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Kommentar zu Cum-Ex-GeschäftenEin riesiger Wirtschaftsskandal

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Die Rendite der Banken ging auf Kosten aller Steuerzahler. Diese Erkenntnis aus dem Cum-Ex-Skandal darf nicht mit der Legislaturperiode enden.

Spitzen vs Fläche: Die Banken haben von den Cum-Ex-Geschäften profitiert, die Steuerzahler nicht Foto: dpa

M it windigen Tricks haben die Banken Milliardengewinne gemacht: Sie haben Aktien hin und her geschoben, damit ihnen die Kapitalertragssteuer mehrfach erstattet wurde – die sie aber nur einmal gezahlt hatten. Zu Lasten der Finanzämter wurde also eine „Rendite“ erzielt.

Noch immer ist unklar, wie hoch der Gesamtschaden dieser „Cum-Ex-Geschäfte“ ist, doch wird er auf 12 Milliarden Euro geschätzt. „Schaden“ klingt so abstrakt, doch letztlich ist jeder Steuerzahler betroffen. Denn sein Geld ist nicht etwa in staatliche Aufgaben geflossen – sondern bereicherte die Banken, die es für ein legitimes „Geschäftmodell“ hielten, sich bei den Steuerzahlern zu bedienen.

Die Chuzpe der Banken ist erschreckend, doch genauso schockierend ist, wie sehr die Aufsicht versagt hat – sei es das Finanzministerium oder die Bankenaufsicht Bafin. Es ist dem Untersuchungsausschuss im Bundestag zu verdanken, dass diese staatlichen Versäumnisse schonungslos aufgedeckt wurden.

Die Cum-Ex-Geschäfte waren jahrelang bekannt – dennoch schritt die Politik nicht ein. Erst 2007 wurde versucht, den Steuertrick zu verhindern. Doch leider produzierte man einen Text, der das Schlupfloch nicht etwa kleiner machte – sondern noch größer. Denn das Finanzministerium hatte sich nichts dabei gedacht, einen Formulierungsvorschlag des Bankenverbandes einfach ins Gesetz zu kopieren.

Zum Skandal gehört auch, dass selbst öffentliche Banken an den Cum-Ex-Geschäften teilgenommen haben. Auch die Commerzbank hielt sich nicht zurück, obwohl sie in der Finanzkrise mit Staatsgeldern gerettet werden musste.

Die Chuzpe der Banken ist erschreckend. Wie sehr die Aufsicht versagt hat, schockiert auch

Mit der Legislaturperiode endet auch der Untersuchungsausschuss. Aber seine Erkenntnisse bleiben. Besonders wichtig: Man muss die „Whistleblower“ besser schützen und rechtlich absichern. Denn letztlich war es nur den Tipps von Bankmitarbeitern zu verdanken, dass der Staat die Cum-Ex-Geschäfte überhaupt entdeckt hat.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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15 Kommentare

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  • Zu Ulrike Hermann übrigens :

    Gratulation zu Ihrem heutigen Statement im Presseclub der Öffentlich-Rechtlichen !

    Das war einfach Klasse !

  • Es war sogar der deutsche Bankenverband selber, der die Politik in Berlin händeringend auf die Cum-Ex Gesetzeslücke verwies und eine Besserung anmahnte. Wobei die "Heilung" darin bestand, dass nun zwar ab 2011 in Deutschland diese Praxis illegal war, im Ausland aber, neben ausländischen Banken, Citi-Group. UBS, Goldman Sachs, J. P. Morgan, Banc of America u. a. auch für Dependancen deutscher Geldinstitute die Absahner Praxis zu Lasten deutscher Steuerzahlers erst richtig legal, scheinlegal, scheißegal in die Blüte schoß. Da frage ich, warum, wider besseres Wissen, diese jahrelang klammheimliche Komplizenschaft zwischen Politik, deutschem Gesetzgeber und der Weltfinanzbranche zu Lasten deutscher Steuerzahler ausgerechnet getimt mit der Einführung des Euros 2002 als konvertierbarer Währung? Weil der Euro nach der umwerfenden Devise: "Hunnderttausend Fliegen können nicht irren" so attraktive Anziehungskraft entfalten sollte wie ein Stück Scheiße am fiskalischen Wegesrand? Nun wird der Fliegenchiß peu a peu wohl eingesammelt und deutschen Gerichten zugeführt, wie Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble mit der Kraft, die alles schafft, vor allem sich selber, zu suggerieren sucht? https://joachimpetrick.wordpress.com/2017/02/20/nine-eleven2001-cum-excum-cum-euro-geburtswehen-zum-geleit/

