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Chef des bewaffneten Hamas-ArmsDer Ingenieur der Rache

Er führt die militärischen Kassam-Brigaden an. Aus dem Untergrund wendet sich Mohammed Deif mit einer Botschaft an Israelis und Palästinenser.

Auf diesem Bild der Hamas von 2005 soll er zu sehen sein: Mohammad Deif. Bild: ap

JERUSALEM taz | Fünfmal hat Israel versucht, ihn umzubringen, und fünfmal ist Mohammed Deif entkommen. Seit 13 Jahren steht der Chef der Issedin al-Kassam-Brigaden, des militärischen Arms der Hamas, ganz oben auf der Liste der von Israel gesuchten Terroristen.

Heute mehr denn je wüsste ihn Israels Sicherheitsapparat lieber tot als lebendig, denn Mohammed Deif gilt als der führende Kopf, der hinter den Raketen der Hamas steckt und hinter den geheimen Tunneln zwischen dem Gazastreifen und Israel.

Die gezielten Exekutionsversuche der Luftwaffe überlebte er mit schweren Verletzungen im Gesicht und am Rücken, seither sitzt er im Rollstuhl. Bei einem seiner seltenen Auftritte ließ er in der vergangenen Woche nur seinen Schatten sehen: „Es wird keine Waffenruhe geben ohne die Öffnung der (Gaza-)Blockade“, sagte er. „Der Sieg ist unser.“

Gewöhnlich lässt der militärische Hamas-Flügel die Botschaften von einem maskierten Sprecher lesen. Für öffentliche Auftritte ist der im katarischen Exil lebende Chef des Hamas-Politbüros, Chaled Meschal, zuständig. Auch der im Gazastreifen abgetauchte frühere Regierungschef Ismael Hanijeh meldete sich jüngst aus dem Untergrund mit einer Botschaft an sein Volk.

Der heute 49-jährige Deif stammt aus Khan Junis im südlichen Gazastreifen. Von dort kommt auch der frühere Chef des Fatah-nahen Geheimdienstes Mohammed Dahlan, den mit Deif über Jahre eine enge Freundschaft verband.

Die Hölle

Spätestens mit der gewaltsamen Machtübernahme der Hamas im Gazastreifen war die Freundschaft aus. Dahlans Geheimdienst gehörte zu den ersten Fatahtruppen, die unter dem Kommando von Deif im Sommer 2007 aus dem Gazastreifen vertrieben wurden. Das Handwerk, Bomben zu bauen, lernte er von Jahija Ajasch, dem berüchtigten „Ingenieur“, der Anfang 1996 selbst durch einen Sprengsatz ums Leben kam. Der israelische Geheimdienst hatte den Hörer seines Telefons zuvor mit dem tödlichen Päckchen präparieren lassen. Bei Vergeltungsschlägen der Hamas unter dem Kommando Mohammed Deifs starben Dutzende Israelis.

Chef der Issedin al-Kassam wurde Deif vermutlich im Sommer 2002, als Salah Schehade bei einem gezielten israelischen Bombenangriff getötet wurde. „Heute habt ihr die Hölle von Gaza verlassen“, kommentierte er drei Jahre später den einseitigen Abzug Israels aus dem Gazastreifen, und warnte: „Ganz Palästina wird euch zur Hölle werden.“ Schwer verletzt gab Deif 2006 die Führung der Kassam-Bridagen temporär ab. Wohl seit2012, als Israel seinen Vertreter Ahmed al-Dschabari tötete, ist Deif wieder Chef der Terrorgruppe.

Die Kassam-Brigaden seien bereit für den Weg des Heiligen Krieges, zu dem es keine Alternative gebe. Palästina und Jerusalem „ist unser“. Israel habe kein Recht auf nur einen Zentimeter davon. Israels Finanzminister Yair Lapid nannte Deif einen „toten Mann“. Seit Jahren versteckte er sich in den Tunneln unter Gaza, und dort werde er auch bleiben.

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24 Kommentare

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  • ich hab mal... gelernt/gehört oder so

    es gäbe so was wie einen auslieferungsantrag - dazu gedacht, einen menschen vor das eigene (nationale) gericht zu stellen - könnt man ja machen, nicht nur bei eierdieben.

    man könnte das auch weiterdenken und einen menschen in DenHaag vor gericht stellen lassen oder vor ein anderes international-rechtlich ausgelegtes tribunal

    statts mittels drohne oder päckchen im telefon oder injektion per regenschirmspitze zu lynchen.

    könnte man. wenn man bereit wäre, notfalls selbst eine bank weiter vor gericht platz zu nehmen.

