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Nach dem Austauschjahr in den USAZurück in Trump-Land

Vor einem Jahr war unsere Autorin Austauschschülerin in den USA. Nun kehrte sie zurück und fragte: Seid ihr jetzt wirklich glücklich?

Das Stadtkind auf den Straßen von Minnesota Foto: Paulina Unfried

Als ich am Minneapolis-Saint Paul International Airport aus dem Zollbereich komme, sehe ich als Erstes zwei Rednecks mit „Make America Great Again“-Shirts.

Phil und Alex. Meine Freunde. Ich habe sie während meines Auslandsjahres in der Jugendgruppe der Kirche kennengelernt. In der Schule waren sie ja fast nie. Als wir in ihrem Pick-up auf den Highway 12 auffahren, frage ich sie, ob sie sich die Trump-Shirts extra für meine Begrüßung gekauft haben.

„Das hättest du wohl gerne“, sagt Alex.

Da hat er recht.

Anderthalb Stunden später fahren wir in unser Dorf ein. Direkt am Ortseingang steht das „Abtreibung ist Mord“-Schild. Und jetzt fühle ich mich wieder zu Hause. Das ist so ein „Alles so wie immer“-Gefühl. Alles so, wie es war, als ich vor knapp einem Jahr zurück nach Deutschland ging.

Nur dass Donald Trump jetzt tatsächlich Präsident ist.

Vor der Dorfkirche steht eine junge Frau. Sie ist groß, weiß, hat lange, blonde Haare. Das ist ­Ashlie. Meine Ashlie.

Sonntags in der Kirche: Hat der Priester gerade gesagt, dass Trump der neue und bessere Jesus ist?

Ich springe aus dem Pick-up, um sie zu umarmen, und was ist das Erste, was ich zu hören kriege?

„Ich hab dir gleich gesagt, dass Hillary keine freaking Chance hat, Paulina.“

Ah, richtig, man muss hier immer schön „freaking“ sagen. Statt „fucking“. Damit alles christlich und sauber bleibt.

Ich hatte Ashlie zu Beginn meines Auslandsjahres verachtet. Sogar verabscheut. Sie war für Trump, ich war für Hillary. Ich hasste Trump, sie hasste ­Hillary.

Ich bin aufgewachsen in einer wannabe-progressiven Blase in Berlin-Kreuzberg und gehe auf eine erst recht wannabe-progressive Privatschule in Mitte.

Als ich vor 550 Tagen in diesem 1.500-Menschen-Dorf ankam, um ein Jahr dort zur Highschool zu gehen, konnte ich kaum begreifen, wo ich gelandet war. In dem Amerika der Maisfelder, weit weg von San Francisco und New York, wo ich eigentlich hinwollte.

Alles christlich und friedlich, freaking statt fucking. Foto: Paulina Unfried

Meine Freundin Ashlie ist in einer ganz anderen Blase aufgewachsen, ihre Familie ist Mitglied einer streng christlichen Kirche. Wie die meisten hier. Nicht nur Sex vor der Ehe ist verboten, sondern sogar Nagellack. Hätte Gott gewollt, dass du rote Nägel hast, hätte er dich mit roten Nägeln erschaffen, ist ja logisch.

Alle haben auf Facebook die amerikanische Flagge als Profilbild, alle lieben das Jagen. Im Fernsehen und im Radio läuft Fox News in Dauerschleife. Darauf basiert dann auch das politische Wissen oder auf den noch schlimmeren Snapchat News, bei denen der Aufmacher vor Kurzem lautete: „Kylie Jenner hat einen dritten Nippel.“

Für den Großteil der Menschen hier würde es nie infrage kommen, einen Politiker zu unterstützen, der für Abtreibung, Globalpolitik und strengere Waffengesetze ist. Sie sagten mir immer, dass Clinton sich für alle anderen einsetzt, nur nicht für sie.

„Alles Fake News“

Ich wurde zum Glück nicht zum Trump-Fan bekehrt, es dauerte aber eine ganze Weile, bis ich nachvollziehen konnte, warum es aus der Perspektive der Menschen hier richtig erscheint, Trump zu wählen. Vor allem brachten sie mir bei, dass man andere Meinungen respek­tieren kann, auch wenn sie noch so weit der eigenen entfernt sind.

