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Ministerpräsident über FlüchtlingeKretschmanns Rohrkrepierer

„Männerhorden“ in die Pampa schicken? Winfried Kretschmann rudert zurück. Grünen-Chefin Baerbock vermisst „nötige Differenzierung“.

„Keine erfolgreiche Aktion“: Winfried Kretschmann (rechts) gelobt Besserung Foto: dpa

Berlin taz | Winfried Kretschmann gab sich am Dienstag in der Stuttgarter Landespressekonferenz reumütig. „Das war keine erfolgreiche Aktion“, sagte Baden-Württembergs Ministerpräsident. Sie habe nur zu „Missverständnissen“ geführt. In Zukunft, gelobte er, werde er sich streng an eine „staatstragende Linie“ halten.

Der selbstbewusste Grüne gesteht einen Fehler ein? Das ist ungewöhnlich, aber in diesem Fall nur angebracht. Kretschmanns Zurückrudern hat eine interessante Vorgeschichte. Sie sagt viel aus über die Grünen, die sich als unpopulistischer Gegenpol zur AfD verstehen. Die aber auch Probleme mit Geflüchteten nicht ignorieren wollen – und dabei manchmal übers Ziel hinausschießen.

Vor einigen Tagen, pünktlich zum Grünen-Parteitag, platzierte Kretschmann eine markige Botschaft. „Salopp gesagt“ seien „junge Männerhorden“ das Gefährlichste, was die menschliche Evolution hervorgebracht habe, wetterte er in der Heilbronner Stimme und dem Mannheimer Morgen. Großstädte seien für solche Leute attraktiv, weil sie dort anonym seien und Gleichgesinnte träfen. „Solche Gruppen muss man trennen und an verschiedenen Orten unterbringen.“ Der Gedanke, einige von ihnen „in die Pampa“ zu schicken, sei nicht falsch.

Gefährliche Männerhorden in die Pampa schicken? Das Interview, das am Samstag erschien und dessen wuchtigen Sätze über die Agenturen liefen, platzte in den Parteitag wie eine Bombe. Just am selben Tag wurde in Leipzig das flüchtlingspolitische Kapitel des Europaprogramms diskutiert, das vor allem humane Töne anschlägt. Viele Delegierte waren irritiert. „So ein Interview ist eine Unverschämtheit“, zischte eine linke Grüne. Die Kretschmann Wohlgesonnenen wiesen darauf hin, dass er in Baden-Württemberg unter Druck steht.

Vergewaltigung nach der Disco

In Freiburg soll Mitte Oktober eine 18 Jahre alte Studentin nach einem Disco-Besuch von mehreren Männern vergewaltigt worden sein. Sieben Syrer und ein Deutscher sitzen in Untersuchungshaft. Im Bundesland wird seither eine hitzige Debatte über Sicherheit geführt. Aber ist das ein Grund für Sprüche, die auch von Horst Seehofer stammen könnten? Kretschmanns Gepolter widerspricht dem grünen Markenkern.

Der Bundesvorstand wurde von Kretschmanns Vorstoß komplett überrascht – und verständigte sich am Samstagmorgen hektisch auf eine Sprachregelung. „Ich hätte es anders formuliert, aber in der Sache unterstreicht Kretschmann das, wofür wir Grünen lange streiten“, sagte Grünen-Chefin Annalena Baerbock. Bestimmte Strukturen beförderten Gewalt. „Daher haben wir immer gesagt, dass es für Asylsuchende dezentrale Unterbringung geben muss.“

So argumentierten mehrere Spitzengrüne. Tenor: Kretschmanns Sprache ist unangemessen, aber in der Sache liegt er richtig.

Doch die Krisen-PR des Wochenendes trifft nicht den Punkt. Die Grünen treten zwar für eine „möglichst dezentrale Unterbringung“ der Geflüchteten ein, wie es etwa im Bundestagswahlprogramm 2017 heißt. Allerdings verwenden Grünen-FlüchtlingsexpertInnen wie Luise Amtsberg diesen Begriff in anderen Kontexten. Flüchtlinge bräuchten Zugang zu gesellschaftlicher Teilhabe und eigenen Wohnraum, heißt es gerne. Nur so gelinge Integration.

