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Anti-Corona-Demos in BerlinAlles andere als harmlos

Barbara Junge
Kommentar von Barbara Junge

Haben Rechte die Coronaproteste gekapert? Nein: Protestierende, die sich zum Volk erklären, sind ebenso antidemokratisch gesinnt.

Coronaproteste sind problemlos anschlussfähig für Rechtsextremisten Foto: Michael Kappeler/dpa

N azis denken nicht, sie seien Demokrat.innen. Das unterscheidet sie von denjenigen, die sich zwar im Nachhinein von ihnen verbal distanzieren, am Samstag aber keine Schwierigkeiten hatten, mit ihnen zusammen zu marschieren. Mit Regenbogenfahnen, Schweigeminuten für den inneren wie äußeren Frieden und Hare-Krishna-Gesängen bejubelten Zigtausende Menschen in Berlin bei den Protesten gegen die Coronamaßnahmen die Forderung des Veranstalters, die Verfassung in ihre Hände zu geben – im Namen der Demokratie.

Rechtsextremisten und Reichsbürger, mehrheitlich waren es doch männliche Fahnenträger, haben ihre Propagandabilder bekommen. Sie kapern das Symbol der Demokratie. Das hielt zwar nur wenige Minuten lang an. Sie sind und bleiben aber eine existenzielle Gefahr für Menschen anderer Hautfarbe, mit anderen Gesichtszügen, anderen Lebensentwürfen oder auch mit anderer Gesinnung als sie selbst. Die Coronaproteste haben indes auch noch eine anders gelagerte Gefahr in buntesten Farben illustriert.

Die Rechten hätten die Coronaproteste gekapert, wird allseits beklagt. Nein, das ist nicht wahr. Die Coronaproteste sind problemlos anschlussfähig für Rechtsextremisten von der AfD über Identitäre bis zu am Samstag fröhlich flanierende schlagbereite Neonazi-Gruppen, weil sie zutiefst antidemokratisch sind. Wer den Begriff Demokratie im Mund führt und meint, die Protestierenden, seien es auch mehrere Zehntausend Menschen, könnten zur, „Verfassunggebenden Versammlung“ ausgerufen werden, erklärt sich selbst zum Volk. Hier deckt sich der Anspruch mit dem der extremen Rechten, die mit ebendieser Verführung auftreten. Wer die Regierung mit diesem Anspruch zum Abdanken auffordert, akzeptiert nicht, dass moderne Demokratien auf Wahlen beruhen.

Es gibt sicher viele gute Gründe, gegen die Coronaschutzmaßnahmen zu protestieren. Nicht jede.r muss diese teilen. Mit der Ausrichtung der Proteste vom Samstag wird jedoch anti­demokratisches Denken gesellschaftsfähig gemacht.

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Barbara Junge
Chefredakteurin
taz-Chefredakteurin, Initiatorin der taz-Klima-Offensive und des taz Klimahubs. Ehemals US-Korrespondentin des Tagesspiegel in Washington.
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17 Kommentare

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  • So einfach kann man das alles nicht einordnen, wenn zum Sturm auf den Reichstag rechtsextreme Heilpraktiker/Innen mit Rastalocken aufrufen.

  • 0G
    03096 (Profil gelöscht)

    Aber mann sitzt doch auch Seit an Seit mit Faschisten im B-tag und sommerinterviewt sie in den ÖR - so hat jeder seine eigene Sicht, wo die Toleranz endet - und manche haben da eben mehr und subtilere Möglichkeiten, das zu steuern.

  • Ich denke, dass diese Einstellungen weit verbreitet sind und die Protestler nur die Spitze des Eisbergs, egal aus welcher Ecke diese kommen.



    Auch hier bleibt die Frage, wie lange noch den Antidemokraten die Demokratie überlassen werden soll?

  • Die Rechten hätten die Coronaproteste gekapert, wird allseits beklagt. Nein, das ist nicht wahr. Die Coronaproteste sind problemlos anschlussfähig für Rechtsextremisten von der AfD über Identitäre bis zu am Samstag fröhlich flanierende schlagbereite Neonazi-Gruppen, weil sie zutiefst antidemokratisch sind.



    #



    Bis hierhin stimmt es, aber die Frage nach dem WARUM bliebt offen.



    Und DA gibt es eine Gemeinsamkeit die wohl mehr verbindet als trennt!



    Eingeschränktes Denkvermögen & logigische Diarrhö sind mMn. gravierende Merkmale ALLER Gruppen die sich an diesem überflüssigen Klamauk beteiligen!!



    Gr Sikasuu



    Ps. Die da Oben beschränken unsere Rechte! Ja Corona für Alle wäre angesagt! :-)

  • 0G
    06184 (Profil gelöscht)

    Deutschland, Deutschland alles ist vorbei. Was bleibt noch für die kritischen Geister die an der nicht endenwollenden bleiernen Politik verzweifeln und gegenüber den Repräsentanten dieser Demokratie ihr übriges Restvertauen verlieren und denen andererseits bei diesem selbernannten Volk Angst und Bange wird. Als hätten sich beide Seiten verschworen jedes zarte Pflänzchen der Hoffnung auf Änderung zu zertreten. Ebenso wie nach der Solidarität im Sommer 2015 versank sie auch diesmal schnell in einer ekligen toxischen Brühe. Nix gelernt. Es wird lieber viel Lärm um nichts gemacht. Schade, dass diejenigen, die Hoffnung versprechen immer wieder so schnell aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwinden. Diese repräsentative Demokratie ist nicht das Bollwerk gegen menschenfeindliche Bewegungen. Dazu bedingen sie sich zu sehr gegenseitig. Zwei Seiten einer Münze. Die Scham nichts zur Veränderung beitragen zu können wird mit gegenseitigen Ressentiments kaschiert. So spielen sich diejenigen, die priviligiert am "Weiter So" festhalten und daran partizipieren, die Bälle zu. Armes Deutschland. Bleibt nur der kümmerliche Trost, dass es woanders noch schlimmer ist.