Seitdem nehme ich es Leuten übel, wenn sie von den dummen Trump-Wählern sprechen, denn Ashlie ist alles andere als dumm.

Nichtsdestotrotz habe ich meine Lust am Diskutieren nicht verloren, und so knurre ich noch vor der Umarmung: „Du weißt aber schon, dass ­Hillary das Popular Vote hatte?“

Clinton hatte 2,9 Millionen Stimmen mehr. Allerdings alle in Kalifornien.

„Alles Fake News, totale Unwahrheiten“, antwortet Ashlie routiniert, „Hast du noch nie ­etwas von der Silent Majority gehört?“ Sie meint die Leute, die nicht zur Wahl gegangen sind, aber angeblich alle für Trump gestimmt hätten.

In meinem Jahr hier in Minnesota habe ich gelernt, dass es menschlichen Beziehungen guttut, auch mal nichts zu sagen, also schweige ich, ziehe die linke Augenbraue hoch, und wir umarmen uns endlich.

Ein paar Tage später, an einem Samstagnachmittag, treffen wir uns vor dem Dairy Queen, wie immer. Das ist eine globale Fast-Food-Kette aus Minnesota. Die einzige, die in unserem Dorf eine Filiale hat. Phil und Alex lassen ihre Autos davor stehen, dann cruisen wir zu viert in Ashlies 850-Dollar-Karre durch die Felder in ein Nachbardorf, um dort ein Baseballspiel anzuschauen und später auf eine Party zu gehen. Die haben dort auch einen McDonald’s Drive-through, das ist unser erstes Ziel.

Niemand auf der Straße, nur PickUps und Zebrastreifen Foto: Paulina Unfried

Die Jungs sind heute ohne Trump-Shirts gekommen, tragen dafür die Hoodies mit dem Schullogo, so wie die meisten es hier tun.

Beide sind Seniors, also im letzten Highschooljahr, und müssen jetzt ihren Abschluss machen. Sie gehen aber immer noch kaum zur Schule, weil das nichts für Coole ist. Bringt einem keine Reputation, im Gegensatz zu dem Hoodie. Der dient dem Gemeinschaftsgefühl. Beide haben überhaupt keine Idee, was sie nach der Schule machen wollen. Das liegt daran, dass sie nicht wissen, was sie von der Zukunft wollen. Und weil sie denken, dass sie keine Zukunft haben.

Ich erzähle ihnen, dass und warum die meisten Deutschen Trump täglich schlimmer finden. Für sie völlig unlogisch.

„Er unternimmt endlich etwas gegen Abtreibungen, bietet anderen Ländern die Stirn, beschützt unsere Gewehre und somit die Verfassung und lässt keine Terroristen mehr ins Land. Was soll daran falsch sein?“, sagt Ashlie.

„Alles“, sage ich.

Trotzdem kann ich nachvollziehen, warum sie so denkt: Für Abtreibung sein, das ist für sie genauso schlimm wie für mich Rassismus.

Vorbei mit der Toleranz?

Alle drei haben meinen taz-Artikel „Allein unter Trump-Kids“ gelesen und wollen wissen, wie das alles an diesem fremdartigen Ort namens Deutschland angekommen ist.

„Hmm, einige Leute haben euch besser verstanden, aber andere beleidigten mich als Trump-Liebchen oder Trump-Fan“, sage ich.

Alle drei lachen, für sie total abwegig.

„Es ist also vorbei mit der Toleranz im toleranten Berlin, sobald es ans Verstehen von Trump-Wählern geht?“, fragt Alex.

Daraufhin schweige ich.

„So ist das immer mit den Linken und Demokraten, die sind kein Stück besser als wir, wenn es um Respekt geht, auch wenn sie es denken“, sagt Phil.

Wieder ziehe ich die linke Augenbraue hoch.

