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Schwedens Prostitutionsbeauftragter„Es gibt keine gute Prostitution“

Gehört Sexarbeit „entkriminalisiert“, wie Amnesty International fordert? Oder sollte sie nach Schwedens Modell verboten werden? Das fordert Patrik Cederlöf.

Ob sie das freiwillig macht? Foto: dpa
Heide Oestreich
Interview von Heide Oestreich

taz: Herr Cederlöf, Ihr Ziel war es, die Prostitution zu verringern. Funktioniert das?

Patrik Cederlöf: Ja. Die Straßenprostitution ist um die Hälfte zurückgegangen.

Aber im Internet sieht Stockholm immer noch aus wie ein Prostitutionsparadies: jede Menge Anzeigen für käuflichen Sex.

Ja, das Angebot ist ja nicht strafbar. In der Tat haben sich die Anzeigen vervielfacht: 2008 waren es etwa 800, heute sind es etwa 6.500. Aber unsere letzten Umfragen zeigten, dass heute noch 0,8 Prozent der schwedischen Männer Sex kaufen, die Hälfte davon im Ausland. Zuvor war es ungefähr ein Prozent, die Zahl hat sich also verringert trotz wachsenden Angebots.

Ich denke, es hat funktioniert. Die Gesellschaft hat das Signal gegeben: Wir wollen keinen käuflichen Sex. Und das wurde verstanden. Wir haben die geringste Zahl an Sexkäufern überhaupt in ganz Europa. Ich wundere mich darüber, dass Deutschland das so undeutsch handhabt: keine Regulierung.

Amnesty International hat sich soeben dafür ausgesprochen, Prostitution zu „entkriminalisieren“. Hat Sie das getroffen?

Diese Position ist zum Glück nicht unumstritten. Die Amnestysektionen in Schweden und auch in anderen Ländern unterstützen diese Resolution nicht. Und wir haben ja auch nicht das Angebot, sondern nur die Nachfrage nach käuflichem Sex kriminalisiert. Die Frauen bleiben straffrei.

Sie wollen die Prostituierten straffrei lassen und nur die Sexkäufer belangen. Aber nicht nur Amnesty kritisiert, dass die Gesetzgebung den Prostituierten die Arbeit schwermacht. Man darf keine Wohnung für Sexarbeit vermieten und keine guten Arbeitsbedingungen schaffen, das wäre Förderung der Prostitution und strafbar. Ist das nicht ein Widerspruch?

Keineswegs. Jemandem eine Wohnung für die Prostitution vermieten, das wäre Zuhälterei. Wir akzeptieren die Prostitution nicht. Wir denken, dass man einen anderen Weg finden sollte, Geld zu verdienen. Es ist eine Minderheit der Prostituierten, die meint, Prostitution sei einfach ein Job und der würde ihnen schwergemacht. Die Mehrheit der Prostituierten hier und auch in Deutschland, das sind arme Frauen, die aus wirtschaftlich schwachen EU-Ländern kommen. Deren Stimmen werden einfach nicht hörbar.

Sie finden anscheinend keinen anderen Weg, sich und ihre Familie zu ernähren.

Aber ich akzeptiere nicht, dass sie ihre Körper verkaufen. Die Menschen in der Europäischen Union sollten Zugang zu Bildung haben und zu einem ordentlichen Job. Und Prostitution ist kein ordentlicher Job.

Aber vielleicht der Job, der übrig bleibt, wenn man etwa nicht lesen und schreiben kann. Was sollen diese Frauen tun?

Archiv
Im Interview: Patrik Cederlöf

ist nationaler Koordinator gegen Prostitution und Zwangsprostitution in Schweden. Zuvor arbeitete er in der Opferberatung der schwedischen Polizeikom­mission und war im Sozialamt für den Fachbereich Prostitution zuständig.

Unsere sozialen Dienste haben Abteilungen für Prostituierte, SozialarbeiterInnen sind dabei, wenn die Polizei loszieht. Die meisten Frauen, die wir treffen, wollen ohnehin nach Hause zurück. Und wir haben eine Rückkehrprogramm für Prostituierte, denen eine Starthilfe in ihrem Heimatland gegeben wird.

Aber viele kommen doch einfach nur für kurze Zeit, um hier Geld zu verdienen, mit dem sie zu Hause eine Weile leben können, oder?

Ja, das stimmt, viele reisen als Touristen ein und gehen dann wieder zurück. Das ist ihre Entscheidung.

Es sind nur wenige Sexkäufer überführt worden, anscheinend muss man als Sexkäufer vor diesem Gesetz nicht allzu viel Angst haben.

