Anti-Israelische Plakataktion in Berlin: Mordaufruf gegen linke Kneipenwirte kein Einzelfall
In Berlin kursieren anti-israelische „Fahndungsplakate“ gegen Betreiber der linken Schänke „Bajszel“. Kein Einzelfall: Ein weiteres betraf einen taz-Redakteur.

Überschrieben ist das Poster mit der Parole „Make Zionists Afraid“, übersetzt: „Macht Zionisten Angst“. Drei rote Dreiecke zeigen auf die Fotos darunter. Dreiecke, mit denen die islamistische Terrororganisation Hamas und ihre Unterstützer*innen Feinde markieren. Unter den Bildern steht in schwarzer Schrift auf rotem Balken „Wanted“.
Ein auf Deutsch und Englisch verfasster Text enthält unverhohlene Drohungen: „Wer sich während eines Völkermordes auf die Seite der Täter stellt, sollte sich nirgendwo sicher fühlen“, heißt es darin. Die zwei Absätze enden mit dem Satz: „Wir wollen, dass diese drei für immer schweigen und als Warnung für alle Zionisten in Berlin und Neukölln gelten können.“
Das Plakat muss als öffentlicher Aufruf zum Mord verstanden werden.
Weitere Plakate mit Mordaufrufen im gleichen Stil
Nach Informationen der taz ist das Plakat kein Einzelfall. Es steht in einer Reihe mit Mordaufrufen und Billigungen von Morden, die seit Mai 2024 in Berlin öffentlich ausgehängt wurden und miteinander zusammenhängen dürften. Fotos aus dieser Reihe liegen der taz vor. Die Plakate betreffen Menschen aus unterschiedlichen Bereichen und fanden sich in Neukölln, in Berlin-Mitte, in der Nähe der Humboldt-Universität und dem Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum der Uni.
Die Aufmachung der Plakate variiert, aber sie ähneln sich in vielen Punkten: Jeweils wird der volle Name genannt und ein rotes Dreieck über ein Porträt-Foto montiert, mal taucht die Parole „Make Zionists Afraid“ auf, immer die roten Balken und das Wort „Wanted“. Die Schriftart erinnert an Schreibmaschinen-Stil.
Die Texte – mal nüchtern, mal etwas bildhafter formuliert – sind jeweils in Deutsch und Englisch und teils zudem auf Arabisch übersetzt. Der oder die Täter*innen nutzten jeweils graues Gewebe-Klebeband, um die Plakate zu befestigen.
Zielmarkierungen in diesem Stil betrafen nach taz-Informationen unter anderem einen in Berlin aufgewachsenen Sprecher der israelischen Armee und einen Vertreter eines israelischen Rüstungsunternehmens in Deutschland.
taz-Redakteur wurde mit ähnlichem Plakat als Ziel markiert
Auch ein Mordaufruf gegen den taz-Redakteur Nicholas Potter, der im April nahe dem Hauptgebäude der Humboldt-Universität sowie an weiteren Orten entdeckt wurde, folgte dem gleichen Muster. In dem Steckbrief hieß es unter anderem: „Lasst uns denjenigen, die den Völkermord in Palästina ideologisch ermöglichen, keine Sekunde der Sicherheit gönnen.“ Er endete mit der Formulierung: „Sie sind normale Menschen die bluten wie jeder andere auch und sie können erniedrigt und eliminiert werden.“ (sic!).
Fast gleichlautend wurde auch das Plakat zu dem israelischen Rüstungsvertreter beschriftet – mit dem Verweis, dass sich dieser regelmäßig in Berlin aufhalte. Öffentlich bekannt ist der Mann nicht, er tritt selten auf. Wie gerade er in den Fokus der Plakatierer kam, ist unklar.
Anders der Sprecher der israelischen Armee: Er ist regelmäßig in den Medien zu sehen und eine bekannte Figur. Zu ihm heißt es auf dem Plakat, er sei regelmäßig in der Stadt. Ihm müsse man zeigen, „dass der Widerstand keine Grenzen und keine Gnade kennt“.
Mord an Deutsch-Israeli Lischinsky öffentlich begrüßt
Ende Mai 2025 entfernte die Berliner Polizei in Berlin-Mitte mehrere Plakate, die in der Nähe der Uni-Bibliothek Grimm-Zentrum entdeckt wurden. Sie zeigten den 30-jährigen Deutsch-Israeli Yaron Lischinsky. Der Mitarbeiter der israelischen Botschaft in Washington DC war zwei Tage zuvor mit seiner Partnerin Sarah Milgrim bei einem Attentat ermordet worden, wobei der Verdächtige „Free Palestine“ gerufen haben soll.
