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Reaktion auf Wohnungsnot in StädtenDie Hausbesetzer sind zurück

In deutschen Großstädten herrscht Mangel an Wohnungen. Alte Aktionsformen wie die Hausbesetzung kehren zurück – nicht nur in Berlin.

Eine Aktionsform, die ihre letzte Hochzeit nach dem Mauerfall hatte: Hausbesetzung (hier in Stuttgart) Foto: dpa

BERLIN taz | Ein abgerissener Zettel, handgeschrieben, klebt am Klingelschild: #besetzen steht darauf. Die Klingel daneben gehört zu einer Wohnung im ersten Obergeschoss des unsanierten Eckhauses in Berlin-Kreuzberg. Drei Zimmer, Küche, Bad. Im Schlafzimmer liegen die Matratzen eng nebeneinander, in einem hellen Eckzimmer stehen abgewetzte Sessel, Holz- und Bürostühle um einen ovalen Tisch herum. Die Küche ist mit Gemüsekisten und leeren Bierkisten zugestellt, sogar einen Kühlschrank gibt es. Auch die Toilette und die Dusche funktionieren wieder – die Besetzer haben sie repariert.

Fast vier Wochen sind vergangen, seitdem AktivistInnen aus den Fenstern in der Großbeerenstraße 17a, Ecke Obentrautstraße ganz im Westen von Kreuzberg ihre Transparente hängten. In zwei Wohnungen des überwiegend leerstehenden Hauses waren sie eingedrungen. Die Polizei stand an jenem Samstagabend schon in voller Montur bereit, um die „Berliner Linie“ durchzusetzen – jene Maßgabe, wonach Besetzungen innerhalb von 24 Stunden geräumt werden sollen.

Doch dann erklärte der Vertreter des Eigentümers, einem katholischen Wohnungsunternehmen, keinen Räumungstitel zu stellen. Die Polizei zog sich zurück. Die Unterstützer vor dem Haus und die AktivistInnen im Gebäude jubelten. Bis zu einem vereinbarten Verhandlungsgespräch am 4. Oktober erhielten die Besetzer die Nutzungserlaubnis für eine Wohnung, inklusive zweier Schlüssel. Eine erfolgreiche Besetzung, zumindest vorerst, das hatte es in Berlin schon lange nicht mehr gegeben. Erst am Vortag löste sich eine Besetzung des zukünftigen „Google Campus“ in Kreuzberg auf, als Polizisten kurz davor waren, in das Haus einzudringen.

Einen der Schlüssel für die G17a, wie die BesetzerInnen das Haus nennen, hat Ulrich Möller, ein schlanker, hochgewachsener Mann, unauffällig in Jeans und grauem Fleece-Pullover. Als er eine Woche vor dem Gespräch über die zukünftige Nutzung die Tür aufschließt, ist niemand da. Die BesetzerInnen, die die Nacht im Haus verbringen, kommen erst später. Möller setzt sich in das große Eckzimmer, hinter ihm hängt eine Wandzeitung mit Terminen, von Kiezversammlungen und Konzerten.

Gegenspieler besetzte einst selbst

Möller, der in Wirklichkeit anders heißt, gehört zu jener Gruppe, die sich die Wohnung genommen hat. Eine „Hausprojektgruppe“ sind sie, schon lange erfolglos auf der Suche nach einem Objekt, in dem sie gemeinschaftlich miteinander leben können. Selbst mit dem Miethäusersyndikat, einer Struktur, die bei der Umsetzung des Hauskaufs hilft, sei auf dem Berliner Immobilienmarkt nichts mehr zu machen, so Möller. „Die Preise im Kiez haben sich in den letzten zehn Jahren vervierfacht“, sagt er. Auch auf konkrete Fragen zu ihrer Besetzung holt Möller aus, spricht über seinen Kiez Kreuzberg 61, nennt Neubauprojekte, redet über Ferienwohnungen und verfehlte Stadtpolitik.

