Alois Rainer beim Bauerntag in Berlin: Agrarminister schleimt sich beim Bauernverband ein
Landwirtschaftsminister Rainer übernimmt wichtige Positionen der einflussreichen Agrarlobby. Den Preis könnten Umwelt und Arbeiter zahlen.

Er sei „zu Gast bei Freunden“, „wir reden nicht nur, wir handeln auch im Sinne der Branche“, warb Rainer in seiner Rede und übernahm sämtliche zentralen Forderungen des Bauernverbands. Ein Delegierter hielt ein Plakat mit dem Slogan „Praxistaugliche Düngeregeln“ hoch. Rainer las das vor und ergänzte: „Ja, finde ich gut.“ Was der Bauernverband als „praxistauglich“ bezeichnet, ist für Umweltschützer aber zu „lax“ im Kampf gegen die immer noch grassierende Überdüngung, die Klima, Artenvielfalt und Grundwasser schadet.
Tatsächlich pries Rainer, dass er die Stoffstrombilanz abschafft. Mit ihr lässt sich laut Wissenschaftlern zuverlässiger als mit der bisherigen Düngebilanz berechnen, wie viel Stickstoff und Phosphor ein Hof in die Umwelt abgibt. Zu hohe Mengen könnten auf Grundlage der Ergebnisse sanktioniert werden.
Die vollständige Erstattung der Energiesteuer auf Diesel für Trecker und andere Landmaschinen will Rainer ab 2026 wieder einführen. Das kostet den Staat 430 Millionen Euro pro Jahr und reduziert Anreize, klimaschädlichen Kraftstoff einzusparen. Der CSU-Politiker versprach dem Bauernverband auch Steuererleichterungen für Sprit aus nachwachsenden Rohstoffen. Denn rein elektrisch könnten die Maschinen in der Landwirtschaft nicht betrieben werden, so Rainer.
Aber um den fossilen Diesel in der Branche komplett zu ersetzen, müsste Experten zufolge auf 9 Prozent der Agrarfläche Deutschlands Raps für Biosprit wachsen. Auf diesen Äckern könnten dann keine Lebensmittel mehr angebaut werden.
Wie vom Bauernverband gewünscht, sucht der Minister nach Schlupflöchern, damit die Landwirtschaft als wohl einzige Branche ihren Saisonarbeitern nicht mehr den Mindestlohn zahlen muss. Sonst würden viele Betriebe aus dem Anbau von Sonderkulturen – also zum Beispiel Obst, Wein oder Gemüse – aussteigen, warnte Rainer. Gewerkschafter kritisieren das, weil viele Saisonarbeiter „an der Armutsgrenze“ lebten. Der Selbstversorgungsgrad Deutschlands bei Obst und Gemüse sei in den vergangenen 10 Jahren trotz mehrerer Mindestlohnerhöhungen auch kaum gesunken.
Rainer sprach sich auch gegen die von der EU geplante Richtlinie zur Überwachung der Bodengesundheit aus. Bei der Anwendung der EU-Verordnung gegen Entwaldung solle Deutschland als Staat ohne Entwaldungsrisiko eingestuft werden. Der Minister verwahrte sich außerdem dagegen, die Tierhaltung in Deutschland zu reduzieren.
Sie ist für den Großteil der Treibhausgasemissionen des Sektors verantwortlich. Aber der Umwelt würde es nichts nützen, sagte Rainer, wenn das Fleisch dann importiert würde. Er gab aber auch keine Hinweise darauf, dass er für eine Senkung des Fleischverzehrs hierzulande wäre. Im Gegenteil: Er betonte, dass „Fleisch und Fisch“ zu einer ausgewogenen Ernährung gehörten. Zudem will der Minister, dass Pestizide schneller zugelassen und Wölfe bejagt werden.
Keine Vertragspflicht
Rainer lehnt aber ab, Molkereien vorzuschreiben, dass sie einen Vertrag mit den Bauern abschließen, der den Milchpreis festlegt. Derzeit erfahren viele Landwirte erst Wochen nach der Lieferung, wie viel sie dafür bekommen. So können sie nicht über den Preis verhandeln. Auch der Bauernverband ist gegen eine Vertragspflicht, während der kleinere Bundesverband Deutscher Milchviehhalter oder die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft dafür sind.
Rainers Zugeständnisse dürften viele Bauerntagsdelegierte gefreut haben. Wie wenig sie von der Ökoperspektive auf ihre Branche halten, zeigten sie, als Bundesumweltminister Carsten Schneider seine Rede beginnen sollte. Erst nachdem Bauernverbandschef Joachim Rukwied sie schon in recht harschem Ton ermahnt hatte, stellten sie ihre Gespräche ein.
Der SPD-Politiker wies die Agrarier dann darauf hin, dass die Landwirtschaft zwar ihre gesetzlichen Klimaziele erfüllt habe – aber nicht bei der Landnutzung, an der die Bauern maßgeblich beteiligt sind. Die von Rukwied kritisierte Verordnung zur Wiederherstellung der Natur sei „eine Chance“, so Schneider. Er setze vor allem auf Freiwilligkeit, zum Beispiel bei der Wiedervernässung von Mooren, damit sie weniger Treibhausgas emittieren. Dafür werde er Förderprogramme in Kraft setzen.
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