Dann ist es, als hätte man den Radiosender gewechselt, denn alle drei reden nur noch über „Prom“, den Abschlussball der Highschool. Ashlie ist in einer sehr entspannten Lage, denn sie hat das dafür zwingend vorgeschriebene Date bereits. Ein Senior hatte sie mit einem Plakat geworben, auf dem ihr Kopf, sein Kopf und der Kopf von Donald Trump aufgeklebt war. Darüber stand der Slogan: „Let’s make Prom great again“. Da konnte Ashlie natürlich nicht Nein sagen.

Pläne für den Abend? Drive-through! Foto: Paulina Unfried

Vermutlich hatte das Plakat die Mutter des Jungen gebastelt. Diese rituelle Romantik müssen hier meistens die Mütter beisteuern.

Als wir beim Baseball ankommen, ist die kleine Stahltribüne bereits voll. Ich kriege noch den allerletzten Platz, das ist der neben Mrs. Bellter. Meine ehemalige Politiklehrerin hatte uns Schüler auf Parallelen zwischen Obama und Hitler aufmerksam gemacht. Sie ist Ende vierzig und fühlt sich als eine Art Über-Mum ihrer Schülerinnen, die sie mit Tipps auf das Leben vorbereitet.

Sofort erzähle ich ihr etwas weinerlich, wie unfair ich es finde, dass nun statt einer kompetenten Frau ein Mann Präsident ist, der sich derart unflätig über Minderheiten und Frauen äußert.

„Schätzchen“, sagt Mrs. Bellter, „so reden doch alle Männer untereinander, meiner inklusive.“ Sie lacht herzlich. „Das wirst du auch noch sehen.“ Das sei „ganz natürlich“.

„Außerdem ist dieser Lockerroom-Talk nun wirklich schon Ewigkeiten her“, sagt Ashlie, die neben mit sitzt.

„Schätzchen, weißt du, vielleicht gibt es einfach bestimmte Positionen in der Welt, die besser durch Männer besetzt sind“, sagt Mrs. Bellters dann noch.

Dann ist das Spiel zum Glück aus.

„Ashlie, deprimiert dich das denn gar nicht?“, sage ich, als wir zu zweit zum Auto zurücklaufen.

„Was?“

„Der Gedanke, dass du nicht alles erreichen kannst, nur wegen deines Geschlechts?“

Ashlie überlegt. „In meinem Leben spielt das keine Rolle“, sagt sie. Sie möchte zwar studieren, aber eigentlich will sie Mutter sein. Und acht Kinder haben. In ihren Kreisen haben alle acht Kinder. Mindestens. Eigentlich wollen sie so viele Kinder wie möglich. Darum geht es doch im Leben einer Frau.

„God sent us Trump“

„Als Trump gewählt wurde, habe ich ein paar Tränen geweint“, sage ich.

„Ich weiß“, antwortet sie leise.

Dann kommen auch die Jungs zum Auto.

Auf dem Nachhauseweg hören wir „Who runs the world? Girls“ von Beyoncé. Ashlie kann den ganzen Text auswendig und singt enthusiastisch mit.

Am nächsten Tag ist Sonntag. Alle sind in der Kirche, und wehe denen, die es nicht sind.

Dem netten Priester ist total feierlich zumute.

„God sent us Trump,“ ruft er mit euphorischer Stimme. Gott hat uns Trump gesandt.

„Let’s have faith that he will bring the much needed change upon us.“ Lasst uns daran glauben, dass er den Wandel bringt, den wir so dringend brauchen.

Die guten Christen halten ihre Hände vor sich gefaltet, schauen fromm und nicken. Ich beuge mich zu Alex hinüber: „Hat er gerade gesagt, dass Trump der neue und bessere ­Jesus ist?“

Er schaut verwundert über meine scheinbar schwächelnden Englischkenntnisse. Ich trenne meine Hände voneinander und falte sie während des gesamten Gottesdienstes nicht mehr. Am anderen Ende der Kirche sitzt Ashlie mit ihrer Familie und grinst zu mir rüber. Sie weiß mal wieder genau, was ich denke.