Möller geht auf die 60 zu, auch seine Mitstreiter haben ihr 50. Lebensjahr schon überschritten. Anfang der 1980er Jahre hat Möller angefangen Häuser zu besetzen, in Westberlin war das damals in Mode. Bis er Mitte der 1990er Jahre Vater wurde, lebte er in besetzten oder legalisierten Häusern, immer in großen Wohnprojekten. Das will er jetzt wieder, raus aus seiner Kreuzberger Zweizimmerwohnung: „Ich empfinde das als selbstbestimmter, befriedigender, sozialer“, sagt er. Der Hausbesetzer Möller ist, anders als viele seiner Mitkämpfer von damals, kein Hausbesitzer geworden, sondern wieder Besetzer.

Benjamin Marx, gewissermaßen sein Gegenspieler, ist den anderen Weg gegangen. 1977 hat er in Düsseldorf selbst ein Haus besetzt, das allerdings noch am selben Tag geräumt wurde. Heute ist der 64-Jährige Projektleiter der katholischen Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft, die das Kreuzberger Haus Ende 2014 gekauft hat: Insgesamt hat das Unternehmen mehr als 20.000 Wohnungen im Portfolio.

Bei einem Gespräch mit der taz in der Woche nach der Besetzung erzählt er, dass er während der Aktion im Theater saß. Als er herauskam, hatte er Dutzende Anrufe auf der Mailbox, einige davon von der Polizei, die sein Go für eine Räumung wollte. „Wir hatten nicht das Bedürfnis ,die Polizei reinzuschicken“, sagt Marx dazu. Ob die Entscheidung mit seiner Vergangenheit zu tun hat oder seinem schlechten Gewissen geschuldet ist, weil das Gebäude schon so lange leersteht, verrät er nicht. Den Leerstand erklärt er mit der Konzentration auf andere Projekte und Abstimmungsproblemen mit dem Bezirk. Der lehnte es etwa ab, das vierstöckige Haus um eine Etage aufzustocken; erst 2017 sei die Sanierung der Wohnungen genehmigt worden.

„Ergebnisoffenes Gespräch“

Geht es nach Marx, soll nun alles ganz schnell gehen. In einem Teil sollen Schutzwohnungen für wohnungslose Frauen entstehen, samt einer Beratungsstelle und einer rund um die Uhr geöffneten Notübernachtung – den Bezirkspolitikern hat er seine Pläne schon vorgestellt. Für den anderen Teil über den er mit den BesetzerInnen verhandeln will, sagt er: „Wir stehen dem Modell, alternative Wohnformen zu finden, offen gegenüber. Wenn da eine gute Idee kommt, verschließen wir uns nicht.“

Einen Anspruch der BesetzerInnen auf das Haus will Marx nicht gelten lassen, aber er ist auch bemüht um sein Ansehen, erwähnt seine Vorzeigeprojekte für Flüchtlinge und insbesondere für Roma. Nach dem Gespräch schickt er eine SMS mit dem Link zu einem Artikel über ihn. Der beginnt mit den Worten: „Es könnte sein, dass es einen besseren Mann gibt als Benjamin Marx, aber nicht auf diesem Planeten.“

Ob die Ideen von Möller und Marx zusammenpassen, wird sich zeigen, wenn sie am heutigen Donnerstag erstmals persönlich aufeinandertreffen. Möllers Ziel ist es, das Haus langfristig zu sichern, etwa über einen Erbpachtvertrag. „Ich gehe davon aus, dass es ein ergebnisoffenes Gespräch geben wird“, sagt er und fügt hinzu: „Ich erwarte nicht, dass ein Eigentümer sofort Ja sagt.“ Dabei hofft er auch auf den Bezirk; der müsse schließlich genehmigen, was immer Marx mit dem Haus machen wolle.

Die Hausprojektgruppe hatte sich vor anderthalb Jahren schon einmal an die Eigentümer gewandt, damals wollten sie ausloten, ob sie das Haus kaufen können. Der Kontakt brach schnell wieder ab. In Möllers Gruppe reifte die Idee, anders an das Haus zu kommen. Ermutigt wurden sie, als an Pfingsten das erste Mal seit Langem wieder in Berlin im großen Stil besetzt wurde. #besetzen heißt die Kampagne, die die Aktion von Möllers Gruppe aktiv unterstützt.

