piwik no script img

Vorbereitung auf Neuwahl in KatalonienIllegitim, aber trotzdem dabei

Puigdemont sitzt in Brüssel, während sich in Katalonien die Parteien auf die Neuwahl vorbereiten. Die hatte der spanische Premier Rajoy ausgerufen.

Der Neue: Ex-Minister Santi Vila bringt sich für die Wahl in Stellung Foto: ap

Barcelona taz | Während der abgesetzte katalanische Regierungschef Carles Puigdemont von Brüssel aus „demokratische Garantien“ fordert, bereiten die Unabhängigkeitsparteien zu Hause ihre Beteiligung an den Wahlen vor.

Es würden in den nächsten Tagen Entscheidungen fallen, „die nicht immer leicht zu verstehen sind“, erklärte bereits am Wochenende der katalanische Vizeregierungschef Oriol Junqueras, Chef der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC). Sie stellte bisher zusammen mit Puigdemonts PdeCAT das Wahlbündnis Gemeinsam für das Ja (JxSí). Eigentlich wollten beide Parteien nicht wieder gemeinsam antreten.

Doch jetzt sieht alles anders aus. Statt einer langanhaltenden Zwangsverwaltung durch Madrid hat der dortige konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy die Wahlen kurz nach dem Zeitraum einberufen, den das Gesetz als Mindestvorbereitungszeit vorsieht.

Junqueras ERC hat ebenso wie die PdeCAT bereits am Montag die Teilnahme angekündigt. Hinter den Kulissen wird nach einem „einfallsreichen Modell“ gesucht. Eine Bürgerliste gegen den Artikel 155 sei im Gespräch heißt es.

Gemeinsam gegen 155

Die Koordinatorin des Parteivorstands der PdeCAT, Marta Pascal, sprach in einem Fernsehinterview davon, die Wahlen in eine Art „Volksbegehren gegen den 155“ zu verwandeln und somit im Falle des Sieges das Ergebnis des Referendums zu untermauern.

Auch Puigdemont verteidigte bei seinem Auftritt in Brüssel diese Strategie. Wie die Liste aussehen wird und wer alles mitmacht, muss bis zum 7. November klar sein. Denn bis dahin müssen laut Gesetz Wahlbündnisse beim Wahlleiter eingeschrieben sein.

Stellt sich die Frage nach der Kandidatur der antikapitalistischen Volkseinheit (CUP), die bisher Puigdemonts Minderheitsregierung unterstützte.

Dort übt die Basis Druck aus, den Urnengang zu boykottieren, da er von Madrid und nicht von der am vergangenen Freitag erklärten Katalanischen Republik ausgerufen wurde. Eine Teilnahme hieße, sich dem Recht des spanischen Staats zu unterstellen, lautet die Begründung, die auch an der ERC-Basis so mancher teilt. Eine CUP-Sprecherin ließ dennoch die Möglichkeit der Teilnahme offen und bezeichnete den Urnengang gleichzeitig als „illegitim“.

Am liebsten mit Podemos

Junqueras, der nach Puigdemonts Reise nach Brüssel die höchste Instanz innerhalb der abgesetzten Regierung ist, würde bei den Wahlen am liebsten die linksalternative Podemos in Katalonien mit an Bord holen. Der regionale Parteivorstand steht dem nicht abgeneigt gegenüber.

Parteichef Pablo Iglesias jedoch setzt auf das Bündnis mit der Partei von Barcelonas Bürgermeisterin Ada Colau, die für Dialog steht und immer wieder sowohl Madrids harte Linie als auch die Unabhängigkeitserklärung verurteilt. Eine Urabstimmung an der Basis wird in den nächsten Tagen die Entscheidung bringen.

Der eher konservativen PdeCAT fehlt derweil der Spitzenkandidat, denn Puigdemont wollte eigentlich nicht wieder antreten. Er sah sich bisher als der „Mann für den Prozess“ – den Weg von den Wahlen 2015 bis zum Referendum und der Erklärung der Unabhängigkeit.

Der Neue

Sein Minister für Unternehmensfragen, Santi Vila, nutzt nun die Lücke und kündigte seine Kandidatur an. Er trat am Donnerstag vergangener Woche aus der Regierung aus, als Puigdemont zuerst selbst Neuwahlen ausrufen wollte, um so die Zwangsmaßnahmen Madrids zu verhindern, und dann nach stundenlangem Hin und Her das Parlament über die Unabhängigkeit abstimmen ließ.

„Jetzt müssen wir umprogrammieren, wie wir in die Wahl gehen“, erklärte Vila am Dienstag in einem Radiointerview. Er wolle „den Moderaten eine Stimme geben“, ohne auf das Fernziel Unabhängigkeit zu verzichten. Das allerdings ist mit einem breiten Bündnis gegen den Artikel 155 nicht vereinbar.

Das spanische Verfassungsgericht erklärte derweil gestern die vom Autonomieparlament ausgerufene Unabhängigkeit für ungültig.

