piwik no script img

Antirassismus-Kampagnen im FußballMit dem T-Shirt in die Knie?

Klubs wie Bayern München und Borussia Dortmund positionieren sich mit PR-Fotos gegen Rassismus. Wie es konkret besser geht, zeigt der FSV Mainz.

Gute Botschaft? Oder nur gut gemeint? Bayern-München-Trainer Hansi Flick Foto: Matthias Hangst/reuters

M an könnte es für Meldungen aus einer gemeinsamen Rubrik halten. Die Überschrift könnte lauten: „Fußballer gegen Rassismus“. Dort erführe man dies: Der Bundesligist FSV Mainz 05 hat die Kündigung eines Mitglieds, das empört war, dass „sein“ Verein zu viele schwarze Kicker unter Vertrag habe, öffentlich begrüßt.

Und, zweite Meldung, Vereine wie Bayern München und Borussia Dortmund haben sich mit T-Shirt-Aktionen, Statements und PR-Fotos, auf denen zu sehen ist, wie die Mannschaft kniet, gegen Rassismus posi­tioniert.

Gut. Doch ist das wirklich eine gemeinsame Rubrik?

Dass der FSV Mainz von über 12.000 Mitgliedern eines verliert, mag ökonomisch verschmerzbar sein. Und dass die großen Klubs gegen Rassismus und für Weltläufigkeit demonstrieren, liegt ja auch in ihrem Charakter als Sportunternehmen mit internationalem Anspruch und Angestellten aus aller Welt begründet. Wenn man das liest, könnte man glauben: Zumindest im Fußball sind alle gegen Rassismus, jeder auf seine Weise.

Schön wär’s. Aber diese eine Überschrift über alle Aktionen in diesen Tagen ist leider falsch. Der Unterschied zwischen den verschiedenen Meldungen, die oben referiert wurden, lautet: Der FSV Mainz teilt mit, dass es bei ihm ein Rassismusproblem gibt, konkret: in der Mitgliederschaft, und dass der Klub dagegen vorgehen wird. Die Botschaft, die von immer wieder aufgelegten Kampagnen der Klubs ausgeht, lautet hingegen: Wir Fußballer stehen geschlossen gegen jede Form der Diskriminierung.

Der selbstkritische Blick nach innen

Das eine ist also das ehrliche Eingeständnis eines Problems, das andere die Behauptung, man selbst sei doch gut und wolle das nun zeigen. Noch anders formuliert: Das eine ist der selbstkritische Blick nach innen, das andere der sich von jedem Zweifel frei wähnende Blick nach außen.

Aktueller Ausgangspunkt in der Bundesliga waren die symbolischen Aktionen weniger, zudem ausländischer und schwarzer Profis, die sich mit den Protesten nach dem Mord an George Floyd solidarisierten. Was Jadon Sancho, Weston McKennie und Kollegen machten, animierte allerdings zunächst einmal den DFB, zu prüfen, ob er so etwas bestrafen müsse. Dass er das dann doch nicht tat, ist schön, aber als Erkennungszeichen von unbedingtem Antirassismus geht das nicht durch.

Die Profis riskierten also etwas (nicht viel, das sei zugegeben, eine etwaige Strafe lässt sich wegstecken), aber wenn sich nun Spieler und Trainer von Bayern München mit T-Shirts, auf denen „Rot gegen Rassismus #blacklivesmatter“ steht, präsentieren und wenn nun Borussia Dortmund – nachdem andere Klubs wie der FC Liverpool es vorgemacht hatten – für ein Foto seine Spieler niederknien lässt, dann weist das die Merkmale von PR-Kampagnen auf.

Es ist eben ein enormer Unterschied, ob ein Footballprofi wie Colin Kaepernick seine Karriere und Existenz riskiert, wenn er sich während der Hymne niederkniet. Oder ob deutsche Klubs wie Hertha BSC 2017 und Borussia Dortmund 2020 diese Geste fotogen wiederholen.

Es ist ja gar nicht zu verlangen, dass heute aktive Sportler ein ähnliches Risiko wie Kaepernick eingehen. Aber wenigstens der selbstkritische Blick, ob man nicht selbst, als privilegierter Klub in einer weiß geprägten Kultur, irgendetwas mit Rassismus zu tun haben könnte, wäre hilfreich.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Martin Krauss
Jahrgang 1964, Mitarbeiter des taz-Sports schon seit 1989, beschäftigt sich vor allem mit Fußball, Boxen, Sportpolitik, -soziologie und -geschichte
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Es ist zwar schon etwas her...aber



    bei einer Trainingseinheit der Nationalmannschaft im Stadion des FC St PAULI lies man dort vom DFB vorsichtshalber ein Banner gegen Rassismus und Faschismus überdecken..

  • Auch nach mehrmaligem Lesen habe ich die Intention des taz-Artikel-Schreibers nicht verstanden. Ca. 80% der aktuellen NFL-Spieler sind schwarz. Colin Kaepernick geht im Vergleich zu Jerome Boateng vom FC Bayern genau welches erhöhte Risiko ein? Boateng hat sich vor zwei Jahren klar und deutlich zum Thema Umgang mit Mesut Özil in der DFB-Nationalmannschaft geäußert. Was daraus folgte? Gibt es graduelle Abstufungen gegenüber der Personen , die sich gegen Rassismus äußern? Welcher US-Verein als Institution fährt seit x-Jahren solche Kampagnen wie die deutschen Fußballvereine gegen Rassismus, Homophobie, Gewalt?

    • @KOBA:

      Auch nach mehrmaligem Lesen ist mir die Intention ihres Kommentars nicht ganz klar.



      Kaeparnick hat seitdem und bis heute nicht mehr gespielt. Boateng ist nach wie vor aktiver Profi. Von daher kann man schon ein erhöhtes Risiko sehen.



      Es ist super, dass in Deutschland diese PR-Aktionen völlig selbstverständlich durchgeführt werden.Aber tatsächlich hat die Aktion vom FSV nochmal eine besondere Qualität, weil sie konkret eingestehen, dass Rassismus unter ihre Fans ein Problem ist. Das kann man ruhig würdigen.

  • "Der selbstkritische Blick nach innen"

    Ich glaube, das ist die Quintessenz.

    "Ich doch nicht". "Bei uns [Fussballverein, Werbeagentur, Kaninchenzüchterverein] doch nicht". Wer das denkt, sollte nochmal nachdenken. Wer das hört, sollte hellhörig werden.