Ende August wurde der „Herbst der Besetzungen“ ausgerufen, seitdem wurden drei Gebäude in Berlin und eines in Potsdam besetzt. Auch nach der bisher letzten Aktion am vergangenen Samstag, als sich über mehre Stunden Aktivistinnen in einer Wohnung in Friedrichshain verbarrikadierten, erklärte das Presseteam der Kampagne: „Wir werden weiter besetzen, bis wir es nicht mehr müssen.“ Es ist die Rückkehr einer Aktionsform, die ihre letzte Hochzeit in Ostberlin nach dem Mauerfall hatte.

Der rot-rot-grüne Senat ist schon unter Druck geraten. Bereits nach Pfingsten begannen Linke und Grüne, sich dafür einzusetzen, dass eine Räumung nur noch dann erfolgen soll, wenn ein Eigentümer nachweisen kann, dass er einen bestehenden Leerstand schnell beseitigt. Noch sperrt sich die SPD, doch mit jeder Besetzung wird der Druck größer. Auch weil die Sympathien in der Bevölkerung auf Seiten der AktivistInnen liegen. Eine Umfrage fand heraus: Für 53 Prozent der BerlinerInnen sind Besetzungen ein legitimes Mittel. In Kreuzberg haben Nachbarn Möbel, Küchengegenstände und Geldspenden vorbeigebracht. Sie müssen ja nur klingeln.

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57 Kommentare

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  • Tja hier wird nun im Forum eindeutig illegales Verhalten toleriert bis gefeiert. Bei den Aktionen der selbsternannten Lebensschützerinnen, die nicht rechtsstaatswierdig sind, wird nach dem Staat und Durchgreifen geschrien. Welch lächerliche Doppelmoral.

  • Die Leute ziehen nicht nach Berlin, weil Berlin so geil ist?



    Ernsthaft?

  • Taz: "Reaktion auf Wohnungsnot in Städten. Die Hausbesetzer sind zurück. In deutschen Großstädten herrscht Mangel an Wohnungen. Alte Aktionsformen wie die Hausbesetzung kehren zurück – nicht nur in Berlin."

    Wen wundert es? Wir haben 860.000 Wohnungslose in Deutschland, davon sind 52.000 Menschen obdachlos - leben also schon auf der Straße. Im August 2018 ergab eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung, dass 2 Millionen bezahlbare Wohnungen in Deutschland fehlen.

  • "Doch dann erklärte der Vertreter des Eigentümers, einem katholischen Wohnungsunternehmen..."



    Verstörendes Detail. Sind jetzt die Kirchen auch solche Immobilienhaie.?



    Und dann tun die sooooo sozial.



    Unglaublich

    • @Demokrat:

      Immobilienhaie? Assoziationsstörung?

  • Das wichtige an den Hausbesetzungen der Gegenwart ist allerdings, dass sie nicht orientieren auf Gegenkultur und Freiräume, sondern auf Wohnraum.



    Der nächste Schritt sollte sein ein Mietstreik über mehrere Häuserzeilen, rein aus Gründen der Miethöhe. D.h. Klassenkampf, kollektive Aktion.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @nzuli sana:

      Ein Jedes hat seine eigene Form.

    • @nzuli sana:

      Warum nicht auf Arbeitsplätze wo die Zugezogenen herkommen?

      • @Rudolf Fissner:

        Was haben denn jetzt die schutzsuchenden damit zu tun? Sind die für sie jetzt die sündenböckInnen für alles?

        • @Demokrat:

          Und warum nicht auch für Arbeitsplätze auch für Schutzsuchende

        • @Demokrat:

          Landflucht, nicht Immigration.

          • @mallm:

            Steht da aber nicht. Zugezogen sind ja alle, welche zugezogen sind. Dies beinhaltet ja wohl auch schutzsuchende.



            Landflucht kann ja wohl kaum gemeint sein

  • Im Artikel heißt es: "Noch sperrt sich die SPD, doch mit jeder Besetzung wird der Druck größer. Auch weil die Sympathien in der Bevölkerung auf Seiten der AktivistInnen liegen. Eine Umfrage fand heraus: Für 53 Prozent der BerlinerInnen sind Besetzungen ein legitimes Mittel."