Die Zahl der Sexkäufer hat sich aber verringert. Natürlich ist die Verfolgung dieser Taten eine Frage der Ressourcen: wie viele PolizeibeamtInnen man dafür abstellt. Aber Sie werden nicht erwarten, dass die Zahl auf null sinkt. Es wird auch gemordet, vergewaltigt und gestohlen, obwohl das verboten ist. Deshalb braucht man ja ein Gesetz.

Wenn man die Prostitution erschwert, dann leiden darunter die Prostituierten. Sie verschwinden in die Illegalität, heißt es.

Das stimmt nicht. Sie müssen natürlich für die Sexkäufer auffindbar bleiben. Und wenn die Sexkäufer sie finden, finden wir sie auch.

Wie begegnen Sie den Frauen, die freiwillig und gern Sexarbeiterinnen sind? Denen haben Sie nun den Beruf verhagelt.

Ich glaube nicht an die Happy-Hooker-Story.

Wenn sie verschiedene Optionen haben und die Prostitution wählen: ihre Sache. Aber die meisten Frauen können nicht wählen zwischen Prostitution und einer Universitätskarriere. Ich glaube nicht an die Happy-Hooker-Story. Die meisten Frauen in der Prostitution haben keine Optionen. Und in einer Demokratie sollte man sich vielleicht um die Mehrheit Gedanken machen.

Aber Prostitution ist für arme Frauen eine Möglichkeit, Geld zu verdienen und zu Hause den Kindern die Schule zu bezahlen.

Dann sollen sie das tun. Es ist nicht illegal. Aber ich akzeptiere diese Tätigkeit nicht. Die EU muss in der Lage sein, ihre Bevölkerung so auszubilden, dass Prostitution nicht der einzige Weg ist, sich zu ernähren.

Das kann man anstreben, ohne Prostitution zu verbieten.

Es gibt viele andere Phänomene, die sehr real sind, die wir aber nicht wollen. Wir wollen auch nicht, dass andere Menschen hier ausgebeutet werden, obwohl sie damit ihre Kinder ernähren.

Nein, das wollen wir nicht. Deshalb versucht man, aus diesen Arbeitsverhältnissen gute Arbeit zu machen. Man verbietet die Arbeit aber nicht.

Aus Prostitution kann man keine „gute Arbeit“ machen. Und ich habe viele Prostituierte getroffen, die die Ausbildung ihrer Kinder finanzieren wollen, aber sie schaffen es meistens nicht. Die Prostitution ist eine Sackgasse für sie.

Das wollen die Sexarbeitsorganisationen ja gerade verhindern, in dem sie die Rechte der Prostituierten stärken.

Aber es gibt keine „gute Prostitution“. Und Sie müssen zugeben, dass diese Sexworker-Vereinigungen bisher in keinem einzigen Land bessere Arbeitsverhältnisse erkämpfen konnten. Sie sind eine Fiktion. Manche werden auch von Bordellbesitzern geführt – die eine völlig andere Agenda haben.

Glauben Sie, die Legalisierung der Prostitution in Deutschland und den Niederlanden wurde von Bordellbesitzern erwirkt?

In den Niederlanden stand wohl eher die Tourismusindustrie dahinter, Amsterdams Rotlichtbezirk ist eine Touristenattraktion. Ich glaube, Sie lügen sich da etwas zurecht: Ich habe viele Leute in Deutschland gefragt, ob sie Sex kaufen. Ich habe niemanden gefunden. Ich habe die Prostituierten gefragt, ob ihre Verwandten Sex kaufen: Niemals! Die Paare würden sich trennen, wenn der Mann zu einer Prostituierten ginge. Ihre Gesellschaft will etwas anderes als Ihr Gesetz: Sie akzeptiert Prostitution nicht.

Haben Sie über die Gründe nachgedacht, warum Männer Sex kaufen? Wie argumentieren Sie, um sie davon abzubringen?

Dass Männer Sex von Frauen kaufen, ist das Resultat von Ungleichheit. Wir glauben nicht an diese Einwände, dass Männer ohne Sex nicht leben können oder zwangsläufig Frauen vergewaltigen. Sex ist kein individuelles Menschenrecht. Er setzt zwei Menschen voraus, die sich gleichermaßen frei entscheiden können.

Und wenn sie sich frei zu einem Austausch von Sex und Geld entscheiden?