Die Grünen-Story ist falsch

Kretschmann aber hat etwas anderes im Sinn. Er möchte junge, gefährliche Männer – wie auch immer man sie definieren würde – in die Provinz schicken. Die Grünen-Story, es gebe keinen Dissens zwischen ihm und der Partei, ist also falsch.

Außerdem tut Kretschmann etwas, was Grüne bei Rechtspopulisten gerne kritisieren. Er brandmarkt mit dem Begriff „Männerhorden“ pauschal männliche Geflüchtete, eine Gruppe, gegen die Rechte seit Jahren hetzen. „Kretschmann diffamiert eine ganze Gruppe aus sehr unterschiedlichen Individuen“, resümiert eine Grüne, die sich mit Flüchtlingspolitik auskennt. „Damit tut er uns in dem aufgeheizten Diskurs keinen Gefallen.“

Die taz bittet Kretschmanns Sprecher am Dienstag um eine Präzisierung. Wen meint er genau mit gefährlichen, jungen Männerhorden? Ab wann ist eine Kleinstadt klein genug, um „Pampa“ zu sein? Was würde er BürgerInnen in Kleinstädten sagen, die ja auch Angst vor gefährlichen Männern haben?

Auch den Grünen-Vorsitzenden in Berlin stellt die taz Fragen. Stellen sie sich wirklich „in der Sache“ hinter Kretschmann? Wenn ja: Bis wann ist man jung und wie bemisst sich Gefährlichkeit? Plädieren sie dafür, geflüchtete Frauen und Männer zu trennen? Könnten die betroffenen Männer nicht nach Artikel 3 Grundgesetz – dem Gleichheitsgrundsatz – klagen?

Die Pressesprecherin ruft an

Die Fragen sorgen offenbar für Aufregung, jedenfalls ruft umgehend die Pressesprecherin der Grünen an. Aus Gründen der Vertraulichkeit darf aus dem Gespräch nicht zitiert werden. Nur so viel: Die Parteispitze will lieber davon absehen, auf jede einzelne Frage zu antworten. Das liegt auch daran, dass keiner in Berlin genau weiß, was Kretschmann eigentlich will.

Die Vorsitzende Baerbock lässt am Mittwoch per E-Mail Sätze schicken: „Uns liegt kein Konzept vor. Aber wenn gemeint ist, dass man kleine gewaltbereite Gruppen trennt, um die Strukturen zu durchbrechen, ist das durchaus richtig.“ Allerdings sei die Wortwahl kontraproduktiv, sie vermisse „die nötige Differenzierung“. Baerbock, die selbst vom Dorf kommt, fügt noch einen anderen Punkt hinzu: „Pampa ist immer despektierlich.“

Auch Kretschmanns Sprecher Rudi Hoogvliet meldet sich. Das Interview sei an der einen oder anderen Stelle „zu emotional formuliert“. Straftäter wie die in Freiburg gehörten hinter Schloss und Riegel. Es gehe Kretschmann um Störenfriede, also Flüchtlinge, die mal einen Ladendiebstahl begingen, schwarzführen oder Leute anpöbelten. „Die Störer zu trennen, darauf kommt es an.“

So habe zum Beispiel eine Gruppe auffälliger unbegleiteter Minderjähriger in Mannheim ihr Unwesen getrieben. Diese Gruppe sei aufgelöst und die einzelnen Geflüchteten in jeweils anderen Kommunen untergebracht worden – „mit gutem Ergebnis“. Das sei mit „in die Pampa schicken“ gemeint.

Nüchtern erklärt ist Kretschmanns Anliegen durchaus diskussionswürdig. Aber selbst wenn man das grüne Kommunikationsdesaster außen vor lässt, bleibt vieles unklar. Zum Beispiel, wie und nach welchen Kriterien Kretschmann die Störer vereinzeln will. In Frage käme zum Beispiel eine härtere Anwendung der Wohnsitzauflage, nach der Flüchtlinge, die Sozialleistungen beziehen, ihren Wohnort nicht frei wählen dürfen.

Kretschmanns Sprecher bleibt mit Blick auf die Verwirklichung vage: Die Ministerien und das Staatsministerium würden „in den nächsten Wochen Maßnahmen und rechtliche Möglichkeiten prüfen“. Anders gesagt: Kretschmann hat ein paar populistische Versprechen in die Welt gerufen, ohne zu wissen, wie er sie erfüllen soll.

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21 Kommentare

 / 
  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...wo liegt eigentlich die Grenze zwischen Populismus und Rassismus?!