    Da fällt einem doch gleich der taz-Artikel vom 01.10.2018 ein: www.taz.de/Archiv-...51&s=populistisch/

    Mal im Ernst: Wohnungsnot herrscht, wenn es an für Normal- und Geringverdiener bezahlbarem Wohnraum fehlt. Und das ist der Fall, wenn die Nachfrage aus diesen Bevölkerungsgruppen das Angebot übersteigt. Abhilfe dagegen schafft allein das Bauen weiterer bezahlbarer Wohnungen. Hausbesetzungen schaffen keinen Wohnraum, sondern verteilen ihn nur anders.

    Und wenn die Politik entscheidet, die Bevölkerungszahl zu erhöhen, ohne rechtzeitig entsprechenden neuen Wohnraum zu schaffen, verschärft das die Wohnungsnot. Es verschärft auch die Konkurrenz unter den von der Wohnungsnot Betroffenen. Mit anderen Worten: Die Betroffenen werden gegeneinander ausgespielt. Merkwürdigerweise wird dieses Gegeneinander-Ausspielen allerdings häufig nicht denjenigen vorgeworfen, die die verschärfte Konkurrenz schaffen, sondern denjenigen, die diese Tatsache benennen und kritisieren. Vielleicht liegt darin auch einer der Gründe für den Abstieg der Linken und den Aufstieg der Rechten. Linke fordern gern offene Grenzen und zugleich mehr sozialen Wohnungsbau, ohne beide Forderungen untrennbar miteinander zu verbinden. Wird dann die erste Forderung (partiell) erfüllt und die zweite nicht, regen sich diese Linken ganz unschuldig darüber auf, dass der Mangel an bezahlbarem Wohnraum immer größer wird.

    Ähnlich war es im Bundestagswahlkampf der Linkspartei, die zugleich höhere Renten und eine deutliche Erhöhung der Ausgaben für die Pflegeversicherung forderte, so dass bei Umsetzung des Programms die Rentenerhöhungen durch die Beitragssteigerungen in der Pflegeversicherung gleich wieder einkassiert würden.

    • @Budzylein:

      Leerstände sind als Wohnraum erstmal nicht nutzbar. und niemand zwingt VermieterInnen, wucherhafte Quadratmeterpreise für stinknormale Wohnungen zu fordern.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Budzylein:

      Ich bin stets bei denen, deren Denken und Handeln Augenmaß und Sinn zeigt.

      Auch wenn in diesem Land einE jedeR kritisiert werden darf: Ausmass und Schärfe der Kritik sollten sich daran orientieren, wer die Richtlinien der Politik bestimmt. Dies ist meines Wissens nur peripher die Partei DIE LINKE (in Thüringen).

      Was meinen Sie im Übrigen zu den Haltungen der GroKo-Parteien in Sachen Pflege und Rente??? Alles dort in Butter???

      • @76530 (Profil gelöscht):

        Nein, natürlich ist bei Union & SPD keineswegs alles in Butter bezüglich Pflege und Rente. Aber als alter Linker kritisiere ich eben auch die linke Opposition, die die Aufgabe hat, die Regierung in die richtige Richtung zu treiben. Und wenn die linke Opposition auch nichts Vernünftiges mehr produziert, werden die Aussichten auf Veränderung zum Besseren noch schlechter.

      • @76530 (Profil gelöscht):

        Nein, natürlich ist bei den Regierenden keineswegs alles in Butter. Aber als alter Linker kritisiere ich eben auch die Politik der linken Opposition, denn die hat die Aufgabe, die Regierung in die richtige Richtung zu treiben. Und wenn von links auch nichts Vernünftiges kommt, wird sich nichts zum Positiven ändern.

        Da Kommentare nun einmal nur Teilaspekte behandeln können, kann dabei leicht der Eindruck entstehen, dass eine Kritik an der Opposition die Regierungspolitik gutheißt. Das war nicht meine Absicht. Gern halte ich für Sie und für Hampelstielz fest, dass dir Hauptverantwortung für die Wohnungsnot bei Union und SPD liegt, wie auch für die Missstände in Rentenversicherung und Pflegeversicherung.

