piwik no script img

Streit um Asylfragen bei der LinksparteiRamelow macht den Kretschmann

Thüringens Linken-Ministerpräsident denkt über sichere Herkunftsländer nach. Damit erzürnt er seine Parteifreunde in Berlin.

Macht jetzt Asylpolitik auf Twitter: Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow Foto: dpa

BERLIN taz | Der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow hat mit seiner konzilianten Haltung zur Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten in seiner eigenen Partei Kritik ausgelöst. Die migrationspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Bundestag, Gökay Akbulut, sagte der taz: „Bodo Ramelows Vorstoß ist unverständlich und verwirrend. Wir bitten Bodo Ramelow und die Linke in Thüringen um eine Klarstellung.“

Die Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten sei eine Verschärfung des Asylrechts, sagte Akbulut. Für die Linke gäbe es da nichts zu verhandeln. „Wir müssen konsequent dagegenhalten.“ Ihre Fraktion habe bis dato alle Versuche, Abschiebungen zu erleichtern und die Liste sicherer Herkunftsländer auszuweiten, abgelehnt. Man arbeite in dieser Frage eng mit Pro Asyl und den Flüchtlingsräten zusammen.

Zudem kritisierte Akbulut, dass die rechtlichen Voraussetzung für die Einstufung von Marokko, Tunesien und Algerien als „sicher“ fehlten. „In Algerien und Tunesien werden Homosexuelle verfolgt und zum Teil misshandelt, in Marokko gibt es keine freie Meinungsäußerungen. Wer den König in Frage stellt, muss mit Repressalien rechnen.“

Ramelow hatte in einem Bericht der Bild am Dienstag seine grundsätzliche Bereitschaft zu Verhandlungen über die Aufnahme von Tunesien, Algerien und Marokko in die Liste sicherer Herkunftsstaaten signalisiert. „Ich habe den anderen Ministerpräsidenten Gespräche dazu angeboten – aber im Rahmen einer Grundsatzdebatte über das Asylrechtssystem.“

Ramelow will keine „Schaufensterpolitik“

Per Twitter bekräftigte Ramelow, dass er seinen Vorstoß mit der Notwendigkeit einer Grundsatzdebatte verbunden habe und der Forderung nach einer Altfallregelung und einem Spurwechsel, der abgelehnten Asylbewerbern in Job oder Ausbildung erlaubt, in Deutschland zu bleiben. „Statt immer nur über einzelne Länder der ‚sicheren Herkunftsstaaten‘ zu verhandeln und nur Schaufensterpolitik zu betreiben, wird es Zeit, dies zu überwinden“, zwitscherte Ramelow.

Zuvor hatte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt Ramelow ebenfalls kritisiert: „Wunschdenken und Behauptungen jenseits der Realität dürfen das politische Handeln nicht bestimmen“, schrieb Burkhardt in einer Pressemitteilung. „Die Maghreb-Staaten sind nicht sicher. Ein faires Asylverfahren ist dann nicht gewährleistet.“

Wir bitten Bodo Ramelow um eine Klarstellung

Gökay Akbulut, migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion

Bei Asylbewerbern aus sicheren Herkunftsstaaten wird bereits bei der Einreise vermutet, dass sie in ihren Herkunfts­ländern keiner politischen Verfolgung ausgesetzt sind. Die Asylverfahren sind erheblich beschleunigt, bei einer Ablehnung müssen die Betreffenden innerhalb einer Woche ausreisen oder Klage erheben, die aber keine aufschiebende Wirkung hat.

Neue Diskussion um sichere Herkunftsländer

Bereits 2016 hatte die damalige Große Koalition einen Anlauf gestartet, die Liste der „sicheren Herkunftsländer“ um die Maghreb-Staaten zu erweitern. Der Vorstoß scheiterte am Widerstand mehrerer Länder, darunter auch Thüringens. Aus der Front der grün und links regierten Länder war jedoch Baden-Württemberg mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Grüne, ausgeschert.

Nun unternimmt die Bundesregierung einen neuen Versuch. Der Innenausschuss des Bundestags lädt am Montag zur Anhörung über den Gesetzentwurf ein. Dieser sieht vor, die Maghreb-Staaten sowie Georgien als „sicher“ einzustufen. Die Bundesregierung setzt in ihrer Begründung darauf, dass Anreize wegfallen und infolgedessen auch die Zahl der Asylsuchenden aus diesen Ländern sinkt. Im Jahre 2017 waren rund 220.000 Asylanträge beim Bamf eingegangen, nur vier Prozent davon, konkret 8.735, kamen von Menschen aus den vier Ländern.

Ramelows Äußerungen fallen in eine Zeit, in der die Linke ohnehin um ihre Haltung zur Migration ringt. Die Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht lehnt Einwanderung aus wirtschaftlichen Motiven ab und reizt damit immer wieder Teile ihrer Partei. Am 30. November wollen sich die Vorstände von Bundestagsfraktion und Partei zur Aussprache treffen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • 9G
    97684 (Profil gelöscht)

    Wenn " die Linke" schon um ihre "Haltung zur Migration ringt" .Kann man die dann noch - links nennen im Sinne des emanzipatorischen Gedankens, der internationalen Solidarität ?( ich weiß schon, warum ich diese Schlagwörter nicht mag).



    Wenn's ernst wird damit, kennen die such nur ihren eigenen.....Popo.



    Und. Herrschaft und Linke geht garnicht

  • Ist interessant zu sehen wie Menschen in konkreter Regierungsverantwortung von Parteilinien abweichen.

    Die Einstufung als sicheres Herkunftsland führt also nur dazu, dass jemand für eine konkrete Meinungsäußerung, konkreter politischen Aktivitäten und für seine nach außen gelebte Sexualität Asyl erhält und nicht weil die Gemengenlage kacke isst? Wo ist das Problem?

  • Vorgestern zum Thema:



    "Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat das Abschiebeverbot gegen den bereits abgeschobenen mutmaßlichen Islamisten Sami A. aufgehoben. [...]



    Nach seiner Neubewertung halte das Gericht die Gefahr der Folter und der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung A.s durch seinen Heimatstaat nach der vom Bundesamt vorgelegten Verbalnote der tunesischen Botschaft in Berlin für nicht mehr wahrscheinlich."



    www.spiegel.de/pol...ens-a-1239661.html

  • Sahra hat also nicht so unrecht.



    Interessant übrigens, dass die Sahra-Hater vom rechten Parteiflügel gegenüber Ramelow so still bleiben...

    • 9G
      97684 (Profil gelöscht)
      @Linksman:

      Weise Entscheidung

      Und. Warum bleiben die Sahra Hater bei Ramelow so ruhig?

      Gute Frage.

    • @Linksman:

      Der "rechte Parteiflügel"? Sie meinen die Leute, die nicht wollen, dass Wagenknecht Querfront-Politik macht?

  • Ach guck mal, ich wähle also doch wieder die PARTEI. Danke an Herrn Ramelow für die Hilfe bei der Wahlentscheidung.

    • 9G
      97684 (Profil gelöscht)
      @Kaboom:

      Weise Entscheidung

  • "In Algerien und Tunesien werden Homosexuelle verfolgt und zum Teil misshandelt, in Marokko gibt es keine freie Meinungsäußerungen."

    Das kann eng werden in Deutschland, wenn die Chinesen kommen.

    Sorry, diese Ansprüche sind realitätsfern und schlichtweg infantil. WOLLEN da überhaupt Leute (Grüne, Linke) vernünftige Politik betreiben, oder nur ihren moralischen Hoheitsanspruch zur Schau stellen. -Letzteres geht auf Kosten anderer.