Amazon USA bekommt Gewerkschaft: Selbst Biden ist erfreut

Lang hatte der Versand Stimmung gegen Arbeitnehmervertreter gemacht. In New York haben sich Beschäftigte erfolgreich organisiert.

Christian Smalls feiert mit seinen Kollegen

Lassen die Korken knallen: Gewerkschafter Christian Smalls und Kollegen nach ihrem Sieg in New York Foto: Brendan McDermid/reuters

NEW YORK taz | Es könnte eine Torszene auf dem Fußballplatz sein: Triumphgebrüll, Menschen fallen sich jubelnd in die Arme, stimmen Sprechchöre an. Doch ist es eine andere Art von Sieg, den die Amazon Labor Union (ALU) am Freitag in New York feierte: Zum ersten Mal in den USA haben sich Mitarbeitende des Versandriesen Amazon für eine Gewerkschaftsvertretung ausgesprochen.

Bei einer Abstimmung in dem Versandlager am Standort im New Yorker Stadtbezirk Staten Island stimmte eine Mehrheit von 2.654 zu 2.131 dafür, sich in einer Interessenvertretung zu organisieren. Die neue Gewerkschaft ALU setzt sich für höhere Löhne, bessere Aufstiegschancen und Arbeitsbedingungen wie längere Pausen bei Amazon ein. US-Präsident Joe Biden ließ über eine Sprecherin bekannt geben, er sei über die Entscheidung der Ar­bei­te­r:in­nen erfreut.

Amazon ist der zweitgrößte Arbeitgeber in den Vereinigten Staaten. Der Erfolg könnte der Gewerkschaftsbewegung in den USA Auftrieb geben. Auch in anderen Standorten des Versandhändlers stehen Abstimmungen an; außerdem organisierten sich zuletzt die Beschäftigten mehrerer Filialen der Kaffeehauskette Starbucks.

In Deutschland freute sich Günter Isemeyer, Pressesprecher der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi), darüber, „dass wir dann auch Ansprechpartner in den Staaten haben“. Hierzulande sei eine Abstimmung wie jetzt in den USA nicht nötig, da deutsche Gewerkschaften einen gesetzlich geregelten Zugang zu den Betrieben hätten. „Wir sind ja fast flächendeckend bei Amazon vertreten.“

Amazon kündigt Gegenwind an

Der Konzern zeigte sich nun „enttäuscht“ über das Abstimmungsergebnis in Staten Island – eine „direkte Beziehung“ zum Unternehmen ohne Vermittler sei für die Mitarbeitenden das Beste, so Amazon. Das Unternehmen kündigte Gegenwind an: Unter anderem werde man prüfen, ob die Arbeitsrechtbehörde NLRB unangemessenen Einfluss genommen habe.

Die NLRB hatte über die Abstimmung gewacht. Um in den USA eine Interessenvertretung zu bilden, müssen die Beschäftigten eines Betriebs gemeinsam darüber abstimmen: Wenn sich mindestens 30 Prozent der Belegschaft dafür aussprechen, setzt die Behörde ein Votum an. Ist die Mehrheit der Stimmen dafür, bestätigt die NLRB die Gewerkschaft als Vertreterin für die Mitarbeitenden des Unternehmens, sie kann dann kollektiv für sie verhandeln.

Mitarbeitende und Ar­beits­recht­le­r:in­nen kritisieren auch Amazon schon seit Langem dafür, jede Form der gewerkschaftlichen Organisation im Keim zu ersticken. So berichteten Beschäftigte etwa von verpflichtenden Meetings, in denen der Konzern vor Gewerkschaften und ihren Mitgliedsbeiträgen warne.

Botschaft an Jeff Bezos

In New York hatte ALU in sozialen Medien wie Tiktok und Twitter regelmäßig Fotos und Videos gepostet, die ähnliche Praktiken im Lager in Staten Island zeigen sollen. Schon im Jahr 2020 hatte das Onlinemedium Vice Notizen aus einem Treffen der Amazon-Führung geleakt: Demnach sollte der nach einem Protest gefeuerte Mitarbeiter Christian Smalls in einer Schmutzkampagne als Gesicht der Gewerkschaftsbewegung dargestellt werden – als ein Wortführer, der „nicht schlau oder redegewandt“ sei und somit ein Negativbeispiel darstelle.

Christian Smalls ist jedoch heute Präsident der ALU – und tatsächlich zum triumphierenden Gesicht der Bewegung in New York geworden. Das habe Amazon nun davon, twitterte Smalls nach der erfolgreichen Abstimmung.

Ob er denn eine Botschaft für Amazon-Gründer Jeff Bezos habe, fragte ihn ein Reporter, nachdem die Abstimmungsergebnisse bekannt gemacht wurden. „Oh“, sagt Smalls nach kurzem Zögern: „Wir wollen Jeff Bezos dafür danken, dass er ins All geflogen ist – denn während er dort oben war, haben wir Leute angeworben.“

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