Anklage wegen Budapest-Angriffen: Vorwurf versuchter Mord
Eine Nürnbergerin soll mit Autonomen in Budapest Neonazis überfallen haben. Die nun erhobene Anklage kritisiert ihr Anwalt als „überdreht“.
Berlin taz | Die Bundesanwaltschaft hängt ihre Vorwürfe hoch: Die oberste Ermittlungsbehörde wirft der Nürnbergerin Hanna S. versuchten Mord und Mitgliedschaft in einer linksextremistischen kriminellen Vereinigung vor. Die 29-Jährige soll sich mit anderen Autonomen im Februar 2023 an schweren Angriffen auf Rechtsextreme in Budapest beteiligt haben. Mehrere deutsche Linke werden seitdem von ungarischen und deutschen Sicherheitsbehörden gesucht und sind untergetaucht.
Hanna S. war Anfang Mai in Nürnberg festgenommen worden. Sie war zuvor nicht abgetaucht, sondern offen ihrem Kunststudium und ihrer Arbeit nachgegangen. Nach taz-Informationen war sie kurz vor ihrer Festnahme sogar noch einer Zeugenladung bei der Polizei gefolgt.
Die Bundesanwaltschaft wirft der Gruppe um Hanna S. in Budapest fünf schwere Angriffe auf Personen vor, die sie als Rechtsextremisten ausgemacht hätten. An dem Februar-Wochenende hatten sich Neonazis aus ganz Europa in Budapest zu einem „Tag der Ehre“ versammelt und dort die Wehrmacht und Waffen SS verherrlicht.
Hanna S. selbst soll sich laut Anklage an zwei Angriffen auf drei Personen beteiligt haben. Die Opfer seien mit Schlagstöcken und einem Hammer verprügelt worden, mit gezielten Schlägen auch gegen Kopf und Oberkörper. In einem Fall habe ein Angegriffener erhebliche Kopfwunden erlitten, die zum Tode hätten führen können, so die Anklage. Im zweiten Fall, einen Tag später, habe ein Opfer mindestens 15 Schläge überwiegend gegen den Kopf erlitten, auch der zweite Betroffene mehrere Schläge. Auch diese beiden Männer hätten mehrere Kopfplatzwunden erlitten. Einen der Angriffe wertet die Bundesanwaltschaft als versuchen Mord, den anderen als gefährliche Körperverletzung.
Anwalt kritisiert Anklage als „überdreht“
Die Anklage wurde bereits am 20. September erhoben, aber erst jetzt von der Bundesanwaltschaft öffentlich gemacht. Der Prozess soll vor dem Oberlandesgericht München geführt werden, das nun über die Zulassung der Anklage entscheidet. Hanna S. soll sich zu den Vorwürfen bisher nicht geäußert haben.
Yunus Ziyal, Anwalt von Hanna S., kritisierte die Anklage scharf. Der Vorwurf des versuchten Mordes sei „überdreht“, die Bundesanwaltschaft wolle das Verfahren „eskalieren“. Ziyal verwies darauf, dass der Bundesgerichtshof beim Haftbefehl gegen Hanna S., und auch in einem Parallelverfahren gegen die nonbinäre Person Maja T., den Vorwurf des versuchten Mordes zurückgewiesen hatte. Verhängt wurde der Haftbefehl stattdessen wegen gefährlicher Körperverletzungen und Bildung einer kriminellen Vereinigung.
Ziyal sagte, es wirke, als habe die Bundesanwaltschaft keine nüchterne juristische Prüfung verfolgt, sondern „übergeordnete Ziele“. Offenbar sei der Vorwurf des versuchten Mordes auch ein Signal an die Untergetauchten – denn dieser Vorwurf verjährt nicht.
Bisher kein Auslieferungsersuchen Ungarns
Laut Ziyal und auch eines Sprechers des Oberlandesgerichts gab es im Fall Hanna S. bisher kein Auslieferungsersuchen Ungarns. Anders war es zuletzt im Fall Maja T. Die nonbinäre Person gehörte ebenso zu den Gesuchten nach den Budapesten-Angriffen und war bereits im Dezember 2023 in Berlin festgenommen worden. Zuletzt wurde Maja T. unter fragwürdigen Bedingungen nach Ungarn ausgeliefert. Der Thüringer*in droht nun eine langjährige Haftstrafe, der Prozess soll in Budapest geführt werden.
Erst Ende September hatten Angehörige von Maja T. und weiteren Untergetauchten im Thüringer Jena gegen die drohenden Auslieferungen nach Ungarn demonstriert – und für eine Zurückholung von Maja T. nach Deutschland. Auch gegen die Festnahme von Hanna S. hatten linke Unterstützer*innen protestiert.
Schon zuvor hatten die anderen Untergetauchten über ihre Anwält*innen erklärt, sie würden sich stellen, wenn eine Nichtauslieferung nach Ungarn garantiert würde. Darauf ging die Bundesanwaltschaft bisher nicht ein.
Leser*innenkommentare
Hans aus Jena
Dürfen wir trotzdem davon ausgehen, dass der Verfasser körperliche Angriffe mit Hammer und Schlagstöcken, die zu zu schweren Kopfverletzungen führen, nicht als geeignete und angemessene Methoden zur Auseinandersetzung auch mit Rechtextremen betrachtet?