Arbeit für alle: Brauchen wir eine staatliche Jobgarantie?
Die Schlangen vorm Jobcenter werden länger – und die Arbeitsbedingungen schlechter. Sollte der Staat mit einer Jobgarantie eingreifen?
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M orgens im Jobcenter. Vor der Tür eine Schlange von Menschen, die Arbeit suchen. Darunter: eine ukrainische Erzieherin, die vor Putins Bomben geflohen ist, und ein Gärtner, dem vor Kurzem gekündigt wurde. Ob ihr Berater ein gutes Jobangebot für sie hat? Eher nicht, befürchten sie. Die Wirtschaft kriselt nämlich.
Was sie nicht wussten: Die Regierung experimentiert mit einer Jobgarantie. Der Berater hatte also nicht nur eine Liste offener Stellen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst, sondern auch mit gemeinnützigen Jobs in der eigenen Gemeinde.
Die Erzieherin gibt ab sofort also 20 Stunden in der Woche Nachhilfe für ukrainische Grundschüler. Neben ihrem eigenen Sprachkurs, den sie macht, und Bewerbungen, die sie an Kitas schreibt. Der Gärtner beteiligt sich an einem vierköpfigen Team, das Urban-Gardening-Projekte in den Schulen umsetzt, für 25 Stunden in der Woche – damit noch Zeit für Bewerbungen bleibt.
Beide werden nach Mindestlohn bezahlt und stocken mit Bürgergeld nur noch auf. Besser als arbeitslos, finden beide. Sie haben mehr Einkommen, tragen etwas zur Gemeinschaft bei und entwickeln sich weiter.
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Arbeitslosigkeit macht krank
Okay, das war Wunsch, nicht Wirklichkeit. Leider. Denn eine Welt ohne Arbeitslosigkeit wäre eine bessere Welt. Arbeitslosigkeit macht schließlich arm, krank und grenzt aus. Ein Job ist mehr als bloßes Einkommen: Kollegen, Alltag, Verantwortung. In Artikel 23 der Menschenrechte steht: „Jeder Mensch hat das Recht auf Arbeit.“
Dieses Recht wird denen verwehrt, die in der Jobcenter-Schlange stehen. Der Staat könnte die Schlange zwar kürzer machen, indem er die Wirtschaft ankurbelt – und darauf hofft, dass private Firmen mehr Leute einstellen.
Aber: private Firmen stellen nur ein, logischerweise, wenn es für sie profitabel ist. Das Recht auf Arbeit wäre also nur erfüllt, wenn die Regierung die Konjunktur jederzeit perfekt steuert und Neuanstellungen profitabel sind. Auf Dauer kann das nicht klappen.
Besser wäre also, der Staat würde selbst Jobs anbieten. Zusätzlich zu den fünf Millionen im öffentlichen Dienst, die es schon gibt. Auch Kitas und Pflegeheime könnten mehr Leute gebrauchen, aber dafür braucht es jahrelange Ausbildung. Arbeitslose können in einer Krise nicht einfach Lehrer werden. Und Lehrer sollen nicht nur Mindestlohn verdienen.
Die Lösung: ein flexibles Jobprogramm. Bezahlt vom Arbeitsministerium, organisiert von den Gemeinden, die Arbeitssuchenden einen gemeinnützigen Job vor Ort anbieten. So wie der ukrainischen Erzieherin und dem Gärtner. Denkbar wäre auch Mithilfe beim Roten Kreuz, Werkstätten oder lokalen Sportevents.
Wichtig: Die Jobgarantie ist ein Angebot, keine Pflicht. Anders als CDU und FDP gerade fordern, sollte das Bürgergeld nicht wegfallen, wenn jemand nicht gemeinnütziger Arbeit nachgehen will. Und sie sollten auch kein Abklatsch von Ein-Euro-Jobs oder früheren Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sein. Weil im Mittelpunkt die Gemeinnützigkeit steht und das Recht auf Arbeit zu respektvollen Bedingungen – nicht die schnellstmögliche Vermittlung zu geringstmöglichen Kosten!
Eine Jobgarantie erzeugt Wohlstand, die Teilnehmer bilden sich on-the-job weiter und es wird eine Untergrenze an akzeptablen Jobbedingungen geschaffen. Niemand muss in der Wirtschaft unter schlechteren Bedingungen arbeiten. Win-win-win, oder nicht?
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