piwik no script img

Hamburger Polizeiführung und G20Autonome selber schuld

Im G20-Sonderausschuss sagt Hamburgs Innensenator Grote, die Polizei habe geknüppelt, um Demonstranten vor Vermummten zu schützen.

Sollten „separiert“ werden: Vermummte auf der „Welcome to hell“-Demo Foto: dpa

Hamburg taz | Sieben zähe Stunden haben die Abgeordneten des G20-Sonderausschusses und die Polizeiführung am Donnerstagabend im Hamburger Rathaus getagt. Das ist ziemlich anstrengend, denn das Vokabular derer, die sich rechtfertigen müssen, ist technisch und bürokratisch: Da ist die Rede von Kräften, die von hier nach dort „verbracht werden mussten“, um „eine Separation vorzunehmen“, mit dem Ziel, „das Kräftepotenzial der Gegenveranstaltung zu halbieren“.

Dabei ging es um einen umstrittenen Polizeieinsatz am Vorabend des G20-Gipfels bei der autonomen „Welcome To Hell“-Demonstration. Bevor diese loslaufen konnte, hatten Polizist*innen die Demo zerschlagen. Als Grund gab die Polizei an, sie habe den Block der Vermummten aus der Demo heraustrennen wollen. Der Versuch führte zu einem Desaster: Demonstrant*innen warfen Flaschen auf die prügelnden Polizist*innen, andere versuchten panisch, sich auf eine Flutschutzmauer zu retten, viele wurden verletzt.

Für den Einsatz mussten sich Gesamteinsatzleiter Hartmut Dudde, Innensenator Andy Grote (SPD), der Direktor der Bereitschaftspolizei, ­Joachim Ferks, und der Chef der Hamburger Bundespolizei, Normann Großmann, rechtfertigen. Man habe alles versucht, damit die Demo laufen könne, beteuerten die Vier. Mehrfach habe es Kooperationsgespräche zwischen den Anmeldern und der Polizei gegeben. Aber da die Demo-Anmelder auch nur begrenzt Einfluss auf die vermummten Teilnehmer*innen hatten, sei entschieden worden, die „Störer“ zu separieren, denn man müsse ja auch „den friedlichen Teil der Demo vor dem Unfriedlichen schützen“, sagte Grote. Er räumte ein: „Das ist schiefgegangen.“

Die Linken-Abgeordnete Christiane Schneider wollte wissen, welche Maßnahmen in Bezug auf eine Massenpanik getroffen worden seien. Den Begriff finde er unangebracht, sagte Ferks. Er denke da an die Loveparade aber nicht an „Welcome to Hell“: „Da sind Straftäter geflohen!“, sagte er, „und das ist ihnen leider gelungen!“

Letzteres habe die Polizei überrascht – offenbar hatte sie die Menschen, die neben der Demo auf der Flutschutzmauer standen, für unbeteiligt gehalten. Als Panik ausbrach, halfen diejenigen auf der Mauer denen auf der Straße und zogen sie hoch. „Hätten wir gewusst, dass wir es da mit Sympathisanten des schwarzen Blocks zu tun hatten, wären wir anders vorgegangen“, sagte Grote.

Auf die Nachfrage nach einem Deeskalationskonzept sagte der Senator: „Die Polizei hat kein Deeskalationskonzept.“ Vielmehr sei das ganze Handeln darauf ausgerichtet, zu deeskalieren. Und da habe man zum Beispiel mit Kommunikationsteams Dimensionen erreicht, „die wir noch nie hatten.“ Die Eskalation bei der „Welcome to Hell“-Demo, da war sich Grote sicher, wäre in jedem Fall eingetreten – die Teilnehmer hätten das so gewollt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • Die wichtigste Frage wäre für mich:

     

    Wie kommt man auf die bekloppte Idee so einen G20-Gipfel in einer Großstadt zu machen? Und wer hatte diese Idee?

  • Mir graut es bei der Vorstellung, dass Vermummungen erlaubt werden, wie Linksparteiler es fordern.

     

    Massen an Menschen die vermummt und dunkel durch die Straßen schleichen. Viele vielleicht friedlich.

     

    Aber immer wieder sind Blöcke dabei, die die Anonymität mit Gewalt nutzen werden. Wie sie auch die Anonymität im Netz schon heute nutzen. Rechte Blöcke und auch linke Blöcke. Bei Worten wird es dabei sicher nicht bleiben.

  • Es bleibt dabei ... Staat, Nation, Kapital ... Sch.. ße!

  • Ha ha ha ! G20 "Sonderausschuss" für Aufklärung? ..wenn es nicht so traurig wär´.. sollte gelacht werden ! So, wie die Praxis der HH Polizei seit den Demos wegen der besetzten Häuser in der Hafenstrasse ( St. Pauli) war: mindestens 10% der "gefährlich Vermummten" waren `undercover´ Zivilpolizisten.. So war es auch bei G20! Die happenings bei G20 sind m.E. reif fürs Theater ! .. "kalkulierte Eskalation" friedlich geplanter Demo´s.. um die Härte des Staates zu demonstrieren.. um die "aufmüpfige Jugend" zu `Ordnung´und Hörigkeit zu zwingen.. Scheisse fressen.. anstatt futuristische Ideen global möglicher Lebenshoffnung friedlich auszudrücken.. m.E. wird im Text von Frau Schipkowski die Dramatik des Kontrastes polizeilicher Eskalation zur friedlich intendierten Demonstration bildlich gut dargestellt: die paar ehrlich wütenden `Autonomen´, inclusive ihrer `undercover´Zivis.. konstruierten einen legitimierenden Erfolg für die Polizei.. Die Jugend - als Akteur für Hoffnung der Welt- wurde in die "staatlich ideologischen Schranken" gezwungen... SCHIET eeh*

  • 7G
    74450 (Profil gelöscht)

    Hamburg bleibt ein Trauerspiel. Rot-Grün muss weg!

