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Krieg in SyrienWas von Aleppo bleibt

Das Schicksal Ost-Aleppos ist noch nicht ausgefochten. Verhandlungslösungen werden unwahrscheinlicher, die Rebellen dürften sich weiter radikalisieren.

Wer noch lebt, in Aleppo, sah Angehörige und Freunde sterben – aber keine Hilfe aus dem Westen Foto: reuters

KAIRO taz | Noch ist das endgültige Schicksal Ost-Aleppos nicht ausgefochten. Der schlimmste Ausgang wäre: die Kämpfe in Ost-Aleppo gehen weiter und die Menschen stehen vor der Wahl, entweder bis zum bitteren Ende zu kämpfen, sich zu verstecken oder gegenüber den Regimetruppen zu kapitulieren, wohlwissend, nach den Gräueltaten der letzten Tage, dass das auch keine Garantie für ihre Unversehrtheit ist.

Oder: Sie werden, wie ursprünglich mit russischer und türkischer Vermittlung vereinbart, doch noch evakuiert und kommen mit dem nackten Leben davon. Die Rebellen und ihre Familien und alle, die mit ihnen gehen wollen, würden dann die Stadt verlassen.

Die Evakuierung wäre auch eine „Säuberung“, wenngleich keine klassisch ethnische, wie wir sie aus anderen Konflikten kennen. Auch die propagandistische Formel der „Säuberung von Terroristen“, die das syrische Regime und Russland gegen alle Opponenten anwenden, ist politisiert. Es trifft alle, die sich dem Regime und der iranisch-russischen Unterstützung entgegengestellt haben.

Diejenigen, die ursprünglich friedlich gegen das Regime demonstriert hatten, wurden in einen Krieg hineingezogen und haben sich militarisiert. Denn die größte Unterstützung bekamen sie von Staaten, die eine radikale islamistische Alternative zu Assad schaffen wollten. Vom Rest der Welt im Stich gelassen, haben sie sich im Laufe der Zeit radikalisiert. Kurzum, dieser einst recht gemischte Haufen an Menschen ist in alle Fallen getappt, die ihnen das Regime gestellt hat.

Assad wollte sich von Anfang an einen Gegner maßschneidern, der nicht friedlich demonstriert, sondern der bewaffnet ist und der eine Radikalität vertritt, die ihn international zu einem schwer akzeptablen Partner macht. Diese Rechnung ist aufgegangen.

Welche Konsequenzen ziehen Menschen, die diesen Krieg erlebt haben?

Aleppo ist ein Sieg des Regimes und ein Scheidepunkt im Syrien-Konflikt. Doch wohin geht es von jetzt an? Die einfachste Antwort lautet: Der Krieg ist nicht beendet, denn die Rebellen kontrollieren immer noch andere Teile des Landes. Auch die grundsätzlichen Probleme, die überhaupt zu dem Krieg geführt haben, sind durch einen militärischen Sieg nicht ausgeräumt. Klar ist auch, je mehr Territorium die Rebellen verlieren, umso mehr werden sie auf eine auf asymmetrische Kriegsführung setzen, also eine Mischung aus Guerillataktik und Anschlägen in Syrien.

Politisch wird es wahrscheinlich dazu führen, dass der Verhandlungsprozess und die Suche nach einer politischen Lösung zunächst auf Eis gelegt werden. Warum sollte ein Regime verhandeln, das sich militärisch auf der Siegerstraße befindet, und warum sollten Rebellen sich aus einer Position der absoluten Schwäche auf politische Verhandlungen einlassen? Die klassische Verhandlungsmotivation, ein militärisches Patt, bei dem beide Seiten sich am Ende eines langen Abnutzungskriegs ausrechnen, durch Verhandlungen mehr herauszuholen, ist nicht gegeben.

In einem weiteren politischen Sinne ist der Regimesieg in Aleppo auch ein Triumph der iranischen-russischen Nahostpolitik. Wer kann sich nun noch Teherans und Moskaus Vorstellungen eines neuen Sicherheitsdesigns der arabischen Welt entgegenstellen? Die US-Wildcard Donald Trump steckt voller Widersprüche. Der neue US-Präsident gibt sich Russland- und Putin-freundlich und schlägt gleichzeitig scharfe Töne gegen den Iran an. Dieser Widerspruch ist wahrscheinlich eine der ersten großen außenpolitischen Herausforderungen, bei dem Trumps bisherige Rhetorik schnell einem Realitätscheck unterzogen werden wird. Das iranisch-russische Erfolgsduo wird sich nach dem Erfolg in Aleppo nicht so schnell als neue Partner auseinanderdividieren lassen.

Bleibt die Zukunft der in Aleppo geschlagenen Rebellen: Das erste Ergebnis ihrer Niederlage in Aleppo wird sein, dass sie sich weiter radikalisieren. Ihren Glauben an internationale Unterstützung haben sie nun endgültig verloren. Sie werden jetzt in Gebiete evakuiert, in denen al-Qaida nahestehende Gruppen den Ton angeben.

Vom Rest der Welt im Stich gelassen, haben sich einst friedliche Demonstranten im Laufe der Zeit radikalisiert.

Wichtiger ist aber vielleicht ein anderer Effekt, den die brutalen letzten Wochen auf sie haben werden. Wir sehen nur die Toten und die zerstörten Gebäude in Aleppo. Was wir nicht sehen, sind die Köpfe, die in den letzten Monaten dort zerstört wurden. Welche Konsequenzen ziehen Menschen, die das erlebt haben, alleingelassen von einer westlichen Welt, die gerne die Werte von Menschenrechten, Demokratie und Freiheit hochhält, die aber in Aleppo einfach weggesehen hat?

Was wird aus den zerstörten Köpfen?

Es werden diese zerstörten Köpfe sein, die erlebt haben, wie ihre Familien nach dem Abwurf von Fassbomben oder dem Beschuss einer russischen Rakete unter den Trümmern ihrer Häuser verschwanden, deren Krankenhäuser vor ihren Augen bombardiert wurden, die ausgehungert wurden – es werden diese Köpfe sein, die Aleppo nach Europa bringen werden.

Die nächste Generation von Attentätern in Berlin, London, Rom, Brüssel, Madrid oder auch Moskau könnten die Kinder sein, die wir auf Zeitungsfotos und im Internet in diesen Tagen sehen. Diese schrecklichen Bilder, auf denen etwa ein Kind in Aleppo verzweifelt vor den Leichen seiner Eltern oder Geschwister kniet. Ein weiterer zerstörter Kopf, von dem auch wir in Europa noch hören werden.

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