  • Betrachtet man die derzeit in der Nahost-Sparte gelisteten TAZ-Artikel, fällt auf, dass sie mehrheitlich den Gaza-Konflikt zum Thema haben. 19 Artikel beschäftigen sich damit, während nur 3 Artikel (mit sehr wenigen Kommentaren) die Vorgänge in den islamischen Staaten beleuchten. Eigentlich müsste das Verhältnis umgekehrt sein!

     

    Mir scheint, es ist überhaupt nur den allerwenigsten klar, dass die derzeitige dschihadistische Schlammflut in Libyen, in Syrien, im Irak und bald auch im Libanon und in Tunesien zu weitreichenden Umwälzungen am Rande Europas und vielleicht auch bald hier führen. Durch ISIS im Irak und in Syrien und Ansar al-Sharia in Libyen wurden bereits zwei Staaten gegründet, die man getrost als al-Kaida-Staaten bezeichnen kann. Niemand kann diese Leute zurückhalten.

     

    Die Vorgänge in Hamastan sind gegen all das eher bedeutungslos. Nicht einmal das menschliche Elend dort ist annähernd vergleichbar mit dem, was sich im Irak und in Syrien abspielt. Nur für die aufgeregt-moralisierenden Gemüter ist Gaza wieder einmal das Nonplusultra. Zeitlos borniert echauffieren sie sich über den Selbstbehauptungswillen Israels. Wie immer eigentlich.

    • @Senckbley:

      Vielleicht liegt das daran, dass nicht alle von Ihnen genannten Staaten im "Nahen Osten" liegen. Wenn Sie den Suchbegriff "ISIS" eingeben erhalten Sie 154 Artikel, zum Stichwort sogar 2618.

       

      Ich kenne kaum eine Nachrichtensendung, die z.Z. ohne Berichte über das islamistische Kalifat auskommt oder die Vorgänge in Lybien unerwähnt lässt.

       

      Sicher ist das Thema Israel-Palestina lebhafter kommentiert. Aber hier gibt es ja auch was zu diskutieren. Ich kenne niemanden, der die Vorgänge in Syrien oder Irak rechtfertigen würde. Wer sollte also PRO debattieren?

      • @Dhimitry:

        Da ist was dran, aber zwischen Pro und Contra in Bezug auf die neuen Dschihadstaaten (werden die eigentlich beantragen, in den UN-Menschenrechtsrat aufgenommen zu werden?) gibt es die Gleichgültigkeit, und die will mir nicht in den Kopf.

         

        Wer sich's antun will:

        https://www.youtube.com/watch?v=cOkCKSlZI2s

        Bei 3:50 wird es interessant.

    • @Senckbley:

      DANKE !! ist angekommen (bei mir zumindest)

  • da sich solche artikel von frau knaul häufen, nehme ich an sie steht nicht auf der seite der grenze über die sie berichtet.......schade....

  • Seicht, vorder”gründig”, Boulevard. Die Mühe ins I-Nest einzusteigen (bei unsren ganz normalen und sündteuren brasilianischen Verbindungen, abseits der kurzen WM-Pinocchiette für BesucherInnen und „Korrespondenten“) hat sich wegen diesem Beitrag bestimmt nicht gelohnt.

    Das Problem ist nicht ein Kerl, wie auch immer der grad heissen mag. Hüben wie drüben, der israelisch-palästinensichen „Trennlinie“. Das Problem ist ein Geschäft-über-alles-Global-Zeitgeist und also Waffen-Zerstörungs-Wiederaufbau-Kapitalismus, der „Regierungen“ und (sonstigen) Volksverdrehungen den Takt vorgibt. Dass solch von aller Ethik befreiter globalisierter Geschäfts“sinn“ besonders blüht und bombt, wenn noch mit religiösem Aug-um-Aug-Ecstasy befruchtet, ist bestimmt entscheidender als alle Deifs und Liebermans und Co.

    • @Ardaga:

      1:0

  • Da hat Frau Knaul ja wieder das personifizierte Böse ausgemacht. Ohne diese hartnäckigen Untoten wäre Gaza sicher ein blühender Kleinstaat und Israel ein lieber großer Onkel.

     

    "seit2012, als Israel seinen Vertreter Ahmed al-Dschabari tötete, ist Deif wieder Chef der Terrorgruppe."

     

    Bei wievielen 'Terroristen' das wohl ebenso ist? Die 'Terrorgruppe' (übrigens eine sehr lustige Deutschpunkband) hat momentan wohl keine Nachwuchsprobleme.

     

    Hab da mal eine Verständnisfrage: da offenbar soviele Informationen über die Hamas und ihrer Leute vorliegen, warum muss Israel wochenlang Bomben schmeißen, um evtl. einen von denen zu töten?

    • @friedjoch:

      "Hab da mal eine Verständnisfrage: da offenbar soviele Informationen über die Hamas und ihrer Leute vorliegen, warum muss Israel wochenlang Bomben schmeißen, um evtl. einen von denen zu töten?"

