-Listenplätze Leute, die sie eigentlich nicht brauchen kann: feige Jasager, Untertanen, die der Sache einen Bärendienst erweisen werden. Gut also, dass die SPD nicht mehr regiert.

    Wer Veränderung will, legt sich in einer Welt wie unserer offenbar nicht nur mit denen an, die sie ablehnen, sondern auch mit denen, die sie erzwingen möchten. Kein Wunder, dass so viele falsche Vorstellungen sich derart lange halten. Odysseus hat sich Wachs in seine Ohren tropfen lassen. Gar nicht so doof, die "alten Griechen".

    • @mowgli:

      mag beim individuum sinn ergeben, beim kollektiv nicht

    • @mowgli:

      „Nein, ich glaube nicht, dass die SPD mehr Frauen in die Politik holen wird mit ihrer aktuellen Lieblingsidee.“

      Glauben heißt nicht wissen. Das käme ja erstmal auf den Versuch an. Wer oder was ist denn jetzt die SPD? Andrea Nahles und Olaf Scholz? Noch deutlich insuffizenteres Personal als im derzeitigen Merkel-Kabinett ist hier kaum zu befürchten. Das kann aus meiner Sicht nur besser werden.

  • Frau Schulz wirkt nicht mehr so recht sympathisch. Sie fordert Dinge aus Prinzip und irgendwie ideologisch, ohne Kompromissbereitschaft zu signalisieren. Da wir eine Demokratie behalten, wird die nächste Wahl für die Dsme schon schwer. Ich sage mal einen Stimmenverlust zur Europawahl voraus ...

  • die diskussion ueber diese thema ist so langweilig. alle argumente gegen eine 50/50-regel sind so dermassen an den haaren herbeigezogen, und das schon quasi seit tausenden von jahren

    • @the real günni:

      Also ich hab nichts mit der CSU am Hut, aber Verfassungsrechtliche Bedenken habe ich schon. Das aktive und passive Wahlrecht stellt eins der höchsten Güter da. Eine irgendwie gestaltete Quote würde zu einer Einschränkung der Wählbarkeit führen. Das muss schon durchleuchtet werden.



      Zudem stellt sich die Frage, warum eine Männlein/Weiblein-Quote ausreicht? Was ist mit Jung/Alt, Homo/Hetero, Biodeutsch,...? Und am Ende wählt jeder nur noch seine Peergroup...



      Natürlich überspitze ich hier ein wenig, gleichzeitig haben wir die Wahlgrundsätze (frei, gleich,...) und das Recht sich zur Wahl stellen zu lassen.

      Vielleicht wäre es auch einfacher, wenn die Damen in Bayern nicht diesen Trachtenverein wählen und ein kreuzchen bei anderen Parteien machen würden? Als nach Bayern zugezogener kann ich das nur Empfehlen :-) Schon bei der Gestaltung der CSU Wahlplakate frage ich mich... Aber das ist eine andere Geschichte...

  • Für die CSU war ja damals auch das Grundgesetz schon pure Ideologie, weshalb Bayern mit seiner CSU-Mehrheit die Verfassung als einziges Bundesland ablehnte.



    Nach meinen Informationen gibt es seit den letzten Weltkriegen insgesamt mehr Frauen als Männer in Deutschland. Das zahlenmäßige Übergewicht der Frauen müsste sich bei einer halbwegs verwirklichten Gleichberechtigung also auch im Parlament erkennbar widerspiegeln, wenn man einmal davon ausgeht, dass das Parlament hier die Bevölkerung eines gleichberechtigten Landes repräsentieren sollte. Für die CSU ist auch schon diese Vorstellung nur ideologisches Gedöns.



    Der Art. 3 Abs. 2 GG, „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ geht auf Initiative von Elisabeth Selberts zurück, die eine der vier sogenannten Mütter des Grundgesetzes war. Im Artikel 117 wurde eine Übergangsregelung zur Anpassung und Überarbeitung der Gesetzgebung, welche weitestgehend noch aus dem Jahre 1896 stammt, an diesen Grundsatz vorgeschrieben. Die Adenauer-Regierung ließ den darin gesetzten Termin „31. März 1953“ jedoch tatenlos verstreichen und trug damit in Folge dazu bei, dass eine Mehrheit sehr engagierter und fähiger Frauen bis heute nicht in dem Maße den Weg in Politik und Parlamente gefunden haben, wie es wünschenswert wäre. Die zahlreichen Ausnahmen bestätigen leider diese Regel nur.



    Ein Paritätsgesetz - wie auch immer man dazu steht - wäre eben nicht „total ideologisch“, sondern könnte im Gegenteil zur wirksamen Korrektur eines - ideologisch erst erzeugten - künstlichen Ungleichgewichts mehr und schneller beitragen, als alle anderen Überlegungen.

  • Gleichberechtigung herrscht wenn Männer und Frauen die gleichen Rechte haben. Gleichstellung ist es wenn 50:50 Verhältnisse herrschen. Bedauerlich das Frau Guttenberger das Frau Schulze nicht endlich mal erklärt hat. Das versteht sie nämlich schon ziemlich lange nicht. Vermutlich ist dieses Unverständnis aber auch politisch motiviert, denn von einer Förderung der Gleichstellung steht im Grundgesetz glücklicherweise nichts.

    Vielleicht wäre es dennoch das beste wenn dieses 50:50 Gesetz kommt und das Bundesverfassungsgericht sich damit befasst. Vermutlich verstehen Feministinnen erst dann das strategisches Dummstellen am Grundgesetz nichts ändern kann.

    • @Januß:

      Sie versteht dafür den Unterschied zwischen Initiative und über die Ziellinie getragen werden. Sie auch?

      • @insLot:

        Ich verstehe den unterschied wohl aber initiativen die Verfassungsfeindlich sind lässt man als Politiker lieber bleiben und wenn sie dazu noch auf einem ziemlich wirren Weltbild basieren empfiehlt sich das auch inhaltlich.

        • @Januß:

          Jetzt steht also schon fest, dass das verfassungsfeindlich wäre? Ich habe da durchaus auch meine Bedenken, aber wie wäre es zum Beispiel mit einer Parität für zwei Legislaturen, die dann entweder von alleine aufgelöst wird oder aktiv verlängert werden muss? So könnten wir es mal "ausprobieren" ohne unsere heilige Verfassung dauerhaft zu schänden. Vielleicht bleiben wir danach ja sogar ohne Gesetz dabei? ;-)