    • @81331 (Profil gelöscht):

      Na - im Grunde. Woll.



      &



      Wo das liegt - wußte selbst Hägar der Schreckliche nicht & Kretsche too.

      kurz - Im Grunde also egal. Gellewelle.



      Normal.

    • @81331 (Profil gelöscht):

      Machen Sie mal eine Umfrage in Freiburg.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...ja was denn, sog. Schwarzfahrer sind also "Störer"?!



    Die Grünen werde mir echt langsam aber sicher unheimlich.



    Wieviele Menschen in Deutschland können sich kein Ticket kaufen, oder sind versucht, in einem Laden etwas zu klauen, weil sie einfach zu wenig Geld haben?



    Wenn die Grünen wirklich so denken, dann unterscheiden sie sich bald kaum mehr von der CSU.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ..."Die Kretschmann Wohlgesonnenen wiesen darauf hin, dass er in Baden-Württemberg unter Druck steht"?



    Tja, da sieht man, wie weit die Grünen bereit sind zu gehen, wenn sie unter "Druck" stehen.

  • Die Grünen gehörten auf meiner persönlichen Beliebtheitsscala schon immer zu den stark Schwankenden in der oberen Hälfte. Kretschmann empfand ich nie als wirklich Grün und dann aber doch besser als den Rest der Parteienlandschaft. Das er nun in die selbe Sackgasse einzubiegen scheint wie die CSU ist ein wahres Armutszeugnis vür ihn selbst. Wenn Habeck diesen Blödsinn irgenwie in den Griff bekommen sollte , was sehr wünschenswert wäre, dann könnte ich mir Habeck sogar als Kanzler vorstellen !

  • Rassismus der leisen Töne.



    Habeck findet, dass Kretschmann in der Sache recht hat. Er soll nur anders formulieren. Bigott. Von Grünen nicht anders zu erwarten. Kretschmann denkt in der Sache rassistisch. Dass er seine Meinung biologistisch-rassistisch kund tut, ist zumindest ehrlich, aber nicht Grünenstile. Zur Aussage: die Evolution hat Männerhorden hervorgebracht? die Evolution? Dann muss die Evolution wohl auch die Familie hervorgebracht haben. Der Hort, in dem die schlimmsten Demütigungen und Gewalttätigkeiten jeder Art gegen Kinder und Frauen stattfindet und zwar massenhaft. Statistisch gesehen der gefährlichste Ort auf dieser Welt. Was schlagen Kretschmann und Habeck vor? Ignorieren? Dezentralisierung? In die Pampa? Auflösung?

  • Aber er hat doch Recht! Marodierende Männerhorden die fremdländisch aussehende Mitbürger durch sächsische Städte jagen! Grauenhaft!



    Leider kann man diese nicht in die "Pampa" schicken, weil diese schon in der Pampa wohnen.

    So, genug Populismus, was Kretschmann gesagt hat, ist dumm und gefährlich.



    Einfache Antworten, einfache Feindbilder...



    Etwas das man eigentlich von anderen kennt.

  • Kretschmann stellt sich auf die Ebene der "Kopftuchmädchen" und "Messermänner" Agitatoren der AfD. Auf Kritik reagiert er mit der, ihm eigenen Arroganz - dabei sollte er gewarnt sein. Die Abwahl Salomons in Freiburg, auch und gerade wegen dessen abgehobener Überheblichkeit. Aber Kretsch ist und bleibt eben der in K-Gruppen (KBW und Katholische Kirche) geschulte Polit-Taktiker. Mit dem verbalen Anbiedern an das "gesunde Volksempfinden" will er rechts Wähler gewinnen, die er links längst aufgegeben hat. Palmer, 'Ziehsohn 2' in Tübingen, spielt ja schon länger auf dieser rechtspopulistischen Politharfe seine garstigen Weisen....

  • so whataboutism. Warum bringt die Taz den "Rohrkrepierer"-Satz von Kretschmann zu neuer Debattengröße, und bringt nichts über Habecks Sozialstaatsreform (www.zeit.de/politi...chaffung-hartz-iv), was sonst vom Neuen Deutschland bis zur Jungen Freiheit die Presse bewegt?