Das tun sie aber nicht. Die Frau braucht Geld zum Leben, das ist nicht freiwillig. Ich kenne diese Männer, die meinen, sie seien halbe Sozialarbeiter: Ich tue der armen Frau etwas Gutes, wenn ich Sex von ihr kaufe. Ich sage: Das ist falsch. Wenn du ihr helfen willst, dann gibt ihr einfach Geld und verlange keinen Sex von ihr. Ich denke, Ihr Problem in den Niederlanden und Deutschland ist, dass es bei Ihnen immer die Konservativen mit ihren moralischen Vorstellungen sind, die sich gegen Prostitution aussprechen. Das will dann niemand unterstützen, der sich für fortschrittlich hält. Hier bei uns sind es auch die Linken und die Feministinnen. Es geht nicht um Moral in Schweden.

Die Freier, die ich gesprochen haben, sagten: Ohne Sex bin ich unglücklich. Sie wollen keine Macht ausüben, sie wollen eher eine Art Erbarmen.

Das ist für mich kein Argument.

Auch nicht, wenn alte Leute oder Behinderte Sexualassistenz haben wollen?

Exakt. Sie haben nur dann ein Recht auf Sex, wenn sie jemanden finden, der Sex mit ihnen haben will. Und gerade Behinderte, die haben auch so viel Sex. Sie finden ihre Wege.

Sie argumentieren auf der Basis, dass die meisten Prostituierten keine sein wollen.

Nun, am Anfang sagen sie vielleicht, dass dies ein guter Job für sie ist. Aber wenn man ein bisschen an der Oberfläche kratzt, merkt man: sie hatten keine Optionen. Sie wussten nicht mehr, wovon sie in Rumänien leben können.

Welche Option können Sie der Prostituierten eröffnen?

Nun, die meisten kommen aus EU-Ländern, sie könnten hier Schwedisch lernen und eine Ausbildung machen. Aber man muss sagen: Die meisten Frauen wollen Geld verdienen und dann wieder zurückfahren. Das ist ihre eigene Wahl, denn sie haben sich ja hier nicht strafbar gemacht. Das ist das Gute an unserem Gesetz. Und es ist unsere wichtigste Botschaft: Die Prostituierte kann sich hier an alle Stellen wenden. Und unsere Erfahrung zeigt, dass sie das auch tun. Wir lassen die Prostituierten nicht mit ihren Problemen allein.

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38 Kommentare

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  • "Schweden hat die höchste Vergewaltigungsrate in Europa."



    "Die Zahl der Vergewaltigungen in Schweden ist von 12.100 Meldungen im Jahr 2006 zu 18.000 Meldungen im Jahr 2015 angestiegen" orange.handelsblatt.com/artikel/38152



    Das passiert, wenn man Prostitution verbietet.

  • Vielen Dank für die klaren Worte, Herr Cederlöf. Mehr davon!

  • Leibeigene mieten ist schlicht und einfach Herrentum!

    Wenn das letzte Hemd keine Taschen hat, dann benutzt man noch den bloßen Leib...

    Ekelhaft!!!

    Wenn es in Europa immer noch Analphabeten gibt, dann müssen Bildungsmöglichkeiten geschaffen werden! Schonmal darüber nachgedacht?!

  • 4G
    4845 (Profil gelöscht)

    Mit welcher Begrüdung soll es verboten werden, dass sich zwei erwachsene, mündige Menschen in gegenseitigem Einverständnis zum Sex verabreden? Ob dabei eine finanzielle Gegenleistung mitvereinbart wird, ist unerheblich.

  • Also, Herr Cederlöf hat mit vielen Männern geredet und alle sagten sie würden nie niemals nicht Sex kaufen. Die Paare würden sich also trennen wenn der Mann Sex kaufen würde.

    Und auch KEINE Frau will als Prostituierte arbeiten. Und auch keiner ihrer Verwandten geht zu einer Prostituierten.

    Damit ist das Problem doch gelöst oder?

    Wenn in Herrn Cederlöfs kleiner Welt keiner Sex kaufen will und keiner Sex verkaufen will. Gibt es Ergo auch keine Prostitution.

    Und das Argument man würde den Prostituierten ihren Beruf nicht schwerer machen weil ihre Arbeit ja nicht illegal ist, ist falsch!

    Wenn ich mich als Mann strafbar mache wenn ich zu einer Prostituierten gehe, dann erschwert man mir den Zugang.

    Wenn Wohnungen nicht vermietet werden dürfen, wo sollen diese Frauen dann ihrer Arbeit nachgehen?

    Eine Freundin von mir hat Jura studiert und ist jetzt auch Anwältin.

    Sie hat sich ihr Studium nicht mit Kellnern verdient, sie hat sich für Geld ausgezogen.

