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Kommentar Sanktionen nach GiftanschlagKalter Krieg reicht nicht

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Theresa May darf Russlands Ignoranz nicht nur mit Symbolpolitik beantworten. Sie muss die russischen Kapitalinteressen in London angreifen.

Der Sitz des russischen Botschafter im Sonnenuntergang. Die Beziehungen werden zunehmend düsterer Foto: reuters

E ine Alternative gab es für Theresa May nicht. Nach dem mit einem chemischen Kampfstoff verübten Mordanschlag von Salisbury am 4. März musste Großbritannien hart reagieren. Die russische Regierung hätte dies abwenden können, wenn sie sich kooperativ gezeigt hätte. Aber auf die einfache Frage, die die britische Premierministerin am Montag an Russland stellte – wie kommt ein Nervenkampfstoff aus russischen Beständen in Großbritannien zum Einsatz? – gab es aus Moskau nicht den Hauch einer Antwort oder auch nur ein seriöses Angebot der Zusammenarbeit.

Stattdessen: Die ganze Palette von Herablassung, Sophisterei und verklausulierten Drohungen, die man bereits aus anderen Fällen kennt – vom Abschuss der MH-17-Passagiermaschine über der Ukraine bis zu den wiederholten Giftgaseinsätzen gegen die syrische Zivilbevölkerung.

Symbolpolitik ist darauf keine ausreichende Antwort. Die unmittelbaren Maßnahmen, die May angekündigt hat, sind zwar alle unverzichtbar, aber sie stammen aus dem Lehrbuch des Kalten Krieges: Ausweisung von Diplomaten, Abbruch hochrangiger Kontakte. Dabei kann es nicht bleiben, denn die Welt des 21. Jahrhunderts ist eine andere. Russisches Kapital steckt überall in der Weltwirtschaft, russische Wirtschaftsinteressen sind wichtig auch im Westen – nicht nur bei Gerhard Schröder und Schalke 04, sondern auch auf den Londoner Immobilien-, Finanz- und Rohstoffmärkten.

Theresa May hat nun versprochen, „korrupte Eliten“ und ihr Geld in London anzutasten – da ist sie sich ausnahmsweise mit Labour-Oppositionschef Jeremy Corbyn einig. Wie auf diese Worte Taten folgen – das wird die spannende Frage. Der globale Finanzschauplatz London darf keine Geldwaschanlage mehr sein, und das keineswegs nur in Bezug auf Russland. Gewaltregime weltweit genießen nur deshalb Einfluss, weil andere käuflich sind oder sich einschüchtern lassen. Einschüchterung funktioniert in London nicht. Geld darf auch nicht funktionieren.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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25 Kommentare

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  • JE MEHR...

    ich von dominic johnson lese, desto stärker wird mein verdacht, dass er auch ein kind von cfr oder mps ist, das weniger journalist als propadandist im kreis der taz spielt: tritt er mit dem brexit auch aus der redaktion aus ?

  • Zitat: "Kalter Krieg reicht nicht"

     

    Es muß schon ein heißer sein...

  • Russischer Alp und fremde Rasse

     

    Die abendländisch-transatlantische Rußland-Politik erinnert auffällig an diejenige der europäischen Mittelmächte vor 100 Jahren, deren Credo dem damaligen Staatssekretär im Berliner Auswärtigen Amt von Jagow zufolge lautete: „Das Riesenreich Rußland mit seinem ungezählten Menschenmaterial, seinen Möglichkeiten zu wirtschaftlicher Erstarkung, seiner expansiven Tendenz lastet wie ein Alp auf dem westlichen Europa. Trotz des Firnisses westlicher Zivilisation, den ihm Peter der Große und die folgende deutsche Dynastie gegeben hat, trennt es eine im Grunde byzantinisch-orientalische Kultur von der lateinischen des Abendlandes, und das russische Volk steht als slawisch-mongolische Rasse den germanisch-romanischen Völkern fremd gegenüber.“ Als „wünschenswertes Kriegsziel“ müsse „die Zurückdrängung des russischen Alps nach Osten“ angesehen werden. Zu dessen Durchsetzungsmitteln zählte die „Randstaatenpolitik“ mit der Insurgierung der Fremdvölker des Zarenreies. 



     

    1914 läßt grüßen..

  • Ich frage auch hier noch einmal: Mal ein Gedankenexperiment: Wäre auf Eward Snowden in Moskau ein Anschlag mit einem bisher nur in streng geheimen Laboren der US-Army produzierten Gift verübt worden, wie wäre dann die Stimmung im Forum?

    • @Hans aus Jena:

      Auf weitere plumpe Stimmungsmache kann das Forum gewiss sehr gut verzichten.

    • 9G
      97796 (Profil gelöscht)
      @Hans aus Jena:

      Auch daran hätte vermutlich Russland Schuld.

  • 9G
    97796 (Profil gelöscht)

    Wenn mexikanische Drogenbanden Menschen mit Waffen von Heckler und Koch aus Deutschland killen, ist das natürlich auch ein wasserdichter Beweis dafür, dass Deutschland hinter den Morden steckt.