„Hillary, die russische Spionin“ Foto: Paulina Unfried

Nach dem Gottesdienst bin ich bei Ashlies Familie zum Brunch eingeladen. Es ist ein warmer Tag, so um die 25 Grad, und das schöne weiße Haus liegt direkt am See. Die ganze Familie hat sich heute versammelt. Fünf von Ashlies zehn Geschwistern sind älter als sie, keiner ist schon 30, aber alle sind verheiratet und haben Kinder.

Es ist richtig rührend, zu sehen, wie glücklich sich Ashlies Mutter durch das Chaos ihrer Enkel und Kinder bewegt. Ihre eigene jüngste Tochter ist fünf.

Auch mich umarmt sie. Wie immer hat sie für mich extra etwas Vegetarisches gekocht. Sie erzählt mir stolz, dass sie sich jetzt auch einen Twitter-Account eingerichtet hat. Damit sie Donald Trump folgen kann. Sie liest am liebsten @ real­DonaldTrump, weil es ihr bei @ POTUS, dem offiziellen Account des amerikanischen Präsidenten, zu gediegen zugeht. „Endlich mal Informationen aus erster Quelle“, sagt Ashlies Mutter.

„Einmal hat Trump an einem Tag nichts gepostet. Mom war total enttäuscht“, sagt Ashlie und kichert ein bisschen, während alle Erwachsenen am Tisch Platz nehmen.

„Auf unseren Präsidenten“, sagt einer von Ashlies älteren Brüdern.

„Auf einen Rassisten und Frauenfeind stoße ich nicht an und schon gar nicht mit Leuten, die ihn gewählt haben“, zischt Maureen, die älteste Schwester von Ashlie.

„Keine Politik“, sagt Ashlies Mutter. Sie klingt etwas besorgt.

Aber es ist zu spät, Maureen steht auf und stürzt aus dem Raum.

„Was war das denn?“ frage ich Ashlie.

„Es ist schrecklich,“ sagt sie leise, „aber Maureen ist jetzt eine Demokratin.“

„Ach, was?“ antworte ich laut, „Warum wusste ich davon früher nichts?“

„Vor Trump war es noch nicht so extrem und außerdem, denkst du, wir wollen das an die große Glocke hängen?“

Wir hören draußen den Automotor anspringen.

„Pussies fight back“

„Es tut mir leid, dass du das mitbekommen hast“, sagt Ashlies Mutter zu mir beim Aufräumen in der Küche. Dafür sind auch in Minnesota die Frauen zuständig. Sie wäscht schweigend ein paar der Teller ab, die nicht mehr in die Maschine passen. Dann fügt sie hinzu: „Maureen geht nicht mal mehr zur Kirche, kannst du dir so etwas vorstellen?“

Ashlies Mutter sieht unendlich traurig aus.

„Ich will doch nur das Beste für mein Kind“, murmelt sie in sich hinein.

„Die Sache ist die: Wir finden Maureens politische Einstellung nicht toll, aber sie ist diejenige, die unsere Meinung weniger respektiert als wir ihre“, sagt Ashlie, als sie mit einem Stapel neuer Teller hereinkommt.

Na ja, sie hadern schon auch, aber es stimmt: Ashlie hatte auch mich deutlich weniger wegen meiner Meinung verurteilt als ich sie.

Abends klicke ich mich durch Maureens Bilder auf Instagram und sehe, dass sie beim Women’s March und der Anti-Muslim-Ban-Demonstration in Minneapolis dabei war. Man sieht sie Schilder hochhalten: „Pussies fight back“ und „Make Racists afraid again“. Sie und ihr Mann sind Mitglieder einer Bewegung mit dem Namen „Minnesota Resist“, die Widerstand gegen Trumps Regierung leisten will. Ein Bild zeigt die beiden mit ihren zwei süßen Kindern. Da­runter schreibt Maureen, dass sie niemals aufgeben wird, für ein bessere Zukunft für ihre Kinder zu kämpfen. Alle vier lachen auf dem Bild so schön, dass man das Gefühl hat, die Welt sei bereits ein wundervoller Ort.

