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Kolumne Leipziger VielerleiDie Einheit auf dem Papier

Denis Giessler
Kolumne
von Denis Giessler

Durch die Woche mit einer Einheit, die keine ist, bummelnden Philosophiestudenten an der Uni und ganz großem Kino.

Definitiv keine Frau, dafür aber ein herausragender Regisseur: Denis Villeneuve Foto: ap

D ieses Jahr müsste man hinter den Tag der Deutschen Einheit eigentlich ein dickes Fragezeichen setzen. Denn spätestens nach der Bundestagswahl ist eines umso deutlicher geworden: Ost und West sind lediglich auf dem Papier wiedervereinigt. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa, die von der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur in Auftrag gegeben wurde, sieht nur knapp die Hälfte der Befragten West- und Ostdeutschland als Einheit.

Wegen immer noch nicht angepasster Löhne und Renten fühlen sich im Osten viele als Bürger zweiter Klasse. Dabei wird die Schuld an der deutschen Spaltung oft bei den Ossis gesucht: schwer integrierbar, irgendwie blöd und ausländerfeindlich, spätestens seit dem flächendeckenden AfD-Erfolg. Vielleicht hat sich der ein oder andere am Tag der Deutschen Einheit ein wenig Zeit genommen, um seine Vorurteile und Pauschalisierungen zu überdenken und die Menschen im Osten zu verstehen.

Ein wenig zu viel Zeit genommen haben sich hingegen 54 Studenten an der Uni Leipzig. Für die wird es jetzt teuer. Gemäß Paragraph 12 des Sächsischen Hochschulfreiheitsgesetzes gelten für die Trödler nun die neu eingeführten Langzeitstudiengebühren. Wer mehr als vier Semester über der Regelstudienzeit liegt, muss ab sofort 500 Euro pro Semester zahlen.

Bislang hatten Leipziger Studenten sogar noch Glück; denn an der TU Dresden, in Chemnitz und an der TU Bergakademie Freiberg gibt es die Gebühren schon seit Längerem. Die guten alten Zeiten, in denen man auf den Fluren der Universität noch dem Philosophiestudenten im 20. Semester begegnete, scheint sich damit endgültig ihrem Ende zu neigen.

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In den Leipziger Kinos erleben die guten alten Zeiten hingegen gerade einen neuen Höhepunkt. Letzte Woche lief mit „Es“ die Neuverfilmung von Stephen Kings Horrorklassiker an, die zahlreiche Kinobesucher mit zittrigen Beinen zurückließ. Und damit nicht genug, erschien gestern, 35 Jahre nach dem Erstling, dann noch das Sequel Blade Runner 2049. Schon jetzt stapeln sich die positiven Kritiken. Die Leipziger Volkszeitung war nach dem Film anscheinend derart durchein­ander, dass sie den Regisseur Denise Villeneuve nannte und aus dem guten Denis gleich mal eine Frau machte.

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Denis Giessler
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4 Kommentare

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  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    "Vielleicht hat sich der ein oder andere am Tag der Deutschen Einheit ein wenig Zeit genommen, um seine Vorurteile und Pauschalisierungen zu überdenken und die Menschen im Osten zu verstehen."

     

    Also ich komme aus Leipzig und kann die Leute nicht verstehen, die im Osten zuhauf AfD gewählt haben.

    Liegt das an mir?

    Wenn mir das Bier nicht schmeckt, trink ich doch auch nicht aus dem Klo.

  • Wieso sollten „die guten alten Zeiten, in denen man auf den Fluren der Universität noch dem Philosophiestudenten im 20. Semester begegne[n]“ konnte, endgültig zu Ende gehen, wenn das achte und jedes weitere Studienjahr 1.000 Euro mehr kostet? Gibt es denn keine reichen Eltern mehr und keine jungen Erben größerer Vermögen?

     

    Ich denke, wenn die ewigen Studenten demnächst aussterben, dann nicht wegen der zusätzlichen gebühren, sondern weil das Studium vollkommen uninteressant geworden ist. Welcher verwöhnte Sohn wohlhabender Eltern und welche reiche Jungerbin sollen sich denn 20 Semester lang anhören, wie drittmittelfixierte Professoren und Dozenten ununterbrochen von Effizienz und Optimierung schwafeln, wenn sie nicht grade ihre eigene Forschung auf der praktischen Ausbeutung hoffnungsvoller Akademiker-Anwärter gründen?

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @mowgli:

      Das ist ganz schlechte Wortwahl, wenn es um die Philosophie und die kritischen Sozialwissenschaften in Leipzig geht.

       

      Habe selbst da meine 14 Semester an dieser Fakultät zugebracht und Kritik war Schwerpunkt.

      Wenn ich sehe, was an anderen Unis für ein konservatives Profil herrscht, dann ist eine Fakultät, die dem Ort der friedlichen Revolution verpflichtet ist und wo Kritik als unabdingbar für eine Demokratie gilt.

       

      Peter Unfried nannte Habermas den "Großphilosophen der 2. Hälfte des 20. Jh.". Nach meinem Gefühl ist der ja quasi der Philosophiegottvater der BRD.

      Von dessen Diskurstheorie ist nach der Kritik aber wenig mehr als leere Worthülsen übrig geblieben und die gefährliche Versuchung, die Wahrheit zu monopolisieren.

      Das kommt Positives dabei raus, wenn man nicht nur den liberalen Freiheitsbegriff eingetrichtert bekommen hat, sondern "Freiheit" in mehreren Varianten in ihrer politischen Ökonomie behandelt.

       

      Ulrike Guerot war die einzige, die in der taz vor der Wahl mal eine gute Perspektive auf ein Europa der Regionen eröffnet hat.

      Sachsen mag ja der letzte Pisspott sein, aber die Kritik an dieser Fakultät ist trotzdem ein heller Stern.

      • 8G
        85198 (Profil gelöscht)
        @85198 (Profil gelöscht):

        Die Effizeinz und die Optimierung waren ein Kernproblem der Kritik bei uns. Da wurde nicht drüber geschwafelt, sondern kritisiert.