Angst vor Coronamutation: Dänemark tötet 17 Millionen Nerze
Der gesamte Bestand wird gekeult, damit sich keine mutierte Form des Coronavirus verbreitet. Experten warnen vor „weltweiter Gefahr“.
Diese Entscheidung der dänischen Regierung begründete Ministerpräsidentin Mette Frederiksen am Mittwochnachmittag auf einer Pressekonferenz, mit „möglichen äußerst negativen Konsequenzen für den Verlauf der Pandemie nicht nur in Dänemark, sondern weltweit“: „Wir haben Verantwortung für den Rest der Welt“, sagte die Regierungschefin, die wegen eigener Corona-Quarantäne lediglich virtuell an dem Briefing teilnahm. Ein Szenario sei denkbar, „bei dem wir eine Pandemie bekommen, die in Dänemark ihren Ausgang nimmt“, fürchtet Kåre Mølbak, Direktor des Serum-Instituts.
Zwar seien Mutationen ganz natürlich, auch Sars-CoV-2 sei bereits mehrfach mutiert, erläuterte Mølbak: „Aber beim Überspringen der Viren von Tieren auf Menschen, also wenn diese in ein anderes biologisches System gelangen, entstehen spezielle Mutationen.“ Bei „Cluster 5“ liege die spezielle Mutation genau in dem Teil von Sars-CoV-2, auf den die meisten Impfstoffe abzielen. Diese Befürchtung habe man seit September gehabt, so Mølbak, nun habe man den Labornachweis.
Die Folge: Antikörpertherapien wie Impfungen könnten dann nicht mehr anschlagen. „Deren Schlüssel passt dann nicht mehr ins Schloss“, sagt der Immunologie-Professor Jan Pravsgaard Christensen. Hans Jørn Kolmos, Professor für klinische Mikrobiologie, warnt für diesen Fall vor dramatischen Konsequenzen: „Wir könnten eine Pandemie in der Dimension der Spanischen Grippe bekommen.“
WHO über die Situation informiert
Die Notwendigkeit, alle Nerze zu töten, um diese Entwicklung zu stoppen, müsse man überhaupt nicht erst diskutieren: „Wir stehen nicht vor einer lokalen oder nationalen, sondern vor einer internationalen Herausforderung.“ Die Weltgesundheitsorganisation WHO sei über die Situation informiert.
Neben dem Tötungsbeschluss ordnete die Regierung in Kopenhagen am Donnerstag auch spezielle Restriktionen für die Region Nordjütland an, in der die infizierten Farmen liegen. Die dort lebenden rund 300.000 BewohnerInnen werden aufgefordert, in den kommenden vier Wochen möglichst nicht über die Gemeindegrenzen hinauszureisen, alle Cafés, Restaurants und Kneipen werden geschlossen, öffentliche Veranstaltungen abgesagt, Schulen und Kitas sollen aber offen bleiben.
Außerdem werden alle EinwohnerInnen aufgefordert, sich auf die spezielle Mutation testen zu lassen. Die Gesundheitsbehörde befürchtet, dass die Hälfte der Corona-Infizierten in dieser Region mit Nerz-Mutationen infiziert sein könnte, rund ein Zehntel von ihnen mit der Variante „Cluster 5“. Und gelinge es nicht, die Mutation hier zu stoppen, könne Nordjütland so etwas wie ein zweites Wuhan werden, warnt Mølbak.
Zuchttiere bleiben nicht verschont
Nachdem Dänemark vor zwei Wochen in einem ersten Anlauf versucht hatte, die Ausbreitung des Coronavirus zwischen den Nerzfarmen zu stoppen und dafür die Tötung von 4 Millionen Tieren angeordnet hatte, wird die jetzige Radikalmaßnahme nach Einschätzung von Landwirtschaftsminister Mogens Jensen die Nerzwirtschaft für Jahre zum Erliegen bringen.
Zuchttiere, mit denen ein Bestand neu aufgebaut werden könnte, bleiben nämlich nicht verschont: „Auch sie stellen ein Risiko dar“, sagte Jensen. Von einer „Katastrophe“ spricht Tage Pedersen, Vorsitzender der dänischen Nerzzüchtervereinigung: „De facto bedeutet das eine Liquidation der dänischen Pelztierwirtschaft.“
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