„Trump erklärt Diktatoren den Krieg“ Foto: Paulina Unfried

Am nächsten Tag hänge ich mit ein paar Freunden am Parkplatz der Tankstelle ab. Wie überall in Minnesota blicken wir auf einen großen See, hören Countrymusik, und die Jungs kauen Tabak.

Dann sehe ich eine Frau mit langen blonden Haaren beim Tanken. Maureen. Ich zögere einen Moment, dann traue ich mich, auf sie zuzulaufen und ihr die große Frage zu stellen.

„Wie hast du es geschafft, aus der politischen Meinung hier auszubrechen?“

Sie sagt, es sei ganz simpel. Sie sei aus dem Dorf herausgekommen, sei gereist, New York, Europa, und unterwegs habe sie sich verliebt. In einen Demokraten. „Vorher konnte ich das Geschwätz meiner Familie noch ausblenden, aber mit Trump wurde es echt zu viel.“ Sie und ihr Mann suchen gerade nach einem Haus, am liebsten in Minneapolis, das ist die einzige Großstadt von Minnesota, dort gibt es viele, die so denken wie sie.

Während sich die meisten Familien in der Realität Mühe geben, Emanzipationsgeschichten und Brüche geheim zu halten, ist das in den sozialen Medien ganz anders: Hier scheint jeder seine Meinung herauszubrüllen.

„Embrace Diversity“

Bei Ted ist das auch so. Er ist der Großvater der Familie, in der ich während meines Auslandsjahres lebte. Damals hat er nie offen darüber gesprochen, dass er für Clinton war. Und ich war nie auf seinem Facebook-Profil. Letztens postete Ted einen Artikel der New York Times, in dem Trumps „Muslim Ban“ heftig kritisiert wurde. Darunter kommentierte einer seiner besten Freunde: „Es ist schlau, dass du versuchst, dich zu bilden, doch dumm, dich dabei auf solche Fake News zu beziehen.“

Daraufhin wurde Ted wütend und es entbrannte ein riesiger Streit, der damit endete, dass die beiden sich über Facebook gegenseitig als „White Trash“ und „Hillbilly“ beschimpften. Seitdem reden sie in der wirklichen Welt kaum mehr miteinander, und wenn, dann nur da­von, was die Kinder so machen.

Ich treffe Ted an einem Dienstag bei „Dairy Queen“. Er ist Mitte 60, war früher Bürgermeister unseres Dorfs und sagt gern, er habe es „eigenhändig vorangebracht“. Jetzt arbeitet er an meiner ehemaligen Highschool und hat heute sein „Embrace Diversity“-T-Shirt an, also übersetzt so was wie: „Heiße Vielfalt willkommen“. Das müssen alle Schulangestellten dienstags tragen. Natürlich sind 99 Prozent der Leute an der Schule Weiße.

„Trump is a fucking idiot“, sagt Ted. Er gehört zu den wenigen im Dorf, die nicht „freaking“ sagen. Er hält das für verlogene Etikette und gilt insgesamt als schwierige Persönlichkeit. Mehr als 40 Leute haben ihm auf Face­book die Freundschaft gekündigt, seit er dort Stellung gegen Trump bezieht.

Oft hing Paulina Unfried mit Freunden an der Tankstelle ab. Bei Countrymusik, die Jungs kauten Tabak Foto: Paulina Unfried

2016 war das erste Mal in seinem Leben, dass er demokratisch gewählt hat. „Clinton hat meine Stimme bekommen, weil ich mich mit Politik auskenne und meine religiösen Prinzipien nicht so stark sind, dass sie meinen Verstand ausschalten“, sagt er. „Schon irgendwie skurril, viele hier dachten, Trump wird uns und unsere Familien stärken, dabei hat er das Gegenteil bewirkt, er hat einige von uns weiter voneinander entfernt“.

Ich frage ihn, wann die Leute hier anfangen werden, Trump und seine Politik kritischer zu sehen.

