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Tierisches Wachstumsproblem

WELL DONE? Die vom „Frische Forum Fleisch“ auf der Grünen Woche initiierte Veranstaltung „Erfolgsmodell ‚Made in Germany‘ zieht magisch an“ wurde vom Dioxinskandal eingeholt

Dioxin? Außer einigen schnell einberufenen Gesprächsrunden herrscht auf der Messe „business as usual“

VON OLE SCHULZ

Beim gestrigen Auftakt der Grünen Woche stand eine Veranstaltung auf dem Programm, die stutzig machen konnte: Auf dem „Frische Forum Fleisch“ wurde unter dem Titel „Erfolgsmodell ‚Made in Germany‘ zieht magisch an“ über den „Balanceakt der Fleischwirtschaft zwischen grenzenlosem Wachstum und Grenzen des Wachstums“ diskutiert.

„Hurra, Wachstum“?

In der Ankündigung hieß es dazu, dass die Entwicklung der deutschen Schweinefleischindustrie „gewaltig“ sei: Die Zahl der Schlachtungen habe sich in den letzten zehn Jahren jährlich um eine Million erhöht und nunmehr über 57 Millionen erreicht. Jedes zehnte geschlachtete Schwein werde mittlerweile ins Ausland exportiert.

Das sind Mengen, die von Branchenvertretern als wirtschaftliche Erfolge gefeiert werden, bei vielen Verbrauchern nicht zuletzt angesichts des aktuellen Dioxinskandals allerdings nur noch Kopfschütteln hervorrufen. Auf Anfrage erklärt Renate Kühlcke, Chefredakteurin der Allgemeinen Fleischer Zeitung und Organisatorin des Forums Fleisch auf der Grünen Woche, die Veranstaltung sei lange vor dem erneuten Futtermittelskandal geplant worden; gleichwohl sei eine kritische Bilanzierung der expansiven Schweinezüchtung angedacht gewesen, die die Schattenseiten keinesfalls verleugnen sollte.

Fest steht laut Kühlcke, dass Deutschland mittlerweile zur europäischen „Drehscheibe der Schweinefleischproduktion“ geworden ist – mit Mastbetrieben, die oftmals zehntausende von Schweinen züchten. Diese agrarindustrielle Fleischproduktion bezeichnet selbst Kühlcke als „grenzwertig“.

Auch dass die Fleischbranche grundsätzlich in der Kritik steht, will Kühlcke nicht verleugnen. Sie berichtet von Bürgerprotesten in Gemeinden, in denen Megaställe errichtet werden sollen, und von Arbeitgebern, die Schwierigkeiten haben, geeignete Fachkräfte zu finden, „weil sich heute keiner mehr an eine Schlachtbank stellen will“. Darum war die Frage, wie sich die ab Mai geltende Freizügigkeit für Arbeitnehmer aus osteuropäischen EU-Ländern auswirken wird, der zweite Schwerpunkt des Fleisch-Forums. In einem dritten ging es um Fragen der Kommunikation und des Images. Das sind für die Fleischwirtschaft natürlich sehr wichtige Themen, weil immer mehr Verbraucher deren Vermarktungsstrategien als heuchlerisch empfinden.

In diesem Dilemma steckt auch die international wichtigste Messe für Ernährungswirtschaft, Landwirtschaft und Gartenbau. In Reaktion auf den neuen Lebensmittelskandal wegen erhöhter Dioxinwerte in Eiern und Schweinefleisch werden bei der Grünen Woche zwar einige Gesprächsrunden zum Thema ins Programm geschoben, ansonsten aber herrscht „business as usual“. Wolfgang Rogall, Pressesprecher des Messeveranstalters, betont hingegen, dass „Qualität und Sicherheit von Nahrungsmitteln“ traditionelle Schwerpunkte der Grünen Woche seien, und verweist zudem auf Messebereiche wie den „BioMarkt“, wo Produkte aus nachhaltiger Landwirtschaft und Fairem Handel präsentiert werden, und den „ErlebnisBauernhof“, auf dem man die gesamte Lebensmittelkette exemplarisch nachverfolgen kann.

Trotz aller Bemühungen um ein „ökologisches“ Image bekommt aber auch die Grüne Woche die allgemeine Verunsicherung durch anhaltende Lebensmittelskandale und den Widerstand gegen riesige Schlachthöfe und ihre Turboschweine zu spüren. Greenpeace-Protestaktionen etwa gibt es bei der Grünen Woche schon seit Jahren. Im Vorjahr schlossen sich schließlich 60 Organisationen zum Bündnis „Bauernhöfe statt Agrarfabriken“ zusammen, um bei der Messe zu demonstrieren.

Gerade wegen des „Trends zu immer größeren Ställen“ forderten sie von Ilse Aigner ein „Umsteuern in der Landwirtschaftspolitik zugunsten kleiner und mittelständischer Betriebe“. Denn die „industrielle Massentierhaltung“ gehe „zu Lasten der Umwelt und Tiere“ und treibe „viele bäuerliche Betriebe in den Ruin“. Statt Agrarfabriken zu bevorteilen, müssten sich die Subventionen an höheren Standards im Tier- und Umweltschutz orientieren. Das Bündnis forderte zudem eine deutlich verbesserte Bürgerbeteiligung an der Planung neuer Ställe und die Kennzeichnung der Tierhaltungsformen auf allen Lebensmitteln.

Es regt sich Protest

Doch unter der umstrittenen CSU-Landwirtschaftsministerin Aigner wurde keine dieser Forderungen umgesetzt. Wer dagegen protestieren will, hat heute eine gute Gelegenheit dazu: Während sich zur Grünen Woche Landwirtschaftsminister aus aller Welt und internationale Agrarkonzerne auf Einladung der Bundesregierung in Berlin treffen, zieht am Mittag eine von Naturschutzverbänden, Tierschutzorganisationen, Herstellern von Bionahrungsmitteln sowie Vertretern der bäuerlichen Landwirtschaft organisierte Großdemo unter dem Motto „Wir haben es satt! Nein zu Gentechnik, Tierfabriken und Dumping-Exporten“ vom Hauptbahnhof zum Brandenburger Tor.

■ Nachhaltige Landwirtschaft findet sich auf der Grünen Woche u. a. im BioMarkt, Halle 6.2a und auf dem ErlebnisBauernhof, Halle 3.2. Infos zur Demo: www.wir-haben-es-satt.de

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