  • Selbst so ein angesehener Mensch wie Uli Hoeneß musste wegen Steuerhinterziehung ins Gefängnis und das hinterzogene Geld zurück zahlen.

     

    Was wird jetzt mit den betreffenden Banken passieren?

     

    Hier sind ganz andere Dimensionen. Banken können ja nicht ins Gefängnis. Wenn man einzelne Schuldigen (Mitarbeitern) finden sollte, dann wäre das nicht die ganze Wahrheit. Die Geschäftspraktiken sind bei den Verantwortlichen Mitarbeitern, Vorgesetzten, Manager, Geschäftsführer etc. der betreffenden Unternehmen sicherlich bekannt.

     

    Neben der Rückzahlung der geschuldeten Gelder, müssen finanzielle Strafen auferlegt werden und man könnte zusätzliche gemeinnützigen Strafen, Sanktionen und verpflichtungen durchsetzen! Das wäre zum Wohle aller Steuerzahler!

    • @Stefan Mustermann:

      "Ein Freispruch wäre völlig normal gewesen" - mit diesem Satz hat Bayernpräsident U. Hoeneß bei einer Fragestunde in Liechtenstein viele Menschen gegen sich aufgebracht.

      Lesen sie mal T-Online von heute die Anmerkungen von NRW-Justizminister Thomas Kutschaty heute.

      Hoeneß steht noch unter Bewährung ...

      • @Pink:

        Wenngleich Thomas Kutschaty wissen müsste, dass seine Befugnisse so weit nicht reichen.

  • In dem Artikel fehlt die wichtige Information, dass der Staat inzwischen begonnen hat, die zu Unrecht kassierten Gelder zurück zu fordern und dies zu einem sehr großen Teil auch gelungen ist, nur wenige Banken haben sich bisher gewehrt gegen die Ansprüche. Im Gegensatz zur Org. Kriminalität hat man bei Banken nämlich in der Regel auf der anderen Seite Leute, die das Geld nicht verschwinden lassen (können).

     

    Auch die immer wieder beanstandete "Bankenrettung" erfolgte nicht als Schenkung, sondern durch Kredite, die verzinst zurückgezahlt werden und wurden. Was ebenfalls ein großer Unterschied zu sehr vielen "verlorenen" Hilfen ist.

  • Früher gab es folgenden Witz :

     

    Was sind 10.000 Anwälte auf dem Meeresgrund ?

    Ein guter Anfang.

  • Frau Herrmann hat 100 % recht.

     

    Die letztlich unglaubliche Kaltschnäuzigkeit hier offensichtliches Unrecht zu begehen ist kaum zu fassen.

    Das sind auch nicht namenlose Banken.. sondern handelnde Personen denen das Tun ganz klar war... aber eben von denen als legal eingestuft wurde.

     

    Zur Verantwortung wird man niemand ziehen können, da das Thema zwischen den Instanzen stets weiterdeligiert und Verantwortung geteilt wurde.