    • @Budzylein:

      Ihre populistische Analyse ist falsch. Die Leute ziehen nicht in die überfüllten Metropolen, weil das Wohnen dort so geil ist, sondern weil Arbeitslplätze dort fehlen wo sie herkommen.

      Dementsprechend sollten die Gelder insbesondere in die Schaffung von Arbeitsplätzen fließen wo die Menschen herkommen statt per Wohnungsbau in noch unwirtlichere Städte fließen.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @Rudolf Fissner:

        Absolute Zustimmung: Arbeitsplätze gehören dorthin, wo die Menschen leben - und nicht umgekehrt. In heutigen Zeiten umfassender Entfremdung und Zerrissenheit, innerpsychisch wie sozial, lebt kaum jemand noch dort, wo er geboren wurde und aufwuchs.

        Welch ein krankes System! Wundert sich da nur einer über die täglich zu besichtigenden Folgen???

        • @76530 (Profil gelöscht):

          Der Linkspopulismus tendiert aber eher dazu Wohnungen dort zu fordern wo Arbeitskräfte gebraucht werden. Absurd arbeitgeberfreundliche Haltung. Maßgeblich sind die Ortsentscheidungen der Wirtschaft.

    • @Budzylein:

      Klar, die Linken sind verantwortlich. Wer hätte das gedacht. Kapital, Stadtplanung, Lobbyismus, Korruption:



      Alles nur Symptome der Asylgesetze und der verlogenen Linken. Wenn nur endlich diese ganzen Ausländer aus dem Land geschafft würden, der Großteil der Probleme wäre im Nu gelöst. Pro Person stünden mindestens 30 qm zur Verfügung, jeder hätte einen Job und alles wäre gut.



      Du hast wirklich messerscharf analysiert. Vielen Dank auch.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Lasst uns zwei, drei, viele Häuser besetzen.

    Das schafft Wohnraum und wenn es massenhaft geschieht, kann es von Erfolg gekrönt sein.

    Und wenn sich daraus eine Bewegung entwickelt, kann diese die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse ein wenig in Frage stellen.

    Außerdem macht es Spaß.

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Hausbesetzungen haben eine eigene ganz andere Dynamik als feste Verträge. Die Projekte müssen sich immer wieder neu erfinden um sich zu erhalten und ökonomische Vorraussetzungen ihrer Beteiligten treten hinter ideellen und aktiv im kollektivsein zurück. Das war jetzt schlimm formuliert, aber darüber hinaus gibt es (VoküsElberspüln-konsumzwangscheissespass) noch zahlreiche Facetten die den Experimentellerrand füllen. Dort wo die Hoffnung weiterlebt, ungebrochen und geliebt.

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Es gibt keinen Mangel an Wohnraum und wenn es einen gäbe dann könnte man ihn nicht dadurch beseitigen das man ihn besetzt. Das ist so als würden sie versuchen den Hunger in der Welt zu stillen, indem sie ihrem Nachbarn das Essen klauen.

      "Außerdem macht es Spaß."

      Ja das glaube ich wohl. Ich befürchte das ist oft der wahre Grund für Aktivismus. Es macht Spaß und man fühlt sich so als hätte man was bewegt. Dabei hat man nur die Bevölkerung gegen sich und seine politischen Ideale aufgebracht. Bei vielen Aktivisten ist es Egoismus in Reinform!

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @Januß:

        Ich zweifle daran, ob Spass haben ein Kriterium sein kann, etwas NICHT zu tun. Es sei denn, Sie sind ein Vertreter der Meinung, die Abwesenheit von Spass (eine ur-preußische Tugend) sei ein Beleg dafür, dass etwas gut und richtig sei.

        Dass Egoismus etwas Schlechtes sein soll, ist übrigens ein Kalauer. Ganz besonders in einer Gesellschaft, deren Credo der Egoismus ist.

        Also: Egoismus für ALLE, nicht nur die Wenigen.

        Was Ihr Beispiel mit dem Klauen von Essen angeht: klingt gut. Doch wo ist die Analogie zum Thema Wohnen???