    Ich weiß es klingt wie eine billige Geschichte, aber es ist so. Und sie wurde weder dazu gezwungen, noch ist sie eine unterprivilegierte Frau aus einem armen Land.

    Sie hat sich einfach gegen die Arbeit als Kellnerin oder ähnliches und für das Vorzeigen ihres Körpers für Geld entschieden.

  • Dass Kriminalisieren die Prostitution nicht aus der Welt schafft, hat wohl die Geschichte schon erwiesen.

    Wie wäre es aber mit einer Bordell-Maut?

    Gegenüber anderen staatlichen Reglementierungen hätte sie verschiedene Vorteile: Sie drückt eine öffentliche Missbilligung aus, ohne jemand zu kriminalisieren. Anders als Steuern auf andere Genussmittel (z.B. Tabak) würde sie nicht vom Verkäufer der Ware eingezogen, sondern vom Konsumenten, der dafür einen Teil seiner Anonymität aufgeben müsste, direkt an den Staat gezahlt. Der Bockschein für Freier hätte damit eine gewisse abschreckende Wirkung und würde darüber hinaus auch eine Kontrolle durch zivile Staatsbedienstete (und die Prostituierten selbst) ermöglichen.

  • Es besteht also Einigkeit, dass Prostitution oft wirklich schlechte Arbeit ist, die nur aus existentieller Not getan wird:

     

    Cederlöf: "Es gibt viele andere Phänomene, die sehr real sind, die wir aber nicht wollen. Wir wollen auch nicht, dass andere Menschen hier ausgebeutet werden, obwohl sie damit ihre Kinder ernähren."

     

    Oestreich (taz): "Nein, das wollen wir nicht. Deshalb versucht man, aus diesen Arbeitsverhältnissen gute Arbeit zu machen. Man verbietet die Arbeit aber nicht."

     

    Das ist natürlich Quatsch. Das Mindestlohngesetz verbietet z.B. einfach Arbeit, für die zu wenig Lohn gezahlt wird. Es kann überhaupt keine "gute Arbeit" schaffen, abgesehen von der Frage, ob die überhaupt allgemein gültig definiert werden kann.

     

    Wir hatten das schon unter verschiedenen Artikeln zum Thema diskutiert: Weder ein Verbot noch eine Legalisierung der Prostitution kann das dahinter liegende Problem lösen, dass Menschen auf Geld angewiesen sind, um Leben zu können.

    Das kann nur ein Bedingungsloses Grundeinkommen.

  • Prostitution ist wie Sigmar Gabriel - besser als sein Ruf.

  • "Es gibt kein individuelles Menschenrecht auf Sex"

    - Was für eine Aussage. Menschrechte, die zur Ausweitung der Freiheitsräume gegenüber dem Staat dienen, werden jetzt in ihrer Verneinung dazu benutzt, um Freiheiten einzuschränken. Es gibt auch kein "Menschenrecht" auf Eisessen und Fussballspielen. Wenn aber alles verboten wird, was nicht unmittelbar zum Leben benötigt wird und einer Bevölkerungsmehrheit oder einer selbsternannten Avantgarde nicht gefällt, landet man irgendwann in einer Diktatur.

    Und dann die Umfrage, dass nur 0,8% der schwedischen Männer zu Prostituierten gehen. Wer bezichtigt sich schon selbst einer Straftat, zumal ja nach schwedischer Moral eine sexueller Kontakt zu Prostituierten fast so schlimm ist wie Vergewaltigung von Kindern?

    Ein reichlich bornierter Ideologe, aber wohl leider repräsentativ für Schweden.

  • "Es gibt keine gute Prostitution"

    Nicht alles was nicht verboten ist, muss "gut" sein. Bei uns darf umgekehrt nur das verboten werden, was nachweislich schlecht ist. Dazwischen liegen Welten - Welten die Freiheit und Rechtstaat bedeuten.

    Die sexuelle Revolution hat hier die alte Moral über den Haufen geworfen. Inzwischen werden aber Frauen- und Kinderrechte instrumentalisiert um die Moral wieder zu installieren. Was angeblich Frauen schützt, stützt vor allem die Moral. Weder gibt es weniger Prostituierte noch geht es ihnen besser als vorher in Schweden.

  • Wenn die Angebote sich innerhalb von acht Jahren verachtfacht haben, ist wohl auch der Markt dementsprechend gewachsen und nicht geschrumpft, wie Herr Cederlöf das interpretiert. Denn wer reitet schon ein totes Pferd?

  • "Exakt. Sie haben nur dann ein Recht auf Sex, wenn sie jemanden finden, der Sex mit ihnen haben will."