  • „Bei einem Skandal“, lässt uns Wikipedia wissen, „handelt es sich um eine (allgemeine) Entrüstung oder Empörung [...]. Zu wissen, worüber sich eine Gesellschaft empört, lässt ablesen, wo und wie die überschrittenen Grenzen liegen. Insofern lassen sich über Skandale Rückschlüsse auf die jeweiligen Norm- und Wertvorstellungen bzw. Konventionen einer Gesellschaft ziehen.“

     

    Nun ja. Die „allgemeine Entrüstung und Empörung“ über die „Cum-Ex-Geschäfte“ großer Banken hat sich in engen Grenzen gehalten, muss ich sagen. Skandale sind wohl wirklich etwas, woraus man Schlüsse ziehen kann. Zum Beispiel darauf, wessen Ärger ein Aufsehen erregt, und wessen Ärger das nicht tut, weil die Normen und die Konventionen nicht geschaffen sind dafür.

     

    Ulrike Herrmanns Ärger über die milliardenschweren Steuerbetrügereien ist jedenfalls ein recht privater geblieben. Die, die ihn teilen, kommen nicht besonders prominent zu Wort in „den Medien“. Das mag daran liegen, dass „Schaden“ nicht nur abstrakt klingt, sondern auch relativ ist. Dem einen sein Schaden ist dem anderen sein Nutzen. Immer schon.

     

    Dass „das Finanzministerium [...] sich nichts dabei gedacht [hat], einen Formulierungsvorschlag des Bankenverbandes einfach ins Gesetz zu kopieren“ und so das Steuer-Schlupfloch zu vergrößern, statt es zu verkleinern, glaube ich übrigens nicht. Ich bin kein Fan der Berufspolitik. Für so dämlich aber, dass sie dem Einbrecher, den sie im Flur mit dem erbeuteten Juwelen antreffen, auch noch die Tür auf machen, weil der ja grad die Hände voll hat, halte ich unsere Berufspolitiker dann doch nicht.

     

    Klar haben sie sich was gedacht. Sie haben sich gedacht: „Die kennen sich viel besser aus als ich“ und „wenn ich sie verärgere, dann gehen sie womöglich in die Schweiz und ich bin Schuld, wenn hierzulande Jobs entfallen und Banker sich von Hochhausdächern stürzen.“ Sie dürfen halt bei Strafe ihres Unterganges nicht kapieren, dass längst nicht jeder Job ein guter Job ist, die Berufspolitiker...

  • Naja, wenn man sagt, banken ist ein so wichtiger sektor, wenn wir den nicht mit steuergeldern retten sind wir alle verloren, mag dass zwar stimmen, aber wenn man nach der rettung die banken nicht verstaatlicht gibt man ihn einen freifahrtsschein mit ihren vermögen zu pockern, weil wenns schief geht rette einen ja eh der steuerzahler.

    die methode der Cum ex geschäfte zeigt ja gerade regelrecht das banken es für erstrebenwert halten durch fiesen tricks sich gelder meist vom steuerzahler zu ergaunern. Bin mal gespannt was da noch so alles passiert.

  • 9G
    970 (Profil gelöscht)

    Kann man die Verantwortlichen ermitteln? Dann können diese die 12 Milliarden, die ja wegen der "fehlenden Steuereinnahmen" vor allem fehlen, um Schulen zu sanieren oder Flüchtlingen zu helfen, also Grundrechte zu finanzieren, doch gerne aus ihrem Privatvermögen zusammenklauben. Da sollte bei einigen einiges zu holen sein...

    • @970 (Profil gelöscht):

      Können könnte man schon. Nur wollen will man nicht. Verständlich, das. Die Sache mit den Selbstanzeigen hat noch nie besonders gut funktioniert.

  • Hat jetzt dieser Ausschuss irgend etwas ans Licht gebracht, was in den letzten Jahren nicht schon dutzende ausführliche Reportagen in den Medien berichtet haben? Ist Wahrheit erst Wahrheit wenn ein Ausschuss noch tausende Euro von Steuergeld zusätzlich verbrennt?

  • Ich finde es skanadalös, wie wirklich reiche Menschen immer noch die Gesellschaft bescheissen um sich noch mehr zu bereichern.

     

    Hier kommt ein link mit einem Reportage - Beitrag zu dem Thema.

    https://www.3sat.de/page/?source=/ard/sendung/188741/index.html