        • @76530 (Profil gelöscht):

          Natürlich sollte man Dinge nicht nur nicht tun, weil sie Spaß machen. Ich habe ja nichts gegen Spaß. Das ist nicht der Punkt aber man sollte keinen politsichen Aktivismus betreiben nur weil es sich gut anfühlt und ich denke davon gibt es viel. Mein Problem damit ist das dadurch in den Hintergrund rückt ob die Aktion überhaupt irgendwas bringt oder ob man damit nur die Menschen gegen sich und das wofür man steht aufbringt.

          Früher war der Begriff Links mal deutlich positiver konnotiert. Da hat man primär an sozio-ökonomische Themeatik gedacht, an Gewerkschaften, an Arbeitskampf, an Umverteilung,... heutzutage ist diese positive konnotation größtenteils weg. Das liegt meines Erachtens vor allem am erstarken der postmodernen Linken und an egozentrischen Aktivisten. Davon brauchen wir nicht noch mehr!

          "Egoismus für ALLE, nicht nur die Wenigen."

          Jeder Mensch verhält sich egoistisch. Damit habe ich auch kein Problem. Aber wer eine Aktion startet mit dem Anspruch etwas fürs Allgemeinwohl zu tun sollte sich am Ende nicht als Egomane herausstellen.

          • 7G
            76530 (Profil gelöscht)
            @Januß:

            Es verbleibt mir nur Eines: Ihren diffenzierten und klaren Worten zuzustimmen.

            Ganz besonders dem Hinweis auf den Widerspruch zwischen Egomanie und Gemeinwohl.

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @Januß:

        Also wenn ich die Hausbesetzung in den 80er-Jahren in Berlin betrachte, dann würde ich schon sagen, dass die etwas bewegt haben.

        Wie SO36 heute aussehen würde, hätte es diese Aktivistinnen und Aktivisten nicht gegeben, daran mag ich nur mit Schaudern denken.

        Und, ohne das wäre es wohl nicht gegangen, es gab diese zapatistenmäßige Pressekonferenz bei der die Bewegung verkündete: Eine Million Sachschaden für jede Räumung.

        Gut, später wurde dann in Verhandler und Nichtverhandler gespalten. Aber der Furor war schon notwendig.

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Häuser besetzen schafft null Wohnraum. Der ist - in manchen Großstädten noch ein klitzekleinees büschen - bereits vorhanden. Häuser besetzen schafft nur weniger Leerstand.

      Apropo Leerstand. In der osttäutschlichen Walachei gibts noch ne Menge Leerstand. Die alten Leute dort würden sich bestimmt über junge Leute freuen!

      Und Wohnortwechsel schafft freien Wohnraum. So könnten massenhafte Hausbesetzungen in Ossilanden dazu beitragen, die Wohnungsnot zu entschärfen! Wie geil wäre dass denn.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @88181 (Profil gelöscht):

      In Berlin wäre ich sofort dabei. Hier auf dem flachen Land in Mittelhessen würde ich als Einzelkämpfer sofort geteert und gefedert, vielleicht noch Schlimmeres. Dabei bin ich durchaus ein Freund von Inszenierungen. Aber es sollten schon andere sein.

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @76530 (Profil gelöscht):

        Geteert und gefedert, das ist natürlich nicht schön.

        Ich gebe aber zu bedenken, dass die Berliner Cops dazu neigen ruppig zu sein.

        • @88181 (Profil gelöscht):

          Ja, also ich kenne Berlin nur als Touri, die Cops sind dort meiner Erfahrung nach gerdazu liebreizend, zumindest im Vergleich zu den bayerischen Kollegen.

        • 7G
          76530 (Profil gelöscht)
          @88181 (Profil gelöscht):

          Sie haben völlig Recht. Das habe ich vergessen. Wie sagte schon Novalis: "In der Ferne wird alles zur Poesie."

          Offenbar auch das, was keine Poesie ist.

        • @88181 (Profil gelöscht):

          Und Hessen hat die Todesstrafe noch in der Landesverfassung.

          • 8G
            88181 (Profil gelöscht)
            @Sven Günther:

            Und die geht so:

            Grie Soß und Ebbelwoi bis zum Ableben.

