Angriffe auf Andersdenkende: Wenn die AfD zur Gewalt greift
Opferverbände klagen über vermehrte Angriffe durch AfD-Kommunalpolitiker. Die Entwicklung sei „besorgniserregend“.
Laut dem Dachverband der Beratungsstellen für Betroffene rechter Gewalt (VBRG) ist der Übergriff kein Einzelfall. In einer Übersicht, die der taz vorliegt, warnt der Verband, dass sich Angriffe durch AfD-Politiker:innen inzwischen „besorgniserregend“ häuften. Eine konkrete Zahl wird nicht genannt, aber mehrere drastische Beispielfälle sind aufgelistet. Keine andere Partei habe „ein derartig großes Potenzial an rechten Gewalttätern in den eigenen Reihen wie die AfD“, warnt der Verband.
Offizielle Polizeizahlen zu dieser Frage existieren nicht. Die Parteizugehörigkeit von Tatverdächtigen wird in der Kriminalstatistik grundsätzlich nicht erfasst, sagte ein BKA-Sprecher der taz.
Beleidigt, geschlagen, gebissen
Die Opferberatungsstellen aber verweisen etwa auf den Berliner AfD-Bezirksverordneten Kai Borrmann, der eine Musikjournalistin beleidigt, geschlagen und gebissen hatte und zu einer Geldstrafe von 10.800 Euro verurteilt wurde. Oder auf den früheren Brandenburger AfD-Kreistagsabgeordneten Marcel Donsch, der 2015 mit drei Komplizen in Selbstjustiz einen Mann gefesselt, verprügelt und in einem Wald ausgesetzt haben soll, weil dieser Frauen drangsaliert habe.
In Freiburg wiederum hatte der frühere AfD-Gemeinderatskandidat Robert H. zwei Jugendliche mit Reizgas attackiert, als diese ihn einen „Fascho“ nannten. Als ein älteres Ehepaar dazwischenging, wurde auch dieses besprüht, dem Mann stach H. ein Messer in die Brust. Für den Pfeffersprayangriff wurde der AfD-Mann verurteilt, den Messerstich wertete das Gericht als Notwehr.
Der Paderborner AfD-Mann Mirko F. schlug 2021 die Linken-Bundestagskandidatin Martina Schu bei einer Gegenkundgebung zu einer AfD-Veranstaltung gegen den Kopf. Der sächsische AfD-Mann Daniel Zabel wurde 2022 zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, weil er als JVA-Bediensteter mit Kollegen im Jahr 2018 Häftlinge aus rassistischen Motiven misshandelt haben soll. Und in Freiburg hatte der frühere AfD-Stadtrat Dubravko Mandic einen Radfahrer mit einem Reizgas attackiert, der einschreiten wollte, als Mandic zwei Personen festhielt, denen er unterstellte, AfD-Plakate beschädigt zu haben.
„Die Gefahr wird unterschätzt“
Robert Kusche von der sächsischen Opferberatung RAA warnt: „Die Folgen dieser Gewalttaten sind für die Betroffenen besonders gravierend.“ Denn die AfD-Täter seien oft bürgerlich situierte, ältere Männer, die nicht dem Klischee rechter Gewalttäter entsprächen. „Die von ihnen ausgehende Gefahr und Bedrohung wird schlichtweg unterschätzt“, so Kusche. Vielfach würden die AfD-Angreifer zudem keine Reue zeigen, sondern sich selbst als Opfer bezeichnen und auf Notwehrrechte pochen. Und die Partei fungiere als Stichwortgeber für Hass gegen Geflüchtete und Andersdenkende, was Gewalttäter motivieren könne.
Auf der anderen Seite fürchteten die Angegriffenen um ihre Sicherheit und fühlten sich „im Stich gelassen“, sagt Kusche. Umso mehr, als die AfD in Umfragen vor allem in Ostdeutschland derzeit breiten Zuspruch erhalte.
Auch angesichts der Vorfälle fordern die Opferverbände eine konsequente Abgrenzung aller demokratischen Parteien von der AfD. „Die zunehmende Gewaltbereitschaft der AfD verbietet jede Zusammenarbeit“, erklärt Kusche. „Die demokratischen Parteien müssen sich klar auf die Seite der Angegriffenen stellen.“
Richtigstellung: In einer ersten Version hieß es, der frühere Freiburger AfD-Stadtrat Dubravko Mandic habe einen Radfahrer mit einer Zange geschlagen. Dies ist nicht korrekt. Er hatte den Radfahrer mit einem Reizgas attackiert, wofür er rechtskräftig verurteilt wurde. Ein Mitbeschuldigter soll den Radfahrer mit einer Zange oder Schere angegriffen haben. Dieser wurde freigesprochen, weil eine Notwehrsituation nicht ausgeschlossen werden konnte. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen. d. R.
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