Fast gleichzeitig suchte die Guardia Civil per richterlichem Beschluss in Kommissariaten der katalanischen Polizei, der Mossos d’Esquadra, nach Tonmitschnitten vom 1. Oktober. Die Richterin in Madrid ist auf der Suche nach Beweisen, dass die Mossos am Tage des Referendums Anweisungen erhalten hatten, untätig zu bleiben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

15 Kommentare

 / 
  • Sorry, meinte postfrancistischen Zentralstaat.....

  • Es ist mit Händen zu greifen, wie Rajoy sich verzockt hat.

    Die bisher heterogenen Teile der katalanischen Befreiungsbewegung gegen die großkastilische Ideologie werden - durch die neue Kraft Podemos verstärkt - nun einig gegen die Madrider Invasoren agieren.

    Am 22. Dezember könnte bereits die hektische Suche nach dem Rajoy-Nachfolger beginnen.

    Nach Kataloniens Selbstbehauptung dürften rasch Baskenland, Galicien und eventuell Andalusien dem Beispiel folgen.

    Allein der Name "Spanien" für das übrige Restkastilien könnte noch eine Zeit lang kursieren.

  • Eine Liste gegen den §155? Warum trauen sich die Separatisten nicht, pro Unabhängigkeit in die Wahl zu gehen? Um das Wahlergebnis flexibel auslegen zu können? Das scheinen ja lupenreine Demokraten zu sein ...

  • ES schaut so aus, als wären dort unabhängige Wahlbeobachter dringend nötig. Und was, wenn die Wahl entgegen den Erwartungen der Zentralregierung ausgeht - wählt sich Rajoy dann ein neues Volk?

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @TurboPorter:

      Wahlbeobachter wären beim "Krimreferendum" der Chauvinisten nötiug egwesen. Denn beschissen wurde schliesslich dort.

      Und keine Sorge: Für den Wahnsinn der vergangenen Wochen, den die Möchtegernstaatsbaumeister aus Barcelona angerichtet haben, werden die lieben Wähler eine passende Antwort finden.

      Da muss sich weder Rajoy Sorgen machen, noch die Bevölkerung Spaniens oder Europas.

  • "Fast gleichzeitig suchte die Guardia Civil per richterlichem Beschluss in Kommissariaten der katalanischen Polizei, der Mossos d’Esquadra, nach Tonmitschnitten vom 1. Oktober. Die Richterin in Madrid ist auf der Suche nach Beweisen, dass die Mossos am Tage des Referendums Anweisungen erhalten hatten, untätig zu bleiben."

     

    Mich würde interessieren, ob in Spanien mit gleichem Nachdruck nach den Verantwortlichen für die mehr als 800 Verletzten während des Referendums gesucht wird? Wer hat z.B. den Einsatz der Gummigeschosse angeordnet?

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @Hanno Homie:

      Wer hat die eigentlich gezählt, die angeblichen Verletzten ? Wahrscheinlich die, die auch für das Ergebnis des "Krimreferendums" in Katalonien verantwortlich zeichnen. Da gab es ja auch - hüstel - Unregelmäßigkeiten ...

    • @Hanno Homie:

      Ehrlich jetzt? Ich meine diese Untersuchung wurde bereits eingeleitet am 9ten Oktober, aber willst Du tatsächlich die 800 angebliche von dir genannten verletze, mit einem möglichen Bürgerkrieg vergleichen?

      Heftig ich denke Du verstehst die Lage nicht was hier wirklich abgeht!

      Vor allem die einseitige Quellen die Du vielleicht nur kennst, sind nicht korrekt! Es gab 98 verletze bei der Polizei, viele mit stühle beworfen und einige mit Glasflaschen. Dazu kommt auch noch das es ilegal alles war, und wie räumt man den sonst eine Menschenmenge die sehr agressiv ist.

      Beide Seiten haben Fehler gemacht, und beide seiten sollte man anhören, aber der Ernst der Lage sind die Radikalen.

      • 8G
        82236 (Profil gelöscht)
        @Tino Trivino:

        ....mit Machinengewehrsalven, Herr Trivino.

        Spass beiseite, wenn die Polizei nicht eingegriffen hätte, hätte es auch keine Ausschreitungen gegeben. Das Referendum wurde eh als illegal erklärt, der Artikel 155 in Kraft gesetzt und die Zwergenkönigin Saenz Santamaria als Statthalterin ernannt, wozu dann unnötige Polizeieinsätze, die auf Spanien nur ein schlechtes Licht werfen, wie Sie selber hier im Forum erleben?