            • @88181 (Profil gelöscht):

              Das ist nicht in Stein gmeißelt! Auch Hessen ist flexibel, natürlich kann man auch zu "Handkees mit Musik" verdammt werden...

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Dass die Hausbesetzer zurück sind, kann einen Rebell der Alten Schule nur erfreuen.

    Ich hoffe, es handelt sich aber um andere Personen als früher. Cohn-Bendit und Fischer wären nur peinlich. Obwohl: sie könnten eine Alten-WG mit Macron, Madeleine Albright und anderen Figuren gründen. Und sich die Ei** und andere Körperteile kraulen.

    Eine schöne Vorstellung!

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @76530 (Profil gelöscht):

      Da gibt es immer solche und solche.

      Als wir Anfang der 90er-Jahre unser Haus in Berlin besetzten, taten wird das, weil wir auf dem normalen Weg keine Wohnungen fanden.

      Andere Besetzer wollten der Wiedervereinigung in die Suppe spucken.

      Und dann gab es noch die Punks, bei denen keiner so genau wusste, was die wollten.

      Alles in allem war es ein existenzielles Erlebnis, im damals noch rauen Ostberlin, sich einfach so ein Haus unter den Nagel zu reissen.

      Eine Mischung aus Bohemians und Outlaws.

      • 9G
        99337 (Profil gelöscht)
        @88181 (Profil gelöscht):

        "Als wir Anfang der 90er-Jahre unser Haus in Berlin besetzten, taten wird das, weil wir auf dem normalen Weg keine Wohnungen fanden."

        Nicht, dass ich den Hausbesetzern grundsätzlich negativ gegenüber stehe, aber stimmt das wirklich?



        Insbesondere so kurz nach Mauerfall hatte Berlin meiner Erinnerung nach ein Überangebot, weshalb die Mieten auch weit über diese Zeit hinaus vergleichsweise niedrig blieben.

        Ich hatte ca. 1995 zum ersten und einzigen Mal gar eine Wohnung (GSW) bekommen, ohne Kaution bezahlen zu müssen. Auch meine ich, dass zu jener Zeit Neumieter teilweise auch mit bis zu drei mietfreien Monaten gelockt wurden.

        • 8G
          88181 (Profil gelöscht)
          @99337 (Profil gelöscht):

          Doch, das stimmt schon. Zumindest für das Zeitfenster, in dem wir suchten.

          Später gab es dann im Osten viele freie Wohnungen, die man normal anmieten konnte und dadurch wurde es für eine Weile auch im Westen einfacher.

          Wir kamen als die Ostobrigkeit weg war und der Westen noch nicht richtig da.

          Wir haben ja später auch verhandelt und hatten dann Mietverträge für unser Haus.

          Ich habe den Vertrag noch. 40 DM war meine Monatsmiete.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @88181 (Profil gelöscht):

        Traumhaft, da wäre ich gerne dabei gewesen. Ich kenne Ost-Berlin aus den 1970ern und 1980ern von Besuchen bei meinem seligen Vater.

        Bei den Bohemiens wäre meine Heimat gewesen. Ihre vermutlich eher bei den Outlaws?

        • 8G
          88181 (Profil gelöscht)
          @76530 (Profil gelöscht):

          Ich würde sagen, als Bohemian ist man immer auch ein bisschen Outlaw.

          Man arbeitet ja nicht unbedingt und freut sich doch an schönen Dingen.

          Das muss dann eben anders gehen.

    • @76530 (Profil gelöscht):

      Wäre dann Albright die Führungsoffizierin nicht nur für Fischer, sondern auch für Cohn-Bendit und Macron?

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @Rolf B.:

        Danke der Nachfrage.

        In diesem Bild wäre sie das wohl so. Mir kommen da schlimme Fantasien, wie Sie nur wenigen Nachfahren des 'Tausendjährigen Reiches' mit entsprechenden Antennen kommen können. Ich muss mich da bremsen ... mit der Kraft der Erkenntnis.

        • 7G
          76530 (Profil gelöscht)
          @76530 (Profil gelöscht):

          Innere Aufregung beeinflusst die orthographischen Fähigkeiten ...

