Albanien, Nordmazedonien und die EU: Strategischer Fehler

Frankreichs Nein zur Aufnahme von Verhandlungen entsetzt viele in Skopje und Tirana. Mit der Entscheidung werden nur antieuropäische Kräfte gestärkt.

Die Fahne Nordmazedoniens weht neben der EU-Fahne

Albanien und Nordmazedonien müssen weiter auf die Verhandlungen über einen EU-Beitritt warten Foto: dpa

Den Gesellschaften Nordmazedoniens und Albaniens werden die vergangenen Tage nachhaltig in Erinnerung bleiben. Dass der französische Präsident Emmanuel Macron die Aufnahme von Verhandlungen mit beiden Ländern blockiert hat, stürzte viele Menschen in Skopje und Tirana buchstäblich in Depressionen. Immerhin hatten die Führungen beider Länder in den letzten Jahren vieles getan, um den Weg nach Europa offen zu halten.

Bei diesem Kampf ging es buchstäblich um europäische Werte: Unabhängigkeit des Justizsystems, Pressefreiheit, Achtung der Menschenrechte.

Der links stehende nordmazedonische Premierminister Zoran Zaev hat mit dem Ausgleich mit Griechenland – der Namensänderung für sein Land in Nordmazedonien – sogar Maßstäbe für eine regionale Friedenspolitik gesetzt. Die von Brüssel geforderten Reformen boxte er gegen große Widerstände der mit Russland verbündeten Nationalisten durch. Alles mit dem Ziel, der EU einen Schritt näher zu kommen, auch mit dem Wissen, dass die Aufnahme in die EU noch Jahre dauern würde.

Nicht nur die USA unter Präsident Donald Trump sind also in der Lage, ihre Verbündeten zu verraten. Gerade die progressiven Kräfte und die Zivilgesellschaften in Albanien und Nordmazedonien wurden durch das „Non“ von Emmanuel Macron vor den Kopf gestoßen. Auch die Hoffnungen auf eine europäische Zukunft in den anderen Ländern des Westbalkans, so in Montenegro, im Kosovo sowie in Bosnien und Herzegowina, wurden damit gedämpft.

Schon mehren sich die Stimmen, nicht mehr vor allem nach Europa zu blicken, sondern sich doch mit Russland und der Türkei, mit Putin und Erdoğan, und vielleicht sogar mit China zu arrangieren. Zaev will jetzt Neuwahlen mit dem Ziel, das Volk über die Ausrichtung des Landes abstimmen zu ­lassen. Diesen Zusammenhang meinte der scheidende Ratsvorsitzende Jean-Claude Juncker wohl, als er das Veto Macrons als einen großen „strategischen Fehler“ bezeichnete. Traurig, dass ein ehemaliger Hoffnungsträger für Europa dermaßen eingeknickt ist.

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Erich Rathfelder ist taz-Korrespondent in Südosteuropa, wohnt in Sarajevo und in Split. Nach dem Studium der Geschichte und Politik in München und Berlin und Forschungaufenthalten in Lateinamerika kam er 1983 als West- und Osteuroparedakteur zur taz. Ab 1991 als Kriegsreporter im ehemaligen Jugoslawien tätig, versucht er heute als Korrespondent, Publizist und Filmemacher zur Verständigung der Menschen in diesem Raum beizutragen. Letzte Bücher: Kosovo- die Geschichte eines Konflikts, Suhrkamp 2010, Bosnien im Fokus, Berlin 2010, 2014 Doku Film über die Überlebenden der KZs in Prijedor 1992.

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