Kommentar Abschiebung eines Uiguren: Adilie muss zurückgeholt werden
Wegen einer Fax-Panne wurde ein Uigure rechtswidrig nach China abschoben. Bayerns Innenminister Herrmann verhält sich nach der Devise: Weg ist weg.
E s lag wohl kein Behördenvorsatz darin, dass der 23-jährige Uigure D. Adilie im April rechtswidrig von München nach China abgeschoben worden ist. Das tatsächlich nicht als abschiebewütig geltende Münchner Ausländeramt hat auf eine Kommunikationspanne hingewiesen – das Fax des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), in welchem Adilies Asylfolgeantrag bestätigt wurde, hat die Behörde nicht erreicht.
Im sonst so vorbildlich-korrekten Bayern fragt man sich schon, wo da die Sorgfalt abgeblieben ist. Kann bei einem solch sensiblen Thema wie einer Abschiebung der Behördenschlendrian so um sich greifen? Warum sichert man, wenn es womöglich um das Leben eines Menschen geht, eine wichtige Mitteilung nicht noch mit einer Email ab – oder greift mal zum Telefonhörer?
Adilie hatte an jenem Tag eine Anhörung beim BAMF. Die konnte er nicht wahrnehmen, weil er schon am frühen Morgen von der Polizei in ein Flugzeug nach Peking gesteckt worden war. Seither fehlt jede Spur von ihm. Uiguren werden in China systematisch verfolgt. Zu Hunderttausenden werden die Angehörigen der muslimischen Minderheit in Zwangslager zur „Umerziehung“ interniert, ihre Menschenrechte mit Füßen getreten. Bislang erhielten Geflohene in Deutschland immer zumindest eine Duldung.
Die Münchner Abschiebebehörde bedauert die Ereignisse zumindest. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bestätigt den Vorfall nur. Er offenbart in seinem Brief an die Grünen-Bundestagsabgeordnete Margarete Bause, dass es keinerlei Aktivitäten gegeben hat, das Schicksal Adilies weiter zu verfolgen. Weg ist weg: Das ist Herrmanns Ignoranz.
Der Law-and-order-Mann zeigt keine Ambitionen, das Unrecht der Abschiebung rückgängig zu machen. Doch D. Adilie muss zurückgeholt werden, das muss eine Landes- und eine Bundesregierung bewerkstelligen können. Der Münchner Anwalt des Uiguren will das einfordern. Eine Asylpolitik, die ein solcher Fall und ein solches Schicksal nichts schert, hat jegliche Legitimation verloren.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autoritäre Auswüchse beim BSW
Lenin lässt grüßen
Prozess zum Messerangriff in England
Schauriger Triumph für Rechte
BSW in Thüringen auf Koalitionskurs
Wagenknecht lässt ihre Getreuen auf Wolf los
Rückgabe von Kulturgütern
Nofretete will zurück nach Hause
Nahostkonflikt in der Literatur
Literarischer Israel-Boykott
Kamala Harris’ „Abschlussplädoyer“
Ihr bestes Argument