     

    Hm. Sollte das dann nicht generell, also auch außerhalb von Prostitution, von der Motivation des gefundenen Jemand abhängen? Hier müßte Herr Cederlöf mal klipp und klar definieren, welche Motivation für ihn "OK" und welche nicht "OK" ist.

  • "Aber ich akzeptiere nicht, dass sie ihre Körper verkaufen."

     

    "Ich glaube nicht an die Happy-Hooker-Story."

     

    Das sind Aussagen eines Ideologen. Um das Verbot als Erfolg zu verkaufen sind statistische Veränderungen im Promillebereich gut genug zum Zitieren, aber wenn es um die ursprüngliche Rechtfertigung des Verbots geht, kommen ausschließlich vage Glaubenssätze. Und dann meint er noch, es gehe bei dem Verbot nicht um Moral. Erinnert ein wenig an die verbohrten Genderisten aus dem berühmt-berüchtigten Eia-Report. Nur sprachen die norwegisch...

     

    Im Übrigen ist dei vermeintliche Erfolgsstatistik ein Witz. Bereits die Ausgangszahl von einem Prozent zeigt, dass nur ein kleiner Teil der Freier unter den Befragten wahrheitsgemäß geantwortet hat. Dass sich diese Zahl nun um 20% verringert hat, nachdem das "Ja" zum Eingeständnis einer Straftat geworden ist, sagt rein gar nichts aus. Hilfreicher wäre vielleicht eine verdeckte Erhebung über die Preisentwicklung auf dem Markt.

     

    Am schlimmsten aber finde ich die Bigotterie, mit der die Straflosigkeit der Prostituierten als Freiheit verkauft wird. Der Mann hat offensichtlich KEINE besseren Antworten auf die Fragen, die sich notleidende Frauen stellen, bevor sie sich prostitutieren. Deshalb wabert er - wie auch die schwedische Regelung an sich - zwischen liberaler Großzügigkeit ("Sie darf ja, wenn sie will") und selbstgerechter Repression "..aber ich AKZEPTIERE es nicht"). Ja was denn nun?

     

    Rechtsstaaten müssen in der Lage sein, sich festzulegen, ob sie ein Verhalten hinnehmen oder nicht. Schweden hat das nicht hinbekommen. Es hat nur mit einer - im Effekt wahrscheinlich weitgehend symbolischen - Gesetzgebungsgeste mal wieder das Klischee vom Mann als designiertem Täter untermauert und eine beträchtliche Anzahl besonders schutzbedürftiger Menschen in eine Schattenwelt verbannt. Gratuliere.

  • Moralische Doktrin sind auch in Europa auf dem Vormarsch. Eigentlich machen das doch nur die amerikanischen Puritaner. Irgendwann wird auch diese Revolution ihre Kinder fressen. Menschen lassen sich aber auf Dauer nicht einsperren, auch wenn der (moralische) Käfig noch so gülden glitzert und das Seelenheil verspricht. Sex ist immer ein Geschäft, auch wenn dabei kein Geld fliest.

    • @TazTiz:

      Ja. Und was besonders auffällt: Daß solch zunehmender (Doppel-)Moralismus jedesmal mit zunehmdem Nationalismus und Militarismus einhergeht. Dabei gerne auch mit im Boot sind die Kirchen.

  • Irgendwie bigott die Schweden .

  • Oh, Mann. Verbietet die Prostitution. Verbietet Drogen. Das funktioniert beides genau gleich gut:

     

    Man kriminalisiert, und schiebt das Problem der Mafia zu – die sich freudig kümmert, und sich menschenverachtend dabei bereichert.

     

    Wie kann man diesen Zusammenhang 2015 immer noch nicht verstanden haben?

     

    Übrigens: dass manche Frauen und Männer sich prostituieren WOLLEN, das ist für solche Leute wohl auch undenkbar? Angesichts der Katastrophe, wenn man Probleme wie Prostitution und Drogenhandel jedoch komplett in den Schwarzmarkt schiebt, ist das wohl bereits überflüssig zu diskutieren.

    • @Volker Birk:

      Hässlicherweise verrecken an legalen Drogen (Tabak, Alkohol) wesentlich mehr Menschen als an verbotenen.

      Der Vergleicht ist ein echtes Eigentor.

  • 1G
    10025 (Profil gelöscht)

    Frau Oestreich, Sie überraschen mich mit diesem Interview wieder positiv.

     

    Gerne können Sie auch Frauen interviewen, die sich in Deutschland für das Nordische Modell einsetzen: http://abolition2014.blogspot.de/p/impressum.html.