  • 9G
    97796 (Profil gelöscht)

    Heutzutage scheint es cool geworden zu sein, ohne Beweise wildwichsend jeden zu beschuldigen, der nicht in den eigenen Kram passt. Auf kleinster Bühne immer der Nachbar, auf mittlerer Bühne immer der Flüchtling und auf großer Bühne stets Russland. Das Nervengift wird also (auch) in Russland hergestellt. Was für ein wasserdichter Beweis. *schnarch*

  • Die russischen Millionen in Londen sind mitnichten die Millionen der jetzigen russischen Regierung, sondern die Millionen von Oligarchen, die in der Jelzin-Ära am großen Ausverkauf der Bodenschätze der Sowjetunion so reich geworden sind und natürlich Schwarzgelder der Russenmafia. Wenn May diese Gelder einfriert – viel Spaß!

  • Gute Idee, aber dann gilt das bitte für alle - Folterstaaten und Mörderpräsidenten aller Länder horten ihr Geld in Londons Banken. Ist da wirklich eine Änderung der britischen Politik und der Banken zu erwarten? Wohl kaum und deshalb wird der Kommentar - gewollt oder ungewollt - zur Argumentationshilfe der einseitigen Polemik gegen 'das ewige Übel Russland'. Seltsam, 1914 gelang es Reichskanzler Bethmann Hollweg, die Sozialdemokratie mit dem Argument, es gehe gegen die barbarischen Russen, zur Kriegszustimmung zu bewegen. Heute feiert diese Russophobie fröhliche politische Urständ. Klar, Putin ist weder ein Demokrat und Russland alles andere als Fortschrittlich. Aber wie halten es denn unsere Banken mit China, Saudi Arabien, den Emiraten, Ägypten, Libyen usw usf?

    • @Philippe Ressing:

      Sorry ich vergaß natürlich unseren Super-Nato-Verbündeten und Demokratiegaranten Erdoghan - dessen Rocker-Osmanen samt Grauen Wölfen in Deutschland für ihren 'Führer' tätig werden.

  • Alleine in London sollen etwa 90 Mrd. Pfund aus Russland in der einen oder anderen Form angelegt sein. Gut, den russischen Staat in seiner Gesamtheit wird es nicht jucken, da das Geld ohnehin größtenteils bereits gestohlen war, aber der Brexit und noch mehr wäre damit locker bezahlt.

  • Die Rote Hand

     

    Sollte sich der Verdacht russischer Urheberschaft erhärten, so erinnerte die Causa an das Muster der französischen Terrororganisation „La Main Rouge“, die in den 50erJahren während des Algerienkrieges im Auftrag des französischen Geheimdienstes „Direction Générale de la Sécurité Extéreure" (DGSE) Unterstützer der algerischen Unabhängigkeitbewegung und führende Mitglieder der Front de Libération Nationale (FLN) im Ausland liquidierte. Die Attentate selbst wurden vom "Service Action" ausgeführt, dem allein in der Bundesrepublik sechs Terrorakte zugeschrieben wurden, darunter die Attentate auf den FLN-Repräsentanten in Bonn am 5. November 1959 und den Hamburger Waffenhändler Otto Schlüter am 26. September 1956.

  • Copyright

     

    Die britische Prime Minister vermutet offensichtlich im Kreml die Existenz von „kill lists“, vergleichbar mit denen, wie sie unter der Obama-Administration als “disposition matrix” erstellt wurden. („The process behind targeted killing. The Obama administration has been developing blueprints for a “disposition matrix,” a database that officials describe as a next-generation capture/kill list.“, „The Washington Post“, 23. 10. 2012)

  • Die Russen haben nach Zugang zum Gift gefragt und ihn nicht erhalten... Bei londoner "Beweisen" in Sachen Giftgas muss ich übrigens immer an den Irak denken.

     

    Man muss die Dame in London schon auch verstehen. Sie steht in Sachen Brexit mit dem Rücken zur Wand und hat so rein gar nichts vorzuweisen. Die Wirtschaft läuft auch nicht. Deshalb steht sie so schwach da wie niemals zuvor. In solchen Situationen ist es durchaus üblich, dass man außenpolitisch etwas anzettelt, um davon abzulenken. Mal sehen. wie lange es funktioniert.

     

    Vollkommen richtig ist, dass man die Geldwaschanlage in London trocken legen sollte - wie viele andere auch. Meine volle Zustimmung. Ich hab allerdings so meine Bedenken, dass so etwas passieren wird und das Geschäftsmodell der City beschädigt wird.

  • Wie lange will die Weltgemeinschaft wegschauen? Immer wiederkehrende Morde an Systemgegnern und der Opposition, Syrien, Wahleinmischung, die "Urlauber" in der Ukraine, Krim, etc etc. Selbst den Putinverstehern müssten langsam die Argumente ausgehen.

    • @Klartexter:

      Ohne Beweise, soll das bitte schön gehen? Auf Beweise wie im Irak, meinen Sie doch sicherlich nicht oder?

