Angriff auf den Iran: Weil Israel es kann
Warum greift Israel genau jetzt den Iran an? Ganz einfach: Irans Verbündete sind so geschwächt, dass die Gegenreaktion überschaubar bleiben wird.
D ie acht F16-Kampfflugzeuge flogen etwa 1.100 Kilometer bis zu ihrem Ziel. Sie blieben unerkannt. Die Piloten sprachen arabisch. Der Angriff begann um 17.31 Uhr Ortszeit und dauerte zwei Minuten. Danach war der Atomreaktor Ossirak für immer unbrauchbar.
Die Bombardierung der Nuklearanlage geschah nicht in diesen Tagen, sondern vor fast genau 44 Jahren, am 7. Juni 1981. Das Ziel der israelischen Luftwaffe war damals ein im Bau befindliches Atomkraftwerk im Irak Saddam Husseins, von dem Israel behauptete, es könne Material zur Herstellung einer Atombombe produzieren. Der UN-Sicherheitsrat verurteilt das Vorgehen Israels „als einen Verstoß gegen die Charta der Vereinten Nationen und die Normen des internationalen Verhaltens“. Israel nannte die Bombardierung einen Akt „präventiver Selbstverteidigung“.
Der Angriff auf Ossirak mag heute weitgehend vergessen sein. Doch das damalige Vorgehen Israels macht deutlich, dass man im Zweifel internationales Recht geringer wertet als die Sicherheit des Staates. Das Muster des Angriffs auf den Iran in diesen Tagen entspricht dem von 1981, nur ist der Gegner militärisch ungleich stärker als 1981 und sind die Ziele Israels viel weiter gesteckt. Damals versicherte Saddam Hussein, es ginge beim irakischen Atomprogramm nur um eine friedliche Nutzung der Kernenergie. Heute betonen Vertreter des Iran, sie planten keineswegs den Bau von Atomsprengköpfen. An beiden Aussagen bestanden Zweifel, auch von Seiten der Internationalen Atomenergiebehörde IAEO.
Warum hat Israel gerade jetzt den Iran angegriffen? Die Antwort ist einfach: weil Israel es kann. Nach jahrelangen Debatten über einen solchen Krieg in Jerusalem haben sich die Parameter in der Folge des Massakers der Hamas vom 7. Oktober 2023 dramatisch zugunsten Israels verschoben. Die libanesische Hisbollah ist extrem geschwächt, Syriens Diktator Assad aus dem Land gejagt, die Hamas am Boden: Die Möglichkeiten dieser wichtigen Verbündeten des Iran sind so gering wie seit Jahrzehnten. Und auch das Regime in Teheran selbst hatte schon zuvor deutlich an Schlagkraft verloren. Zugleich regiert in den USA ein Präsident, der die Politik der Regierung Netanjahu mit Wohlwollen betrachtet.

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Völkerrechtlich mindestens umstritten
Der Iran steht nach israelischen Erklärungen kurz vor dem Bau einer Atombombe. Ob das tatsächlich stimmt, lässt sich nicht überprüfen. Zugleich zählt der Wunsch nach einer Vernichtung Israels zur Staatsräson des Regimes. Beides zusammen genommen wird in Jerusalem als Grund dafür benannt, präventiv einen Krieg begonnen zu haben. Ob das völkerrechtlich zulässig ist, ist mindestens umstritten.
Kommt es jetzt also zum immer wieder beschworenen Flächenbrand im Nahen Osten? Daran bestehen erhebliche Zweifel. Wer sollte dem Iran denn beistehen? Die Huthi im Jemen mögen Raketen gen Tel Aviv schicken, aber militärisch bedeutend sind sie deshalb nicht. Die Hisbollah ist zerschlagen, die Hamas versteckt sich in Tunneln. Große Teile der arabischen Welt haben zwar pflichtschuldig gegen Israels Krieg protestiert. Doch eine Schwächung des Iran ist auch in ihrem Interesse, allen voran in dem Saudi-Arabiens, das sich als Regionalmacht die Verantwortung mit Israel über die Region teilen könnte.
Diese Vorstellung einer saudisch-israelischen Hegemonie im Nahen Osten entspricht den Wünschen der US-Regierung. Sie würde der Region eine Chance zu friedlicheren Verhältnissen geben. Zugleich wären die Palästinenser die Verlierer einer solchen Machtteilung und ihre Interessen auf Dauer marginalisiert. Ob es es jemals zu einer saudisch-israelischen Konstellation kommt, ist so unsicher wie ein Regenguss in der Wüste.
Ein Krieg ist hässlich, blutig, mörderisch. Immer. Egal, wer ihn führt, egal, wo. Die Zahl der zivilen Opfer in Israel scheint nach den ersten Tagen größer zu sein als befürchtet, die der Iraner bleibt unklar. Aber was heißt gering – zehn Tote, hundert oder tausend? Wenn eine Gesellschaft die Zahl der eigenen Opfer als unverhältnismäßig hoch betrachtet, gerät die eigene Regierung rasch unter Zugzwang. Die Reaktion kann dann das sein, was man „unverhältnismäßig“ nennt – noch zehnmal mehr Tote, nun aber auf der „feindlichen“ Seite. Es hat schon genügend Konflikte gegeben, die, als zeitlich und örtlich begrenzter Waffengang geplant, zu großen Todesfallen wurden und am Ende keinen Sieger mehr kannten. Dieses Risiko birgt auch dieser Krieg, zumal es Israel nicht bei einer Bombardierung der iranischen Atomanlagen belässt, sondern militärische Infrastruktur wie hohe Militärs ins Visier nimmt.
Das Regime wird so nicht fallen
Tod und Zerstörung in Teheran wie Tel Aviv kommen nicht ganz überraschend. Kriege zu führen, anstatt mühsame Diplomatie zu betreiben, ist der Trend im 21. Jahrhundert. Der Meister in diesem Spiel heißt Wladimir Putin, der den Krieg nicht nur in die Ukraine gebracht hat, sondern auch schon nach Tschetschenien, Georgien und Moldau. Der Hamas ist es gelungen, mit ihrem Terroranschlag am 7. Oktober einen Krieg gegen die eigene Bevölkerung zu provozieren. Von all den Kriegen in Sudan, Libyen oder im Kongo redet schon kaum jemand mehr.
Israels Premier Netanjahu hat die iranische Bevölkerung dazu aufgerufen, das eigene Regime zu stürzen. Das ist ein schöner Traum. 2003 war das erklärte Ziel von US-Präsident George W. Bush ein Regimewechsel in Bagdad und die Demokratisierung des Landes. Saddam Hussein wurde gestürzt. Von Demokratie ist bis heute weniger die Rede.
Es spricht wenig dafür, dass der Krieg Israels das iranische Regime so weit destabilisiert, dass es fällt. Noch dazu schwächt Netanjahu die Position der iranischen Opposition. Indem er zum Widerstand gegen die Mullahs aufruft gibt er dem Regime erneuten Anlass, alle Regimegegner als zionistische Agenten zu diffamieren. Das Eintreten für Demokratie und Humanität in Teheran wird noch gefährlicher als zuvor.
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