     

    Oder Überlebende der Sexindustrie, die inzwischen ausgestiegen sind und öffentlich darüber sprechen/schreiben (Kontakt über die obige Seite).

     

    Zu der Frage bezüglich Armutsprostitution: "Aber vielleicht der Job, der übrig bleibt, wenn man etwa nicht lesen und schreiben kann. Was sollen diese Frauen tun?" - Damit wird gesagt, dass Frauen keine andere Möglichkeit bleibt als Prostitution, um zu überleben. Dass sie also Sex gegen ihren Willen haben müssen, um zu überleben. Erzwungener Sex ist allerdings Vergewaltigung und daher die Frage seiner Zumutbarkeit nicht diskutabel. Es darf schlicht nicht sein, dass wir als Gesellschaft erzwungenen Sex als Bedingung zum Überleben akzeptieren.

    Die Frage muss umgedreht werden: was würde die Gesellschaft mit diesen Frauen (und den von ihrem Geld abhängigen Angehörigen) tun, wenn es keine Prostitution gäbe? Welche Pflichten hat die Gesellschaft gegenüber den Grundrechten eines Menschen, die sie jetzt wegschiebt, weil ja scheinbar eine "Lösung" gefunden wurde? Die Dringlichkeit, die Notsituation zu beenden, aus der heraus Prostitution erfolgt, wird dann deutlich.

     

    Außerdem macht es deutlich, was Prostitution ist: eine Industrie, die die Notlagen der Schwächsten ausnutzt - klassistisch, rassistisch und zuvörderst sexistisch.

    • @10025 (Profil gelöscht):

      Die Positionen von Amnesty International sind durchaus differenziert: "Amnesty International betrachtet Menschenhandel in all seinen Formen einschließlich sexueller Ausbeutung als schreckliches Verbrechen, das gemäß internationalem Recht in jedem Fall strafrechtlich verfolgt werden muss. Auch dies ist in den Leitlinien für die zukünftige Position und die Arbeit von Amnesty International festgeschrieben." https://www.amnesty.de/2015/8/12/menschenrechte-von-sexarbeiterinnen-und-sexarbeitern-schuetzen?destination=startseite

      Außerdem ist Amnesty International auch für die Armutsbekämpfung bzw. für ein Vorgehen "Mit Menschenrechten gegen Armut":

      Quelle: https://www.amnesty.de/journal/2009/oktober/fuer-ein-leben-menschenwuerde

      Auszug: „Schließlich will unsere Kampagne erreichen, dass wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte genauso vor internationalen Stellen einklagbar werden wie die politischen Menschenrechte. Das ist im Zusatzprotokoll zum Internationalen Pakt über diese Rechte festgelegt. Es kann noch immer nicht in Kraft treten, weil noch Ratifizierungen ausstehen - unter anderem von Deutschland. Unser Ziel ist, dass alle Staaten dieses Protokoll unterzeichnen und ratifizieren.“

       

      Leider ist Deutschland immer noch dagegen: http://www.taz.de/!5211608/

    • @10025 (Profil gelöscht):

      Falls Sie der Objektivität zuliebe interessiert sind, mal mir bekannte Frauen zu interviewen, die freiwillig und gern Prostituierte sind und die sich dieszbezüglich nicht gern bevormunden und diskriminieren lassen, kann ich gerne versuchen, die nötigen Kontakte herzustellen.

    • @10025 (Profil gelöscht):

      Ihre Vergewaltigungstheorie hat einen Haken: Es ist überhaupt nicht so, dass die meisten dieser Frauen keine anderen Möglichkeiten hätten als Prostitution - nur halt keine so profitablen. Sonst würden ja ungebildete Frauen oder auch Männer, deren körperliche Attribute die Option nicht eröffnen (oder die einfach unter keinen Umständen bereit sind, auf den Strich zu gehen), tatsächlich verhungern müssen. Ihre umgedrehte Frage ist also recht einfach zu beantworten: Die Gesellschaft würde diesen Frauen genau die Möglichkeiten zum Überleben bieten, die alle Nichtprostituierten je nach Bildungsstand und Einstatzbereitschaft auch haben. Diese Möglichkeiten sind in Mitteleuropa durchweg vorhanden, aber für Viele bleibt Prostitution trotzdem die attraktivere/weniger unattraktive Variante.