  • Hab auch keinen Bock auf Miete. Vielleicht sollte ich mir auch ein Haus schnappen?

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Andi S:

      Papiertiger schnappen sich kein Haus - weil sie Papiertiger sind. Da kenne ich mich aus. Bin ja selbst einer. :-)

    • @Andi S:

      Wenn's so einfach wäre. Immerhin haben die offenbar sehr geschickten und realistischen Besetzer z.B. selbst die Wasseranschlüsse wieder hergerichtet. Besetzen ist anstrengend und kostet Geld. Weder Mami noch Hauswart kommen zum Putzen und Glühbirnenwechseln.



      Besetzer tun mit eigenen Händen etwas für die Bewohnbarkeit der Stadt. Tüchtig! Weiter so!

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @Elin H. de Renoir:

        Not macht erfinderisch!!!

        Auch wenn ich es aus Gründen des Alters, der Gesundheit und der Bequemlichkeit nicht mehr selbst kann: ich hege große Sympathien für Hausbesetzer und wünsche ihnen gutes Gelingen! Selbst wenn es sich - tatsächlich oder nur vermeintlich - nicht um das eigentliche Problem handeln sollte.

        Hausbesetzungen haben Symbol- und Strahlkraft. Die Reaktionen werden es zeigen.

  • Besetzung war irgendwie immer in coolen städtischen Wohnlagen. Nur weil man die normale Miete nicht zusammen bekam

  • Nur ist Leerstand, wie Mieterorganisationen sagen, gar nicht das Problem des Berliner Wohnungsmarktes.

    Deshalb sind Besetzungen nun wenig zielführend.

    • @rero:

      Aber es hält den Druck auf die Politik aufrecht und das zählt verdammt viel.

      • @LesMankov:

        Was ist denn das Ziel? Ein sozialistischer Wohnungsmarkt? Kann man machen, nur da gab es auch immer eine Zuzugsbeschränkung. Wenns nicht mehr geht, zieht der eine oder andere wieder weg aus Berlin. Ist eben so.

      • @LesMankov:

        Der falsche Druck, um die falschen Konzepte hervorzurufen.

        Es werden bestenfalls Sanktionen gegen Leerstand verabschiedet.

        Das eigentliche Problem wird nicht angegangen.

        Die grüne Bezirksbürgermeisterin und die linke Bausenatorin können dann aber so tun als hätten sie was getan.

        Augenwischerei, die nur der politischen Untätigkeit nützt.

  • Am 1. November 2018 steht dazu in der NZZ:



    "Deutschland spart sich arm



    Das Nettogeldvermögen pro Kopf ist in Ländern wie Schweden, den Niederlanden und Belgien etwa doppelt so hoch wie in Deutschland. "



    Deutschland ist eines der reichsten Länder der Welt. Doch beim Bruttogeldvermögen pro Kopf ist das Land 2017 weiter abgerutscht. Mit 73 600 € fiel die grösste Volkswirtschaft der Euro-Zone um vier Plätze auf Rang 20 zurück und liegt nun direkt hinter Italien und Österreich.



    Die führenden schwarzen Nullen haben das Sparen am Personal zum Volkssport erklärt:



    Die Schwarze Null ist unser makroökonomisches Ziel der Bundes-Republik.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Peter Meisel:

      In welcher Glaskugel haben Sie das gesehen, was am 01. November 2018 in der NZZ steht? Btw: würden Sie mich auch mal persönlich beraten?

      In der Sache selbst stimme ich Ihnen natürlich zu. Schon wesentlich klügere Köpfe als ich ( ... obwohl ...?) weisen seit Jahren auf die schädlichen Auswirkungen einer verheerenden Sparpolitik hin. Der Bazillus steckt mittlerweile in (fast) jeder Partei. Sparwut ersetzt die Visionsarmut.

  • Ich empfehle mal das Buch "Planet der Slums" von Mike Davis. Menschen überall, zuviele. Auch in den letzten Jahren wurden z.B. in Peking mal eben 300.000 Menschen geräumt und zwangsumgesiedelt, wegen Olympia. Stadtplanung wird nur für die Besserverdienenden gemacht, immer.