Grünen-Chef kritisiert Import-Imame: „Ankara muss die Muslime freigeben“
Der türkische Staat bestimmt die Theologie des größten Islamverbands in Deutschland. „Nicht akzeptabel“, sagt Grünen-Chef Cem Özdemir.
Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir kritisiert den Einfluss der Türkei auf die islamische Theologie in Deutschland. „Es ist nicht akzeptabel, dass der türkische Staatspräsident darüber entscheidet, welche Interpretation des Islam auch hier in Deutschland die legitime ist“, sagt Özdemir der taz.am wochenende.
Die meisten organisierten Muslime in Deutschland gehören zu Gemeinden des Dachverbandes Ditib. Ditib untersteht dem Religionsministerium der Türkei, Vorsitzender ist immer ein türkischer Botschaftsrat. De facto sei oberster Theologe also der türkische Präsident, sagt Özdemir. „Ankara muss die Muslime freigeben. Wir müssen darauf bestehen.“
Auch bei der Prävention von Radikalisierungen komme es darauf an, ob Theologen in der Lage seien, hierzulande Debatten zu führen. „Oft sprechen Importimame ja noch nicht mal vernünftig Deutsch und bringen je nach aktuellem Herrscher ihr Islam-Verständnis aus Ankara, Kairo oder sonst wo mit“, sagt Özdemir. „Es reicht mir nicht, wenn die Muslime sagen, der Terror der Dschihadisten habe nichts mit dem Islam zu tun.“ Man müsse die theologische Dimension dieses Kampfes aufnehmen, sonst sei er nicht zu gewinnen.
Der Grünen-Chef hatte beim Grünen-Parteitag in Halle Ende November Standing Ovations für eine Rede bekommen, in der er auf Distanz zu den großen deutschen Islamverbänden ging. Die Verbände sind nicht als Religionsgemeinschaften anerkannt und kämpfen seit Jahren um die Gleichstellung mit Christen und Juden.
„Rolle rückwärts“
In einem gemeinsamen Positionspapier mit dem Bundestagsabgeordneten Volker Beck sprach sich Özdemir gegen eine rechtliche Anerkennung zum jetzigen Zeitpunkt aus. Es gehe bei den Verbänden weniger um Religion als um Herkunftsland, Sprache oder Politik, argumentieren die beiden. Daher seien sie eher migrantische Organisationen als Glaubensgemeinschaften.
Lange hatten sich die Grünen für eine schnelle rechtliche Gleichstellung der muslimischen Gemeinden eingesetzt. Es war etwa von staatlicher Geburtshilfe in Sachen Gleichstellung die Rede und davon, den Islam einzubürgern.
Drei Jahre ist die Gruppenvergewaltigung in Neu-Delhi her. Das hat Indien verändert. Gewalt in der Familie aber bleibt normal. Die Geschichten dreier Frauen lesen Sie in der taz.am wochenende vom 19./20. Dezember 2015. Außerdem: Warum das Warten eine solche Zumutung ist und wie es sich besser organisieren ließe Und: Cem Özdemir streitet sich mit Aiman Mazyek darüber, wie deutsch der Islam sein muss. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
„Eine Rolle rückwärts“, nennt Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime, in der taz.am wochenende den Kurswechsel. „Mit so einer Politik spielen Sie denen in die Hände, die immer gesagt haben: Schaut her, ihr könnt euch noch so viel drehen und wenden, wir Muslime werden nie ein gleichberechtigter Teil dieser Gesellschaft werden.“ Die Muslime wüssten nun nicht mehr, ob sie auf alte Zusagen der Grünen noch vertrauen könnten. „Auch die Politik muss verlässlich sein, nicht nur die Muslime“, sagt Mazyek.
In der taz.am wochenende streiten der Grünen-Vorsitzenden Cem Özdemir und der Zentralrats-Vorsitzende Aiman Mazyek über die Frage, wie deutsch der Islam sein muss, um zu Deutschland zu gehören. Das ganze Streitgespräch, moderiert von den taz-Redakteuren Daniel Bax und Philipp Gessler, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 19./20. Dezember.
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