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Anklage zum Tiergartenmord in BerlinMaas droht Russland

Der Generalbundesanwalt wirft der russischen Regierung vor, hinter dem Mord an einem Georgier in Berlin zu stecken. Eine diplomatische Krise droht.

Beamte der Spurensicherung im Tiergarten nach dem Mord am 23. August 2019 Foto: Paul Zinken/dpa

Karlsruhe/Wien dpa/afp | Nach dem Mord an einem Georgier in Berlin wirft der Generalbundesanwalt der russischen Regierung in seiner Anklageschrift einen Auftragsmord vor. Staatliche Stellen der Zentralregierung der Russischen Föderation hätten dem Angeklagten Vadim K. alias Vadim S. den Auftrag erteilt, Tornike K. „zu liquidieren“, erklärte die Bundesanwaltschaft am Donnerstag in Karlsruhe. K. war im August 2019 im Kleinen Tiergarten erschossen worden.

Nach der Anklageerhebung hat Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) Russland inzwischen mit weiteren Strafmaßnahmen gedroht. „Die Bundesregierung behält sich weitere Maßnahmen in diesem Fall ausdrücklich vor“, sagte Maas am Donnerstag in Wien.

Maas sagte, der russische Botschafter sei am Donnerstag wegen des Falls in das Auswärtige Amt „eingeladen“ worden. Der SPD-Politiker sprach von einem „außerordentlich schwerwiegenden Vorgang“. Es sei „unabdingbar“, dass er nun gerichtlich aufgeklärt werde. Maas wies darauf hin, dass bereits bei der Aufnahme der Ermittlungen zwei russische Diplomaten des Landes verwiesen worden seien.

Am 23. August 2019 war ein 40 Jahre alter Tschetschene mit georgischer Staatsangehörigkeit im Kleinen Tiergarten in Berlin von einem Fahrrad aus mit Schüssen in Kopf und Rücken niedergestreckt worden. Der tatverdächtige Russe war noch am Tag des Attentats gefasst worden. Zeugen hatten beobachtet, wie er eine Perücke sowie ein Fahrrad und eine Waffe in der Spree versenkte. Der Mann sitzt seitdem in Untersuchungshaft.

Diplomatische Verwerfungen

Der mutmaßliche Auftragsmord hatte erhebliche diplomatische Verwerfungen zwischen Deutschland und Russland ausgelöst. Wegen angeblich fehlender Bereitschaft Russlands, bei der Aufklärung der Tat zu helfen, hatte die Bundesregierung zwei russische Diplomaten ausgewiesen. Moskau hatte mit der Ausweisung zweier deutscher Diplomaten reagiert.

In einer Antwort des Bundesjustizministeriums auf eine Anfrage der Linken hatte es Anfang Juni geheißen, dass zwei Rechtshilfeersuchen der Berliner Staatsanwaltschaft vom Dezember 2019 „von der Russischen Föderation bislang inhaltlich nicht beantwortet“ worden seien. Medienberichten zufolge soll der mutmaßliche Attentäter enge Kontakte zum russischen Inlandsgeheimdienst FSB gehabt haben.

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23 Kommentare

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  • Ich habe lange Zeit in Düsseldorf gelebt, Einiges über das Gebäude der "Witwe Wilhelm" gehört und beobachtet, wie unsere Geheimdienste durch Wegsehen glänzen, wenn es um die mörderischen Interessen einer anderen Macht geht. Demokratisch, wie wir sind, ist es immerhin zu einem Untersuchungsausschuss gekommen, der nur rein theoretisch ein wenig an den Hintergründen kratzen könnte. Gemordet wird dafür nicht mehr. Eine US-Schmiermittelfirma wird lediglich mit Sand beworfen, bis mit Amthor alles im Sande verlaufen ist.



    Also, vorbildlich ist die russische Geschichte in Bezug auf Morde auch nicht gerade. So nebenbei.

  • "Mal ganz abgesehen davon, dass dieser "what aboutism" das Vorgehen des FSB kein bisschen besser macht."

    Das ist stets ein Scheinargument, das eine unbeliebte Aussage entkräften soll.