„Es geht hier um den amerikanischen Stolz“, sagt er. „Die Leute werden sich nicht eingestehen, dass Trump schrecklich ist. Und dass sie Idioten sind, weil sie ihn gewählt haben.“

Es ist ganz schön paradox: Ich habe von diesen Menschen mühsam gelernt, andere Posi­tionen zu respektieren. Und jetzt, ein Jahr später, fällt ihnen das selbst schwer. Es ist auch paradox, dass ich mich ernsthaft frage, ob die Konservativen in manchen Aspekten nicht sogar liberaler sind als die scheinbar Progressiven. Weil mein Eindruck ist, dass sie Gegenargumente eher ertragen.

Trumps Wahlsieg hat Freundschaften zerstört und Familien gespalten, er hat sie nicht wieder „groß“ gemacht, sondern kleiner.

„Mein Mann und ich fragen uns jetzt oft, was wir in der Erziehung von Maureen falsch gemacht haben“, hat Ashlies Mutter zu mir an dem Abend in der Küche gesagt.

Dann hat sie geweint.

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28 Kommentare

 / 
  • Natürlich ist es für die Trump-Wähler einfacher die Ansichten der anderen zu tolerieren. Diese sind nämlich im Mittel nicht so menschenverachtend (rassistisch, frauenfeindlich etc.) und damit wesentlich leichter zu ertragen als andersherum.

  • Mal nebenher: Diese Synthese aus Rationalität, Überzeugung und Empathie: So liebe ich Journalismus! Ich freue mich auf noch viele Artikel von Ihnen.

  • Wir haben jetzt mehr als 100 Jahre den Kampf der Frauen um mehr Rechte und Gleichberechtigung erlebt.

    Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Aber steter Tropfen höhlte den Stein.

     

    Daher ist es erschreckend, wenn heute von Frauen freiwillig dieser lange harte und zähe Kampf, mit der lapidaren Bemerkung "Das sei ganz natürlich" über den Haufen geworfen und in die alten Klischeebilder verfallen wird.

    Und dies nicht nur "Gods own Land" sondern auch immer mehr in Deutschland.

    Clara Zetkin würde sich im Grabe umdrehen, wenn sie dies mit ansehen müsste.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Habe vor einem Vierteljahrhundert mal unter den Amischen geforscht. Je konservativer sie waren, desto toleranter waren sie, was die Nichtamischen betraf. Je liberaler die amische Denomination, desto mehr störten sie sich an dem, was andere dachten und taten. Die klare und unumstößliche "Ordnung" schien die Konservativen unter ihnen zu stärken.

    • @849 (Profil gelöscht):

      Ich denke, je stärker die Überzeugung vom eigenen Glauben ist, desto selbstsicherer tritt man auf. Selbstsicherheit mündet in Toleranz. Erst wenn Selbstzweifel aufkommen, werden diese auf das Gegenüber projiziert, um durch den Gegenimpuls den eigenen Glauben zu festigen zu versuchen. Der innere Konflikt wird nach außen verlagert; Der missionierende Kampf soll den eignen, labilen Glauben festigen. Feuer und Schwert des Elias sind Insignien der Unsicherheit darin.

    • 2G
      2730 (Profil gelöscht)
      @849 (Profil gelöscht):

      M.E. war es Luhmann, der festgestellt hat, dass durch Organisationen die "amorphe Realität" auf handhabbare Strukturen reduziert wird. Konsequenz: Je größer die Differenz zwischen der Realität und den Strukturen, desto sicherer fühlt sich das Individuum und je sicherer sich das Individuum fühlt, desto eher ist es bereit, von seiner Einstellung abweichende Einstellung zu tolerieren: Sie stellen für das Individuum keine Bedrohung dar, da es sich in seinem gefestigten Umfeld abgesichert fühlt.

    • 6G
      61321 (Profil gelöscht)
      @849 (Profil gelöscht):

      Darauf sollten Sie bei passenderer Gelegenheit mal zurückkommen....

      • 6G
        61321 (Profil gelöscht)
        @61321 (Profil gelöscht):

        Äh, es war nicht gemeint, dass es hier unpassend war, sondern dass Ihre Forschungen darüber hinaus interessant sein könnten ;)

  • 2G
    2730 (Profil gelöscht)

    Gegenfrage: Wieviele andere Meinungen lässt Du denn an Dich heran? Wenn ich Deine Kommentare hier verfolge, nicht so wirklich viele, oder?