      • @Tino Trivino:

        Sie meinen das demokratische Spanien, dass den Jungs der ETA und der Batasuna und jeden den man dafür hielt private Söldner hinterhergeschickt hat, um sie, auch in Frankreich, umzubringen? Das ist spanische Gerechtigkeit, Judikative und abschließende Exekutive in einem. https://de.m.wikiped...s_de_Liberación

      • @Tino Trivino:

        Triviño, Die Bilder vom 01. Oktober, die jeder gesehen hat, waren die von Polizeieinheiten mit Stoßtrupp-Ausrüstung, die brutal auf Menschen -darunter auch viele Alte - los gingen, die mit einem Wahlzettel „bewaffnet“ waren. Sie schlugen mit Stöcken auf sie ein, traten sie, rissen sie an den Haaren, schliffen sie über den Boden. Es waren übrigen dieselben rechtsradikal-spanisch national gesinnte Guardia Civil- Leute, die aus ihren Dörfern vom ebenso rechten Mob mit „ A por ellos“ – Rufen (i.e. „schnappt sie euch“)verabschiedet wurde.INch weiß nicht genau, in wessen Interesse du hier kommentierst, aber wenn du von verletzten Polizisten und dann in einem Atemzug von einseitigen Quellen sprichst, spekulierst du wohl auf die geringe Aufmerksamkeit der deutschen Leser. Das konnte vielleicht in der Prä-Internet Ära funktionieren aber heute nicht mehr.

    • @Hanno Homie:

      Der Einsatz der Gummigeschosse ist doch vollkommen unwichtig. Dieser mag in Katalonien verboten sein, kann jedoch nicht unter Strafe stehen, da für das Strafrecht in Spanien alleine Madrid zuständig ist. Die 800 Verletzten haben sich im Übrigen zumindest des Widerstands gegen die Staatsgewalt schuldig gemacht. Insoweit wird es keine Ermittlungen geben. Das Ganze hat doch eine vollkommen untergeordnete Bedeutung.

  • 6G
    60440 (Profil gelöscht)

    Rajoy hat alles richtig gemacht. Hut ab !

    Die Chauvinisten sind entzaubert oder haben sich feige ins Ausland abgesetzt. Sie stehen völlig nackt da. Kein einziges Anzeichen des von ihnen herbeigesehnten zivilen Ungehorams gegen die Zentralregierung ist zu bemerken. Die spanische Fahren weht weiterhin über dem Regierungspalast (neben der katalanischen), die staatlichen Institutionen funktionieren reibungslos.

    Europa hat geschlossen gegen Verfassungs- und Rechtsbruch reagiert. Putschisten finden dort kein Gehör. Das ist eine sehr gute Nachricht.

    Und nun wird Volk bald sprechen und das wird nicht gut ausfallen für die Möchtegernusurpatoren. Und zwei aus Brüssel heimgekommene Exminister wurden am Flughafen in Barcelona ausgebuht. Zu schön.

    Den Chauvinisten (ihr Häuptling zieht es vor in Brüssel zu beliben, einen Asylantrag will er nicht stellen, ein eh vergebliches Unterfangen), werden an den Wahlen teilnehmen. Sie erkennen somit Spanien und seine verfassungsmöäßige Ordnung an. Was anderes bleibt ihnen auch nicht übrig. Und damit werden sie den Rest ihrer Anhängerschaft pulverisieren.

    Es ist richtig: "Es würden in den nächsten Tagen Entscheidungen fallen, die nicht immer leicht zu verstehen sind." Zumindest nicht für die Chauvinisten.

    • @60440 (Profil gelöscht):

      Das ist die neue Form der Diskussionskultur. Der Nazi beschimpft andere als Nazis. Wo wurde denn geputscht? Wieso bezeichnest du die Katalanen als chauvinisten. Ich habe die meisten katalanen, bisher nicht als chauvinisten erlebt, im Gegenteil, sehr weltoffen, europafreundlich, kurzum ganz und gar nicht chauvinistisch. Die meisten wollen eigentlich nur mehr eugenständigkeit. Außerdem hadern viele einfach nur mit dem Post Franciscus dem zentralstaat und das ist auch gut so!

      • 6G
        60440 (Profil gelöscht)
        @hsni:

        Wer sind denn "die" Katalanen ? Das ist doch AfD-Sprech. Unsere Chauvis glauben ja auch für "das" Volk zu sprechen, dabei repräsentieren sie nur eine Minderheit.

        Die grosse Mehrhreit (hier und) in Katalonien ist nicht chauvinistisch. Das sind die Menschen, die nicht meinen besser als die übrigen Spanier zu sein, Menschen, die nicht ständig Angst haben zu viel Geld an den Zentralstaat abführen zu müssen. Die Menschen, die nicht ständig von sich selbst als armes unterdrücktes Opfer sprechen müssen und immer was für sich selbst rausschlagen wollen.

        Und es sind Menschen, die nicht ständig die Opfer der Francodiktatur dadurch beleidigen, dass sie ekelhafte Vergleiche des heutigen mit dem damaligen Spanien anstellen.

        Es sind diejenigen, die gegen die Abspaltung ihrer Region von Spanien sind und gegen die Abspaltung von Europa. Die, die am 21.12. den Chauvnisten zeigen wo es langgeht.

        By the way: Wer für die Abspaltung ist, ist gegen Europa, Denn ein unabhängiger Staat Katalonien wird NIE teil der EU. Das muss man wissen, so als Chauvinist ...