       

      Zu Ihrem Schlusssatz: Wenn jemand die Schwächsten ausnutzt, dann ist das utilitaristisch und skrupellos, aber von Geschlecht, Rasse oder sozialer Herkunft im Zweifel völlig unabhängig. Es geht nur darum, ob das Objekt der Ausnutzung aktuell in einer Lage ist, in der er/sie sich ohne die "Hilfe" des Ausnutzers nicht selbst zu helfen weiß. SEXISTISCH ist allenfalls die Unterstellung, dass diese Schwächsten per se Frauen seien. Dass die Ausnutzung in der Prostitution zumeist Frauen trifft, liegt (fast) ausschließlich daran, dass die Nachfrage nach männlichen Prostituierten so gering ist, dass es sich schlicht nicht lohnt, Männer in gleicher Weise auszunutzen.

  • Herr Cederlöf macht´s wie seine Landsfrau Pippi Langstrumpf: "Ich mache mir die Welt, widdewidde-wie sie mir gefällt."

     

    Was andere Menschen wollen, brauchen, sollen oder nicht, liegt anscheinend ganz Ermessen von Herrn Cederlöf. Für meinen Geschmack stellt er zu viele willkürliche Behauptungen auf, bzw. projiziert ohne Ende.

  • "Und wir haben ja auch nicht das Angebot, sondern nur die Nachfrage nach käuflichem Sex kriminalisiert. Die Frauen bleiben straffrei."

    > Was ne Heuchelei. Mit der mächtigen Unterwelt wollten sich Staat und Regierung wohl nicht direkt anlegen. Warum nur?

     

    "Das tun sie aber nicht. Die Frau braucht Geld zum Leben, das ist nicht freiwillig."

    > Im Supermarkt an der Kasse sitzen oder bei der Reinigungsfirma schuften - das machen sie natürlich aus Vergnügen, am liebsten ehrenamtlich.

     

    "Aber unsere letzten Umfragen zeigten, dass heute noch 0,8 Prozent der schwedischen Männer Sex kaufen."

    "Ich habe viele Leute in Deutschland gefragt, ob sie Sex kaufen. Ich habe niemanden gefunden."

    > Demnach ist das deutsche doch das erfolgreichere Modell?

  • Frage: Und wenn sie sich frei zu einem Austausch von Sex und Geld entscheiden?

     

    Antwort: Das tun sie aber nicht. Die Frau braucht Geld zum Leben, das ist nicht freiwillig.

     

    Gilt das Argument nicht für jeden Job?

    Die paternalistische Argumentation erinnert sehr an fast wortgleiche Dialoge in der dänischen Serie "Borgen", wo eine selbstbestimmte Prostutierte Politikerinnen davon zu überzeugen versucht, dass ihr Job nicht entwürdigender sei als viele andere. Am Ende blieb nur das entwürdigende Gegenargument, dass man "so einer" nicht glauben dürfe.

    • 4G
      4845 (Profil gelöscht)
      @AlexA:

      Nun, ich gehe auch Arbeiten weil die Zwänge unseres Wirtschaftssystem es erfordern. Demnach bin ich also ein Zwangsarbeiter...

    • 1G
      10025 (Profil gelöscht)
      @AlexA:

      Welche Jobs kennen Sie denn noch so, wo das Berufsrisiko, eine Posttraumatischen Belastungsstörung zu entwickeln, bei 60% liegt?

       

      Bei Prostitution findet nicht nur Arbeit statt, sondern vor allem eine Form von Sex. Im Falle, dass er durch Notlagen, wie z.B. Armut, erzwungen ist, ist es erzwungener Sex, also Vergewaltigung. Finden Sie das zumutbar?

      Dies mit anderer Arbeit bzw. Arbeitszwang gleichzusetzen, nivelliert und relativiert sexuelle Gewalt und ist damit Ausdruck von Sexismus.

      • @10025 (Profil gelöscht):

        "Im Falle, dass er durch Notlagen, wie z.B. Armut, erzwungen ist, ist es erzwungener Sex, also Vergewaltigung."

         

        Dann wäre aber die Armut der Zwang, welcher der Frau angetan wird und nicht die Prostitution, zu der sie sich als Ausweg entscheidet. Wie sieht Ihre Strategie aus, mit der Sie die dafür Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen werden?

      • @10025 (Profil gelöscht):

        "Welche Jobs kennen Sie denn noch so, wo das Berufsrisiko, eine Posttraumatischen Belastungsstörung zu entwickeln, bei 60% liegt?"

         

        Quellenangabe bitte.

        • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

          http://www.trauma-and-prostitution.eu/page/2/

           

          Man muss schon sehr ignorant sein, um das nicht mitzubekommen.

          Aber ohne Wahrnehmungsstörung benutzt man Menschen auch nicht als "Spermasilo".