  • Das hat unsere Justiz verbockt....



    Aber wenigstens hat man ausnahmsweise mal im Hause Willi Geiger nen lichten Moment gehabt:



    www.welt.de/politi...n-Protestcamp.html

    • @Günter:

      Na Mahlzeit



      &



      NaNaNá - Wer hat ehna denn hück die Petersilie verhagelt?

      “Justiz verbockt“ - “Haus Willi Geiger“

      kurz - Soviel unbeleckt unbedarftes ist selten.



      Gute Besserung.

      unterm—etwas aus der Zeit gefallen?wa



      de.wikipedia.org/w...i_Geiger_(Richter)



      & Däh! den Unbestechlichen dazu -



      kramerwf.de/Willi-Geiger.329.0.html (Danke Helmut;)

      • @Lowandorder:

        Prima, danke!



        Kannte ich noch nicht!



        By the way.....



        Schau er doch mal Da, da, "Provokation..........."



        deutschunterlagen....okationsmittel.pdf

        • @Günter:

          Liggers. Kannte ich noch nicht.

          Aber wer den Menschenzüchter & SteuernsindRaub exProf Slotij zitiert - macht sich arg verdächtig - 😱 -

          kurz - “ Ach ja - Da Da DaDaa - “



          Der Verbindungsstudent vorm Goethe-Denkmal.



          Normal.

          • @Lowandorder:

            Oh ja stimmt....habs auf Wikipedia nachgelesen.....erwischt....

  • richtig...

    Proteste sind eine Sache und das gute Recht von Demokraten, aber sich über die bei uns relativ gut funktionierenden demokratischen Prozesse zu stellen und sich zudem zum ganzen Volk zu erklären, ist arrogant und anmaßend und auch gefährlich.



    Ein Teil gibt ja auch offen zu, etwas gegen unsere Demokratie also Ganzes zu haben.

    Ein Problem ergibt sich allerdings, wenn z.B. in den USA der Demokratie wesentliche Mechanismen fehlen, hauptsächlich auf dem Gebiet der Gewaltenteilung, wenn z.B. der Präsident (der dort regiert) seine kriminellen Helfer begnadigen kann (hier sind Regierung und Präsident getrennt). Oder wenn er dort Richter ernennen kann, die eine Wahl für ungültig erklären können. Aber z.B. auch hier, wenn die Abgeordneten ihren Lohn selbst festlegen können.

    Wenn es niemanden zu wählen gibt, der eine Alternative bietet, oder wenn das Wahlsystem selbst ungerecht funktioniert, könnte es nötig sein, sich gegen das aktuelle demokratischen System zu stellen.

    Dazu wäre aber mindestens eine erkennbare Mehrheit in der Bevölkerung nötig, selbst wenn sie durch das Wahlsystem nicht zum Tragen kommt. Ein besserer mehrheitsfähiger Vorschlag wäre außerdem notwendig.



    Keiner dieser Protestler vertritt auch nur ansatzweise etwas, das in der Breite der Bevölkerung akzeptiert wird.

    Allgemein zeichnet sich vieles durch Ignoranz, Lügen, Sturheit usw. aus. Bei Diskussionen kommt so gut wie immer der Punkt, wo ihnen die Argumente versiegen und durch Dogma ersetzt werden. Oder man dreht sich im Kreis.

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    Die Moderation

  • Es war und ist ein wirklich trauriger Haufen. Null Argumente aber viel geifer......

  • Wer ist eigentlich das Volk?

    Zitat: „Protestierende, die sich zum Volk erklären, sind ebenso antidemokratisch gesinnt.“

    Das erklären Sie mal den Veteranen der Herbstunruhen 1989...

  • "Wer die Regierung mit diesem Anspruch zum Abdanken auffordert, akzeptiert nicht, dass moderne Demokratien auf Wahlen beruhen."

    Dies muss ein Demokrat nicht akzeptieren. Man kann auch eine moderne Demokratie mit mehr Volksentscheiden schaffen (siehe Schweiz).

    Nein, diese Leute akzeptieren nicht, dass sie, nur weil sie 10.000 (wegen mir auch 100.000 oder 1.000.000) sind, die laut krakelen, immer noch eine Minderheit bei 80.000.000 Einwohnern sind. Das macht ganze 0,0125 % (0,125 oder 1,25%) aus und sind damit nicht besonders gewichtig. Natürlich ist mir bei den Zahlen bewusst, dass es noch eine Vielzahl an Sympatisanten gibt, die alle nicht bei der Demo waren. Aber die sind aktuell immer noch eine Minderheit, wenn man sich anschaut, dass die Regierung, die ja die Maßnahmen zu verantworten hat, höhere Zustimmungswerte hat als vor der Krise.

    • @Strolch:

      Auch in der Schweiz werden Politiker gewählt und Regierungen gehen damit aus Wahlen hervor.

      Volksentscheide dienen nur zur Entscheidung von Sachfragen (nicht Personalfragen)

  • Man demonstriert nicht Seit' an Seit' mit Faschisten - dort endet aus meiner Sicht die Toleranz der Demokraten...