Auch dieses Plakat in Berlin-Mitte war mit der Parole „Make Zionists Afraid“ überschrieben, zeigte das rote Dreieck über Lischinsky Porträt und führte neben dessen Geburtsjahr auch 2025 als Todesjahr auf.
Und nun die Kneipenwirte des Bajszel.
Laut Betreiber Carstiuc hätten sie bislang sieben solcher Poster in der Nähe der Bar gefunden – mal geklebt, mal als Flyer auf einem Stromkasten. Ein weiteres fand sich in Friedrichshain.
Kneipe „Bajszel“ schon länger Ziel von Angriffen
Dass das Bajszel, seine Betreiber*innen und Gäste Anfeindungen ausgesetzt sind, ist nicht neu. Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 steht die Kneipe im Fokus der anti-israelischen Szene, die sich zunehmend radikalisiert hat und in Neukölln besonders aktiv ist. Die „Programmschänke“ Bajszel gehört zum Spektrum der gesellschaftlichen Linken und positioniert sich öffentlich „Gegen jeden Antisemitismus“, also auch gegen jenen innerhalb der linken Szene. Aufkleber in der Kneipe fordern die Freilassung der israelischen Geiseln der Hamas.
Das Veranstaltungsprogramm ist dezidiert, aber dreht sich keineswegs nur um den Nahen Osten. Am Donnerstagabend stellte die Neuköllner Integrationsbeauftragte Güner Balci hier ihre Autobiografie vor, im September wurde über Klimawandel und Gesellschaftskritik diskutiert, der Schauspieler Robert Stadlober las Kurt Tucholsky und der Berliner Holocaustüberlebende Horst Selbiger erzählte am vergangenen Montag aus seinem Leben.
Bereits seit Monaten fanden all diese Veranstaltungen unter Polizeischutz statt. Seit April bewacht ein Streifenwagen die Kneipe rund um die Uhr. In den sechs Monaten davor war die Polizei ab und zu vor Ort, nachdem Unbekannte im September 2024 versucht hatten, einen Brandanschlag auf die Kneipe zu verüben und die Scheibe einzuschlagen, während ein Betreiber und Gäste noch anwesend waren.
Bereits kurz nach dem Terrorangriff des 7. Oktober 2023 war es zu Angriffen gekommen. Mitarbeiter*innen und Gäste wurden bedroht, die Außenwand mit den roten Dreiecken besprüht und mehrfach die Scheibe eingeworfen.
Staatsschutz der Berliner Polizei ermittelt
Eine Sprecherin der Berliner Polizei bestätigte der taz, dass wegen der Plakate gegen die Bajszel-Betreiber*innen der Staatsschutz ermittele. Ob ein Zusammenhang auch zu den anderen Plakaten gesehen wird und bereits Tatverdächtige dafür ermittelt wurden, ließ die Sprecherin offen. Wegen der laufenden Ermittlungen könne sie dazu keine Angaben machen.
Zu dem Plakat, das den Mord an dem Deutsch-Israeli Yaron Lischinsky billige, ermittelt die Polizei wegen des Verdachts der Billigung von Straftaten und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen.
Laut Berliner Generalstaatsanwaltschaft wird im Fall des taz-Redakteurs Nicholas Potter wegen Verleumdung ermittelt. Das aber bezieht sich auf Sticker und Internetpostings, mit denen Potter bereits vor den Plakaten wegen seiner Berichterstattung zu Nahost beschimpft und bedroht wurde. Ob und wie die Generalstaatsanwaltschaft zu den Plakaten ermittelt, ließ ein Sprecher zunächst offen.
Die aktuellen Mordaufrufe fallen in eine Zeit, in der die Stimmung besonders in der Hauptstadt ohnehin aufgeheizt ist. Erst am Mittwoch nahm die Polizei in Berlin drei mutmaßliche Hamas-Anhänger fest, die in Deutschland Anschläge auf jüdische und israelische Einrichtungen geplant haben sollen. Sie wurden bei einer Waffenübergabe in der Turmstraße in Moabit überwältigt. Sichergestellt wurden 300 Patronen und ein Sturmgewehr.
Bajszel-Betreiber Carstiuc und seine Geschäftspartner*innen besorgt das Plakat, sie fühlen sie sich aber nicht alleingelassen. „Wir bekommen zahlreiche Anfragen und Solidaritätsbekundungen“, sagte er der taz.
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