    Drohnenmorde, z.B. durch Obama, sind für mich auch und gerade wegen der hohen Zahl ziviler Opfer noch schlimmer als diese widerwärtigen Auftragskillermorde.

    www.faz.net/aktuel...tzen-14320818.html

    • @Rolf B.:

      Whataboutism ist eine der Standardtaktiken von russischen Trollfarmen und Bots. Aber das wissen Sie ja sicherlich. Ist immer einfach, Vorwürfe zu relativieren und auf Probleme bei anderen hinzuweisen. Wenn wir über A reden, brauchen Sie nicht B Vorwürfe machen, selbst wenn diese ihre Berechtigung haben. Das ist hier einfach nicht Thema. Beim Holocaust sehen Sie das bestimmt auch so, oder reden Sie in Gesprächen darüber stattdessen über den Genozid an den Armeniern oder amerikanischen Ureinwohnern?

      • @Devil's Advocate:

        Ich denke, was Whataboutism betrifft, haben Sie eine sehr enge Sichtweise, wenn Sie feststellen, dass das nur bei den Russen eine bevorzugte Strategie ist.

        Im Übrigen finde ich es anmaßend, wenn Sie mir Ratschläge geben wollen, wie ich zu argumentieren habe.

        Ich bleibe dabei: Morde in Regierungsauftrag, ob per Killerkommando oder per Drohne, finde ich abscheulich.

        Im Übrigen habe ich noch nie von einem deutschen Außenminister gehört, dass er Drohnenmorde verurteilt. Allerdings erinnere ich noch die Empörung und Vorverurteilung der Giftattacken in GB, wo das Außenministerium sofort wusste, wer die Übeltäter waren und scharfe Sanktionen forderte. Tausende zivile Opfer durch US Drohnen blieben stets unerwähnt.



        Und das ist jetzt Whataboutism, weil ich feststelle, dass wie immer mit zweierlei Maß gemessen wird?

    • @Rolf B.:

      Das mag Ihnen total verrückt vorkommen, aber Drohnenangriffe im Jemen betreffen die territoriale Souveränität Deutschlands überhaupt nicht.

      Wenn angefangen wird, hier Leute zu eliminieren, dann ist das etwas völlig anders, denn dagegen können wir vorgehen.

      Nicht alles was hinkt ist ein Vergleich...

      • @Sven Günther:

        Ich hoffe, dass es Ihnen nicht so verrückt vorkommt, wenn ich Auftragsmorde von Regierungen, ob per Killerkommando oder per Drohne, als barbarisch betrachte.



        Wenn eine Regierung in Form des Außenministers offensichtlich unterscheidet zwischen bösen Killern und guten Killern, dann hinkt in meinen Augen nicht der Vergleich, denn Völkerrecht ist unteilbar.

        • @Rolf B.:

          Finden Sie es denn nun in jedem Fall schlimm, also auch, wenn Russland mordet, oder erst dann, wenn alle anderen es auch bei den USA schlimm finden? Also ist das Völkerrecht nun für Sie gleich und empört Sie jeder Verstoß dagegen, oder nicht?

          • @Suryo:

            Meine Beiträge beantworten Ihre Frage sehr eindeutig.

            • @Rolf B.:

              Ja. Sie sind eindeutig einseitig pro-Russisch und antiwestlich. Die Heuchelei, die Sie dem Westen vorwerfen, praktizieren Sie genau dadurch selber.

              • @Suryo:

                Sie geben sich mit derart einfältigen Unterstellungen zufrieden?

                • @Rolf B.:

                  Wie Sie selbst sagen: Ihre Kommentare sprechen für sich. Und zwar sehr deutlich.

  • Zitat:



    Der tatverdächtige Russe war noch am Tag des Attentats gefasst worden. Zeugen hatten beobachtet, wie er eine Perücke sowie ein Fahrrad und eine Waffe in der Spree versenkte. Der Mann sitzt seitdem in Untersuchungshaft.

    Die Handschrift eines KGB-Geheimdienst-Profis!



    …war der Putin nicht früher Geheimdienstchef?

  • Also ehrlich, ein Attentäter der mit dem Fahhrad flieht und am hellichten Tag selbiges sowie eine Perrücke und eine Waffe in die Spree schmeisst und sich dabei beobachten lässt, soll vom russischen Geheimdienst geschickt worden sein?? Das sind doch echte Profis, so eine Farce würden die niemals abziehen. Genauso absurd ist es, wenn ein Leichtmatrose Maas Russland droht. Womit denn? Merken die deutschen Stellen nicht, dass sie sich hier eher lächerlich machen?