       

      Oder die Hufeisen-Beweise im Kosovo, meinten Sie die? nach dem dann Völkerrechtswidrig unter deutscher Beteiligung ein souveränes Land bombardiert wurde?

       

      Oder die Beweise, wie im Fall der Tonkin Bucht?

       

      Alleine mehr als 40 illegale Kriege mit Millionen Getöteten und vielen zerstörten Ländern hat der Westen seit dem Ende des 2 WK geführt? Meinten Sie diese "Beweise" der sog westlichen Wertegemeinschaft"? Welche sich weigern die Verantwortlichen zu verhaften und in Den Haag als Kriegsverbrecher anzuklagen, aber jeden der nur als Gefährder eingestuft, natürlich fehlen die Beweise dafür, werden ohne Beweise tag täglich ermordet?

    • 9G
      97796 (Profil gelöscht)
      @Klartexter:

      Beweisen Sie erstmal Ihre Morde und Wahleinmischungen. Dann sehen wir weiter. Und wissen Sie, selbst wenn Putin mordet, ist ihm hoch anzurechnen, dass er es zumindest selbst macht. Und nicht feige und hinterfotzig Waffen an Mörder verkauft und Zuhause den Friedensengel mimt und bei jeder Gelegenheit "Völkerrecht" furzt. Wie so ziemlich alle westlichen Nationen. Mit ganz vorne: Deutschland.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...kalter Kaffee, Herr Johnson.

  • Immer schlecht für ein Land wenn so etwas passiert. Ich denke daß Putin diesmal den Bogen weit überspannt hat. Es wird das Ansehen Russlands in der Welt wieder drastisch zum negativen ändern. Russland verspielt das bischen Glaubwürdigkeit das es noch hat. Zudem glaube ich, auch wenn Putin wieder zum Präsident(nach russischer Art) gewählt werden sollte, daß er politisch ausgespielt hat, vor allem aber im Ausland. Vor allem aber versucht Putin noch jetzt so kurz vor der Wahl sein Gesicht zu retten.

    • @Alfredo Vargas:

      "Liberale-Gesellschaften" habe ich was verpasst? Wie schnell es vorbei ist mit der sog. Liberalität, zeigen die vielen Illegalen Kriege, Drohnen Morde, Bombenabwürfe, Foltergefängnisse, Putschs, Söldner Armeen und viele mmehr Von wegen liberale Gesellschaften.

    • 9G
      97796 (Profil gelöscht)
      @Alfredo Vargas:

      Das Problem ist, selbst wenn Russland schuldig wäre, haben die USA und seine kleinen Mitesser aus Europa eine äußerst schlechte Position zum kritisieren. Durch Lug, Betrug, Gier und Fälschung verursachte Rechtswidrige Kriege sind eher eine Leistung westlicher Nationen.

  • 8G
    81622 (Profil gelöscht)

    Die Destabilisierung westlicher Demokratien durch die vom Kremel unterstützten rechtsradikalen bis faschistischen Parteien (Front National, AFD, Ungarn, FPÖ, etc.), sowie die Manipulationen von westlichen Wählern durch russische Troll-Fabriken, ist ebenfalls von May zu recht angesprochen worden. Die ganze Dimension der Wühlarbeit Putins gegen liberale Gesellschaften geht also sehr viel weiter als die Eliminierung eines Doppelagenten. Da liegen dann aber auch plötzlich Beschwichtigungen von Corbyn und Merkel auf einer Linie, von den internen Putinversteher der Moskaufraktion innerhalb der "Linken" ganz zu schweigen.

    • @81622 (Profil gelöscht):

      Die Destabilisierung anderer Länder war und ist das Ziel des Westens schon immer gewesen und ist es immer noch.

       

      Der Westen ein Imperium der Schande, wie es Jean Ziegler in seinem Buch sehr treffend beschreibt. Denn es ging und geht dem Westen mit seinen gerade einmal 12% der Weltbevölkerung, weder um Rechtsstaatlichkeit, Freiheit, Demokratie usw. sondern einzig und alleine um Interessen um Geo Politische Interessen. Wenn Verantwortliche was anderes behaupten sollte man schnellstens den Raum verlassen.

       

      Alleine die Zahlen der ausländischen Militärbasen des Westens spricht eine andere Sprache. Oder die Ausgaben für Militär und Rüstungsausgaben.

       

      Knapp 1000 Milliarden gibt der Westen sprich alleine die USA davon über 900 Milliarden dafür jedes Jahr aus. Da gegen nimmt sich Russland eher bescheiden aus, schafft es gerade einmal auf knapp 60 Milliarden. Auch die Militärbasen der USA belaufen sich auf über 900 an der Zahl, dagegen Russland gerade einmal 60 Wer hier wohl der größte "Westen-Versteher" oder Westen-Troll ist. ?

  • Wie stellt sich Dominic Johnson dies denn vor? Einfach mal so russisches Privateigentum in London einziehen (nach dem Motto: trifft bei Russen immer den Richtigen)?