    Nebenbei bemerkt: Ertragen heißt tolerieren, nicht akzeptieren - ein wesentlicher Unterschied.

  • Ob viele Amerikaner mit Clinton glücklicher wären?

    Obama hat offensichtlich insofern versagt, als dass er einen großen Teil der amerikanischen Bevölkerung nicht gewinnen konnte und so Trump indirekt möglich gemacht hat ...

    Man kann nur hoffen, dass aus Sicht der Wähler das nächste Mal nicht die "die Wahl zwischen Pest & Cholera" ansteht, sondern zwischen "Gut und noch besser".

    Dann hätte das Trump doch noch das Gute bewirkt:

    "Ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft" (Mephistopheles in "Faust")

    • @Peter Schmidt:

      Die Sache ist doch nicht, dass Obama so unbeliebt gewesen wäre. Viele wollten einfach Hillary Clinton nicht, und das hatte sicher auch ein bißchen was mit dieser e-mail Affaire zu tun.

  • Auf dem Land ticken die Menschen anders - ruhiger "Werte" beständiger...

     

    Ich denke das in vielen Dörfern Deutschland ähnliche Untrerschiede zur "hippen" Berlinerin deutlich würden.

     

    Das meine ich nicht negativ. Es handelt sich schlicht um verschiedene Kulturen von daher ist die Sollbruch Stelle groß.

  • Bedrückend.

  • "Weil mein Eindruck ist, dass sie Gegenargumente eher ertragen."

     

    Also irgendwie ist das ein ziemlich seltsamer Eindruck. Wo gibt es dann da einen Gedankenaustausch?

    Das ist doch wie mit den Zeugen Jehovas über Gott diskutieren. Die Leute Leute lassen doch mit Ihrer irrwitzigen Freundlichkeit anderes gar nicht an sich ran, was nicht passt ist Fake-News. Da ist es einfach, andere Meinungen zu "akzeptieren".

    Mir schaudert nur, wenn ich diesen Bericht lese. Das ist wie eine Reise in die geistige Welt des Mittelalters.

  • Auch dieser zweite Artikel - erinnert mich an einen der ersten mitbekommenen Schüleraustausche Mitte der 60er im Freundes&Bekanntenkreis.

    Sie ging auf eins zu Gummis aufgeblasenen exLyzeen(Höhere Töchter-Schmieden) & Sing-Out-Bewegung war in Gods own Land in.

    Bei der dauerte die brainwash light Phase aber nur ca ein 3/4 Jahr - zur allgemeinen Erleichterung &

    Als sie dann was später in Mbg/L Uni auftauchte - meinte sie - "da war ich echt Banane drauf."

    Also - there's hope.

  • Das sie andere Meinungen "mehr" akzeptieren glaube ich nicht. Sie werden in ihrer Blase nicht so angegriffen wie die liberalen.

     

    Bestes Beispiel Maureen: Die Familie weiß, was sie von Trump hält und trotzdem wird auf ihn angestoßen. Der konservativen Familie ist offenbar Trump mehr Wert als ihre eigene Familie und das weiß Maureen, sie gehört als Demokratin scheinbar nicht mehr zur Familie und wird ausgegrenzt. Das wird ihr ja gezeigt. Auch mit der 0-Toleranz die ihr wegen ihrer Trump Meinung entgegengebracht wird.

     

    Und von Toleranz zu sprechen, wenn man ausschlusskriterien setzt, keine Abtreibung, keine Waffengesetze, ist dann doch schon ironisch.

     

    Wenn man Artikel von Jornalisten als Fake News beschimpft, nur weil sie eine andere "Meinung" bzw. sogar Fakten haben, dann sehe ich auch keine Toleranz. Eher Ignoranz. Die Fähigkeit andere zu tolerieren indem man sie/ihre Meinung ignoriert ist schlicht Ignoranz.