    • @Gerald Müller:

      Die Offenkundigkeit der russischen Täterschaft ist an sich eine Botschaft. Erstens an die potentiellen Opfer: seit her, wir kriegen Euch, egal, wohin ihr flieht. Zweitens an Deutschland bzw. den Westen: Seit her, wir morden mitten am Tag in Euren Städten, und ihr könnt nichts dagegen tun.

    • @Gerald Müller:

      Noch nie etwas von Skripal gehört oder gelesen??

  • Warum verurteilt die Bundesregierung nicht alle Auftragsmorde gleichermaßen?

    [...]

    Maas wird als Transatlantiker immer dann zum Verteidiger des Rechts, wenn es gegen Russland geht. Das wäre auch weiterhin in Ordnung, wenn nicht der Eindruck entstehen würde, dass auch er unterscheidet zwischen guten Mördern und bösen Mördern. Glaubwürdig ist das nicht. Kein Wunder, dass das russische Außenministerium ihn nicht ernst nimmt.

    Dieser Kommentar wurde gekürzt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette. Die Moderation

    • @Rolf B.:

      Ob Putin nicht langsam zu Obama auf- und ihn überholt hat? Wieviele Zivilisten starben und sterben nochmal durch russische Bomben in Syrien?

    • @Rolf B.:

      W A R U M ?



      …ich glaube das werden wir NIE erfahren!

    • @Rolf B.:

      Die Analogie würde aber nur dann stimmen, wenn die USA ihre Drohnen nicht nur über Deutschland steuern, sondern sie auch über deutschem Territorium einsetzen würden. Täten sie dies wäre ein diplomatischer Konflikt garantiert.

    • @Rolf B.:

      Nun ja, der Vergleich hinkt etwas. Für die diplomatische Beurteilung des Falls spielt es ja durchaus eine Rolle, wo - das heißt auf welchem Staatsgebiet - der mutmaßliche Mord stattgefunden hat. Sollte es sich also wirklich um einen Auftragsmord handeln, so kann man davon ausgehen, dass Berlin als Tatort auch eine Signalwirkung haben soll: Der Aufenthalt in Deutschland, Großbritanien usw. schützt euch nicht vor dem russischen Staat. Das ist natürlich eine Souveränitätsverletzung, zugleich werden dadurch politische Einflusssphären markiert. Das kann einem Außenminister nicht egal sein. Auch kann man davon ausgehen, dass Maas weiß, dass es womöglich die Bevölkerung beunruhigt, wenn auf offener Straße Menschen erschossen werden usw. usf.

      Das ist keine Verteidigung von Maas oder Obamas Drohneneinsatz, aber diese Aspekte spielen in der Reaktion von Maas natürlich auch eine Rolle. Diese bloß als Handlung eines Transatlantikers darzustellen, wird der Komplexität der Sache nicht gerecht. Mal ganz abgesehen davon, dass dieser "what aboutism" das Vorgehen des FSB kein bisschen besser macht.

    • @Rolf B.:

      „Obama war z.B. der bisher größte Auftragsmörder, er hat fast täglich per Drohne Menschen umbringen lassen“



      Kennen Sie Zahlen? Ich nicht, jedenfalls nicht, was Obama betrifft. Von Trump ist bekannt, dass er den Iranischen Geheimdienstmann per Drohne umbringen ließ. Das hat die Bundesregierung meines Wissens kritisiert.



      Eine andere Sache ist der im Beitrag benannte Auftragsmord, der nicht irgendwo auf der Welt und mit Drohne stattfand, sondern in Deutschland und durch einen vermutlichen Auftragskiller, der jetzt vor Gericht kommt. In diesem Fall ist die Bundesregierung von Amts wegen zuständig, wenn das Herkunftsland dieses Mannes, Russland, nicht bei der Aufklärung mitwirken will.

      • @Pfanni:

        "Kennen Sie Zahlen?"

        Das kann jeder googeln.

        Hier ein Beispiel:



        www.faz.net/aktuel...tzen-14320818.html

        Ob ein Land einen Auftragskiller schickt oder per Drohne mordet ist juristisch betrachtet Mord.

    • @Rolf B.:

      Es geht hier weniger um Moral als um die territoriale Souveränität. Wenn die USA auf deutschem Gebiet ohne Billigung der Bundesregierung Auftagsmorde ausführen ließe würde das sicherlich auch zu schwerwiergenden diplomatischen Verwerfungen führen.