          Das ist Männern zu erbärmlich!

  • "Aber unsere letzten Umfragen zeigten, dass heute noch 0,8 Prozent der schwedischen Männer Sex kaufen, die Hälfte davon im Ausland. Zuvor war es ungefähr ein Prozent, die Zahl hat sich also verringert trotz wachsenden Angebots."

     

    Klar, vor allem wird jeder freiwillig zugeben, gegen das Gesetz zu verstoßen.

    Lächerlich. Umfrage: "Haben Sie illegale Waffen, Drogen oder Diebesgut im Haus?" Ergebnis: 0%.

  • Kein Wunder dass der schwedische Prostitutionsbeauftragte das schwedische Modell verteidigt.

    Eine "Lösung" für internationale Armutsprostitution bei der Frauen sich prostitutieren um Geld für ihre Familie im Ausland zu verdienen, hat er auch nicht. Kein regulärer Job oder Sozialleistung wird dies ermöglichen.

    Von einem Erfolg des schwedischen Modells auszugehen, wenn die sichtbare Prostitution um vielleicht 20% zurückgeht - bei einer steigenden Dunkelziffer - aber das Angebot sich mehr als verfünffacht und sich die Arbeitsbedingungen sich verschlechtern, kann bezweifelt werden.

    Im Endeffekt ist dies eine Werteentscheidung: Was ist schlechter für eine Gesellschaft: Mehr aber dafür geregelte Prostitution oder weniger aber dafür unkontrollierte Prostitution? Ähnlich wie bei der Prohibition oder weichen Drogen, verdeckt ein Verbot das Problem eher als dass es es löst.

    Der andere scheinheilige Punkt ist die Bestrafung nur der Freier. Es mag en vogue sein, die "bösen Männer" zu bestrafen - während früher nur die Prostituierten bestraft wurden. Frauen sind - egal was sie tun - ja Opfer und Männer die Täter. Wenn Frauen Beziehungen zu Männer aber nur wegen seines Geldes und die Männer nur wegen des attraktiven Körpers der Frau eingehen, so wird dies nicht nur geduldet sondern auch staatlich sanktioniert mit einklagbaren Unterhaltsforderungen etc. Immerhin muss gesagt werden, dass es in Schweden keine amerikanische "Datingkultur" gibt, bei der teures Essen gegen Sex getauscht wird.

  • Da wäre wieder das bedingungslose Grundeinkommen eine gute Idee. Wer dann noch auf den Strich geht, macht es freiwillig.

    • @Joseph Tannhuber:

      Es geht nicht um das Grundeinkommen für die Frauen selbst sondern darum, dass sie ihre Familien im Ausland damit unterstützen wollen. Da hilft auch kein Grundeinkommen.

      Es wird immer Frauen geben, die unter objektiven oder subjektiven Druck sind, schnell viel Geld zu verdienen.

      Es gibt viele Jobs, die nicht unbedingt Spass machen, die aber gemacht werden, um Geld zu verdienen. Was da für wen wie negativ besetzt ist, sollte eine persönliche freie Wahl sein.

      Die Situation der Prostituierten wird dabei von der schwedischen Regierung durch die gesellschaftliche Ächtung und des Abdrängens in das unkontrollierte illegale Millieu (auch wenn die Prostituierten dabei straffrei bleiben) erschwert und nicht verbessert.

  • Da wäre wieder das bedingungslose Grundeinkommen eine gute Idee. Wer dann noch auf den Strich geht, macht es freiwillig.

    • @Joseph Tannhuber:

      Haben Sie mal die wissenschaftlichen Artikel zu bedingungslosem Grundeinkommen gelesen? 50 Prozent Steuern für jeden egal, welches Einkommen er hat (grünes Modell) bei gleichzeitiger Streichung aller anderen Transferleistungen, sowie Streichung jeglicher Vergünstigungen. Quintessenz: keine bezahlten Wohnungen für Mittellose, keine Sozialleistungen für anderweitig Hilfsbedürftige, 250-300 Milliarden Euro Mehreinnahmen (die aus dem Zauberhut kommen), Erhöhung von indirekten Steuern wie der Mehrwertsteuer und dafür kriegt dann jeder summa summarum 500 Tacken auf die Kralle. Super Modell.

      • @Beinemann:

        dann nennen sie mal die quelle ihrer wissenschaftlichen studie. zu diesem thema gibt es auch sehr intelligente ansätze als permanent dagegen zu sein. z.b. "plan b" der wissensmanufaktur. wäre mal interessant sich dies durchzulesen und nur den vorschlag zu bewerten.