     

    Maureen und Ted scheinen weniger Tolerant, einfach weil sie die Ignoranz sehen und damit täglich leben müssen. Die beiden ignorieren die Meinung der anderen einfach nicht. Ihnen ist es wichtig, mit denen die eine andere Meinung haben zu diskutieren und sie zu überzeugen und bekommen eine Wand aus Ignoranz:

     

    Fake News, toleriere doch unsere Meinung, wir ignorieren deine doch auch.

    • @Sascha:

      Maureen wird ja nicht direkt ausgegrenzt. Es wird ihr nur ständig gezeigt, dass ihre Meinung zwar toleriert wird (ja, das darfst du natürlich denken), aber eben nicht genug respektiert, um sich damit auseinanderzusetzen.

       

      Und das etwas aufzubrechen finde ich eine Stärke dieses Artikels.

    • @Sascha:

      Ja so in etwa komplett hirnverwindet verschraubt scheint's in Herz&Oberstübchen - getunt by Balin - Dörferansammlung blasé & usaDörp trumpé zuzugehen!

      Na Mahlzeit.

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @Lowandorder:

        Na, immerhin haben wir nun auch was von (der bisher ausgeblendeten?) Paulina (auch P.U.), und nicht schon wieder über Adorno und Penelope vernehmen dürfen.

        • @571 (Profil gelöscht):

          Ja wie? Puh - Paulina -

          Na. Klar - Penelope

          Reimt sich nicht auf -

          Ha noi. Antilope - gell.

          Newahr.

          Well.

  • Danke für den Artikel. Mein Eindruck ist auch, das postmoderne Linke wie Mimosen reagieren, wenn es um konträr andere Meinungen geht. Da wird es ganz schnell persönlich, ein richtiggehender Hass tritt zutage.

     

    Nun bin ich zwar auch links, allerdings schon ein bisschen älter und habe nichts mit Religion (schon gar nicht mit dem von links hofierten Islam) im Sinn.

     

    Freude, die ähnlich ticken, sind auch eher pro Trump, pro AfD. Nur traut scih keiner, sich zu outen. Man spricht nur im Vertrauen, deutet an....

     

    Das ist sehr, sehr übel.

  • Und in einem Jahr den nächsten Artikel darüber.Fände ich jedenfalls klasse.

    Ich tippe mal,dass Trump dann schon nicht mehr Präsi ist.

  • "Ich bin aufgewachsen in einer wannabe-progressiven Blase in Berlin-Kreuzberg und gehe auf eine erst recht wannabe-progressive Privatschule in Mitte."

     

    Das erklärt - zumindest teilweise - die Artikels des Papas.

     

    Prinzipiell nette Momentaufnahme, die jedoch nicht mal im Ansatz versucht zu ergründen, warum Menschen die dem Barack Obama 54,1% (2008) bzw. 52,7% (2012) gegeben hatten, der Kandidatin der Demokraten ganze 7%-Punkte weniger gönnten.

  • Phil und Alex.

     

    Das sind genau die Sorte Jungs die am D-Day in der Normandie ihren Arsch hingehalten haben um Europa vom Faschismus zu befreien.

    Wahrscheinlich ja nur wegen den vielen deutschen Ölquellen...

    Und heute müssen sie sich von unerträglich selbstgerechten "linken" Nazinachkommen als Idioten beschimpfen lassen...

    • @ackatonne:

      Jezt wär erst mal die Frage: von welchen "unerträglich selbstgerechten "linken" Nazinachkommen" werden denn Phil und Ales jetzt als Idioten beschimpft???

    • @ackatonne:

      Nicht locker lassen,mit einem bißchen guten Willen bekommen sie das noch oberflächlicher und mißverständlicher hin!

    • @ackatonne:

      Es sind nicht die Linken, sondern die Nazinachkommen, die zur grenzenlosen Selbstvergötzung neigen und sich als die wahren Guten betrachten, die genau wissen wer das Böse verkörpert.

      Und das Böse muss genau mit der Intoleranz bekämpft werden, die eine Debattenkultur unmöglich macht.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Traurig, öde.

    Hoffentlich gibt es dort noch genug anders Denkende.