Amazon-Betriebsrat: Klage nach Kündigung erfolglos
Ein Betriebsrat trifft zwei Politiker während seiner Arbeitszeit. Kurze Zeit später erhält er die Kündigung. Das war rechtens, entscheidet ein Gericht.
Das Betriebsratsmitglied hatte sich nach eigenen Angaben mit Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und Niedersachsens Ministerpräsidenten Stephan Weil (beide SPD) getroffen. Er habe eine Einladung der beiden Politiker erhalten, um sich über Datenschutz, IT-Tools und den Umgang mit der Mitbestimmung in seinem Betrieb auszutauschen. Für die Treffen habe er sich jeweils mehrere Stunden von seinem Arbeitsplatz in Achim (Landkreis Verden) entfernt.
Amazon sah darin einen Betrug um Arbeitszeit und Reisekosten und entließ das Betriebsratsmitglied Anfang März 2023. Die anderen Mitglieder des Betriebsrats stimmten der fristlosen Kündigung zu. Auch das Gericht wies die Klage nun ab. Es gehe nicht um die Auslegung der Arbeit als Betriebsrat, argumentierte das Arbeitsgericht, sondern um den fehlerhaften Umgang bei der Angabe von Arbeitszeit und Reisekosten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Verdi will gegen das Urteil vorgehen
Die Gewerkschaft Verdi kündigte bereits an, gegen das Urteil vorzugehen. „Wir ziehen vors Landesarbeitsgericht in Hannover“, sagte ein Sprecher der Gewerkschaft. Laut Verdi versammelten sich am Dienstag rund 50 Menschen vor dem Gericht zu einer Kundgebung und nahmen auch an dem Prozess teil. „Amazon hat aus unserer Sicht grundsätzlich ein Problem mit gewerkschaftlich aktiven Betriebsräten“, kritisierte Nonni Morisse, Verdi-Sekretär für Amazon in Niedersachsen, vor der Urteilsverkündung.
Amazon hingegen betonte die „gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit“ mit den Betriebsräten und die Gleichbehandlung aller Beschäftigten. Gleichzeitig gehe das Unternehmen „allen Anschuldigungen von Fehlverhalten nach. Der Betriebsrat hatte der Kündigung zugestimmt“, teilte ein Amazon-Sprecher mit.
Der Amazon-Standort in Achim wurde nach Unternehmensangaben im Frühjahr 2021 eröffnet, seit 2022 ist dort ein Betriebsrat etabliert. In dem Logistikzentrum arbeiten 1900 Angestellte. Weitere Logistikzentren in Niedersachsen befinden sich in Winsen (Luhe) im Landkreis Harburg, in Helmstedt und in Großenkneten im Kreis Oldenburg. Landesweit ist der Konzern an zwölf Standorten vertreten und beschäftigt rund 7000 Angestellte.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei VW
Massiver Gewinneinbruch bei Volkswagen
VW-Vorstand droht mit Werksschließungen
Musterknabe der Unsozialen Marktwirtschaft
Verfassungsgericht entscheidet
Kein persönlicher Anspruch auf höheres Bafög
Kamala Harris’ „Abschlussplädoyer“
Ihr bestes Argument
Zu viel Methan in der Atmosphäre
Rätsel um gefährliches Klimagas gelöst
Nahostkonflikt in der Literatur
Literarischer Israel-Boykott