  • Die Sympathie der Blogger hier für die G20 Gewalttaeter macht sprachlos. Schon nach den Vorkommnissen in Hamburg tat sich das linke Spektrum schwer mit der Abgrenzung von Gewalttätern. Das Problem ist anscheinend strukturell.

    Die Situation ist doch eindeutig: Gewalt-suchende "Demonstranten" sind nach Hamburg gezogen, um ein Wochenende lang Schäden anzurichten und das Gewaltmonopol des Staates herauszufordern. Die Polizei hätte von vorneherein viel härter durchgreifen müssen. Wer sich im schwarzen Block aufhält ist Mittäter und gehört genauso bestraft wie die Täter selbst.

    Mit dem Demonstrationsrecht haben die Hamburger Krawalle nun wirklich gar nichts zu tun. Wer durch Strassen zieht und organisiert erst Fenster einschmeisst, damit eine zweite Gruppe Molotowcocktails nachwerfen kann, begeht versuchten Mord. Die Antwort der Staatsgewalt muss entsprechend sein.

    • @Sven :

      Ihre Sympathie für die staatlichen G20 Gewalttaeter macht sprachlos. Schon vor den Vorkommnissen in Hamburg tat sich die Staatsgewalt schwer mit der Abgrenzung von Polizei-Gewalttätern. Das Problem ist anscheinend strukturell.

    • @Sven :

      Die Situation ist doch eindeutig: Gewaltsuchendes "Sicherheitspersonal" ist nach Hamburg gezogen, um ein Wochenende lang Demonstranten zu schikanieren und zu verprügeln, das Demonstrationsrecht auszuhebeln und ihrem Verständnis vom "Gewaltmonopol des Staates" Ausdruck zu verleihen.

       

      Ein Glück, dass es auch ein paar gewaltätige Demonstranten gab, so kann man die "Staatgewalt"-Prügelorie wenigstens irgendwie rechtfertigen...

  • " „Da sind Straftäter geflohen!“, sagte er, „und das ist ihnen leider gelungen!“"

    Ja, prügelnde Cops und Regierungsmitglieder konnten unbehelligt wieder abreisen bzw. in ihren Ämtern verbleiben. ;)

     

    "Aber da die Demo-Anmelder auch nur begrenzt Einfluss auf die vermummten Teilnehmer*innen hatten, sei entschieden worden, die „Störer“ zu separieren, denn man müsse ja auch „den friedlichen Teil der Demo vor dem Unfriedlichen schützen“, sagte Grote."

    Haha, die Law and Order-Fraktion ist sich nicht zu schade, sich selbst zu entblöden. Als ob "Störer" "Friedliche" angreifen würden... ;D

     

    "Die Eskalation bei der „Welcome to Hell“-Demo, da war sich Grote sicher, wäre in jedem Fall eingetreten – die Teilnehmer hätten das so gewollt."

    Legitimation solcher vorbeugender Vorgehen ist Polizeistaatsarguementation. Der "Rechtsstaat" demaskiert schamlos sein Gewaltmonopol.

  • Jeder Versuch, die Sache auf die eine oder andere Weise schönzureden, scheitert bereits daran, daß friedliche Demonstranten vorbeugend zusammengeknüppelt wurden, dem Anschein nach in der Annahme, daß sich die unfriedlichen Demonstranten dann nicht an ihnen vergreifen.

  • Naja, als Demonstrant war das Gefühl während des Gipfels eher, sich das Demonstrationrecht täglich neu zu erkämpfen. Es verwunderte mich, dass es auf der Welcome to hell Demo nicht zu Toten kam, da Polizeieinheiten flüchtende Demonstranten von der Mauer wieder auf die Straße schubsten, wo ihre Kollegen*innen wie wild um sich prügelten. (Gut dokumentiert auf Youtube).

    Das die Demonstranten sich nach dieser offensichtlich geplanten Prügelorgie wieder sammelten um zu laufen hatte die Polizei wohl vollkommen überrascht, da gerade am Anfang die Polizei mit zu wenigen Einsatzkräften vorhanden war. Die meisten von ihnen waren wohl verstreut und auf der Jagd nach schwarz angezogenen Menschen. Pro Minuten schafften wir wohl ca. ein Meter. Die Polizei war überfordert und darauf nicht vorbereitet.

    Fakenews seitens der Berufsschläger ist aber auch nichts neues.

    • @Herbert Schulz:

      Soso, die Polizisten sind also Berufsschläger und die gesetzwidrigerweise Vermummten müssen sich ihr Demonstrationsrecht täglich neu erkämpfen - z. B. mit dem Werfen von Steinen und Brandflaschen auf die bösen Berufsschläger.