       

      Haben Sie den Artikel gelesen? Diese Menschen verstecken sich im Tunnelsystem. Daher versucht Israel das Tunnelsystem zu zerstören. Sind die Tunnel verstört, werden auch diese Verbrecher gefasst werden.

      • @Dhimitry:

        Am Kriegsanfang war keine Rede von Tunnelsystem da! richtig? jetzt kannst du deine Gehirn schrauben festziehen u. mach dir Gedancken wer der Verbrecher ist höchste Zeit

      • @Dhimitry:

        Ja, die Tunnel sind der Weg zum Sieg, die Tunnel. Warum bomben? Tunnel.

        Wie Bush damals über die Taliban sagte, man muss diese Ratten aus ihren Löchern herausräuchern. Bzw. aus ihren Tunneln. Tunnel.

         

        Sorry, Dhimitry, ich kann nicht anders als müde lächeln.

        • @friedjoch:

          Wenn es Ihrem Verständnis dient, helfe ich doch gerne. Wenn ich ein Lächeln auf Ihr Gesicht zaubern kann, dann noch ein wenig mehr.

           

          MfG..

  • "Sein Volk" Hey taz. Sprachgefühl IST nicht eure Stärke! Was würde der Führer dazu sagen?

    • 2G
      2422 (Profil gelöscht)
      @Arcy Shtoink:

      Das ist nicht nur das Sprachgefühl. Mit der Berichterstattung von Frau Knaul reiht sich die TAZ in die Reihe der Medien ein, die uns das Mitgefühl mit dem Schicksal der Menschen in Gaza ersparen wollen. Damit wir nicht bei unserer Form der Vergangenheitsbewältigung gestört werden. Und wie heißt die Beschwörungsformel: Unbedingte Solidarität mit Israel. Derweil die grosse Mehrzahl der Naziverbrecher bei uns ungestört alt werden durfte. Man lese zum Beispiel das Buch von Pierre Stephan mit Thomas Harlan, der Zugang zu polnischen Archiven über Naziverbrecher hatte, während im Westen alles zugedeckt wurde (Jean-Pierre Stephan "Thomas Harlan - Das Gesicht deines Feindes"). Dieses Schweigen existiert noch heute.

  • Markus Müller, ein Glück hast Du nichts zu sagen... wie oft wurde Israel schon angegriffen? Israel ohne Armee bedeutet das Ende Israels

  • 2G
    2422 (Profil gelöscht)

    Und das nächste Mal erzählt uns die Frontberichterstatterin der TAZ wieder ein Märchen über die heldenhafte IDF und ihre Soldaten...

  • Ja das wäre eine gute Idee was würde dann passieren?

  • Weil die Hamas, Hisbollah etc. sie dann Angreifen und deren Land berauben und deren Frauen und Kinder mas(s)akrieren.

     

    (oder meinten sie die Masern?)

    • @Joe Montana:

      Es würde ja reichen, von Israel einen Gewaltverzicht zu verlangen, so wie man einen Gewaltverzicht von den Palästinensern verlangt.

  • Terrorgruppen sind die Gruppen, die Andere Angreifen und deren Land berauben und deren Frauen und Kinder masakrieren. Also die israelische Armee. Warum ruft keiner dazu auf, die israelische Armee zu entwaffnen???!!!!!!!!

  • Wollen Sie, werte Frau Knaul, nachdem Tausende Gaza-Bewohner bereits massakriert und kaltblütig ermordet sich und Tausende Verletzter auf Israels Konto gehen, die nach dem Bombardement sogar von Krankenhäusern k e i n e medizinische Hilfe mehr finden, wollen Sie noch immer darauf bestehen, daß das alles was Israel an Verbrechen begeht - r e c h t e n s ist?

     

    Es heißt in den Meldungen, fast alle "Hamas-Tunnel" seien zerstört. Wie kommts dann aber, daß der Besagte sich bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag in eben jenen Tunneln versteckt..... Hey - sagen Sie mal Frau Knaul, wie reimen Sie sich

    d a s dann zusammen????

    Wenn die Tunnels zerstört sind wie es heißt, warum kündigt Israel dann die Fortführung der Luftattacken an?

    • @MOTZARELLA:

      Reimen geht ganz einfach: Angriffstunnel befinden sich in Grenznähe und können einfacher zerstört werden als Tunnel im Zentrum von Gaza-Stadt, in denen sich die Hamas-Führer verstecken. Die sind nicht so einfach zu zerstören, weil nicht so einfach zu erreichen. Reicht Ihnen dieser Reim als Erklärung?

    • @MOTZARELLA:

      weil israel weiß dass inzwischen die meisten im Westen dummbacken sind ;-))