  • "Er brandmarkt mit dem Begriff „Männerhorden“ pauschal männliche Geflüchtete, eine Gruppe, gegen die Rechte seit Jahren hetzen. „Kretschmann diffamiert eine ganze Gruppe aus sehr unterschiedlichen Individuen“, resümiert eine Grüne, die sich mit Flüchtlingspolitik auskennt. „Damit tut er uns in dem aufgeheizten Diskurs keinen Gefallen.“"

    Ich lach mich krank. Auf einmal ist das eine Beleidigung. Aber "die alten weißen Männer" als Grundübel und Quell alles Bösen, die sind ok?

  • 7G
    74450 (Profil gelöscht)

    "Die taz bittet Kretschmanns Sprecher am Dienstag um eine Präzisierung. Wen meint er genau mit gefährlichen, jungen Männerhorden? Ab wann ist eine Kleinstadt klein genug, um „Pampa“ zu sein? Was würde er BürgerInnen in Kleinstädten sagen, die ja auch Angst vor gefährlichen Männern haben?

    Auch den Grünen-Vorsitzenden in Berlin stellt die taz Fragen. Stellen sie sich wirklich „in der Sache“ hinter Kretschmann? Wenn ja: Bis wann ist man jung und wie bemisst sich Gefährlichkeit? Plädieren sie dafür, geflüchtete Frauen und Männer zu trennen? Könnten die betroffenen Männer nicht nach Artikel 3 Grundgesetz – dem Gleichheitsgrundsatz – klagen?"

    Bitte dran bleiben. Das ist wichtig und darf nicht einfach unter den Teppich gekehr werden.

    Es handelt sich nicht um irgendwas Dahingesagtes, sondern um wahrscheinlich autorisierte Aussagen, die von Kretschmann und der vielleicht seiner Presseabteilung autorisiert wurden. Es ist also kein Zufall, sondern gewollt!

  • Bei Kretschmann kann man den Eindruck gewinnen, dass er dem grünen Mainstream stets einen Schritt voraus ist. Hätten sie in Bayern eine Koalition mit Söder gebildet, nach der die Grünen in Bayern so gebettelt haben, dann wären sie wahrscheinlich sogar rechts an Kretschmann vorbei geschlittert. Ergo: Kretschmannisierung ist die grüne Zukunft.

    • @Rolf B.:

      Falsch. Eine humane Flüchtlingspolitik UND ein ausgleichender Sozialstaat sind die Zukunft der Grünen.



      Logischerweise müssten Grüne die mit der CSU regieren wollten mehr in die Mitte rücken. Die Frage ist doch wäre das in Kombination mit einer gemäßigteren CSU nicht besser für die Menschen in Bayern als keine Regierungsbeteiligung? Auf eine reine linke Mehrheit können die armen Bayern nämlich wohl noch lange warten.

      • 8G
        81331 (Profil gelöscht)
        @relation:

        ...besser für "die Menschen in Bayern"?!



        Nein, rechte Grüne braucht kein Mensch in Bayern.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Schon bessere Artikel von Ihnen gelesen, Herr Schulte. Das Wesentliche steht in der Schlussbemerkung.

    Mein Kommentar dazu: Impulskontrolle versagt, Herr Kretschmann. Menschlich verständlich. Zuviel Kreide trocknet zudem aus - und ist ungesund.

  • Wie Palmer: immer am verbalen Austesten was geht ... macht sonst nur die AfD so plump.

  • Ja wie*?* Kretschmanns Rohrkrepierer

    Dat wüßt ich ever.



    Wie beim Schlachtergesellen:



    “Ehrlich bis auf die Knochen!“



    & bürgerlich gemäßigt -



    “Bis zur Kenntlichkeit entstellt!“

    Ha no. Da - hilft ka Beede. Gellewelle.

    • @Lowandorder:

      er wollt' halt dem Boris Palmer den wind aus den segeln nehmen. immerhin schlägt er nur die pampa vor, nicht geschlossene einrichtungen in derselben.

      • @christine rölke-sommer:

        …als alter Betbruder ala Franziskus -



        Aber bitte mit Bola.

        Voll erkannt - der Herre -



        Oberministrant - & dere.

  • "Er brandmarkt mit dem Begriff „Männerhorden“ pauschal männliche Geflüchtete, eine Gruppe, gegen die Rechte seit Jahren hetzen."

    Sie haben doch oben richtig zitiert, Herr Schulte. Wie kommen Sie dann auf diese abstruse Verdrehung?