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EU-Gipfel in BrüsselMitgliedsländer im Streit

Mehrere Länder blockieren die geplanten Beitrittsverhandlungen zur EU-Osterweiterung. Auch beim Budget gibt es Meinungsunterschiede.

Da waren sie noch ein Herz und eine Seele. Beim Thema EU-Osterweiterung sind sie es nun nicht mehr Foto: dpa

Brüssel taz | Die Europäer gehen tief zerstritten in die kritischen Wochen rund um den Brexit und den Start der neuen EU-Kommission. Beim EU-Gipfel in Brüssel konnten sich die 28 Mitgliedsländer nicht auf die geplante neue Erweiterungsrunde auf dem Westbalkan einigen. Auch beim künftigen EU-Budget gehen die Meinungen weit auseinander.

„Wir haben leider keine Einigung erzielt“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem Abschluss des Gipfels am Freitag. Mehrere EU-Länder, allen voran Frankreich, hatten sich gegen den geplanten Startschuss für EU-Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Nord-Mazedonien gesträubt. „Das bedaure ich sehr“, betonte Merkel.

Die Erweiterung auf dem Westbalkan sei von hoher „geopolitischer Bedeutung“, so die Kanzlerin. Deutschland und die meisten anderen EU-Länder wollten damit Reformen belohnen und den beiden Ländern eine klare EU-Perspektive geben. Andernfalls könnten sie sich Russland, China oder der Türkei zuwenden, so die Sorge.

Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron legte jedoch sein Veto ein. Die EU müsse zunächst ihre Hausaufgaben machen und das Beitrittsverfahren neu ordnen, so Macron. Es sei nicht zielführend, den Kandidaten Hoffnungen zu machen, wenn die EU selbst noch nicht bereit zur Aufnahme neuer Länder sei. Zudem fehle eine Strategie für den Balkan.

Der Streit konnte auch nach mehrstündiger hitziger Debatte nicht beigelegt werden. Die Verweigerung sei ein „schwerer historischen Fehler“, kritisierte der scheidende EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. „Ich stehe dazu, anderer Meinung zu sein“, erklärte dagegen Macron. Die EU funktioniere schon mit den derzeit 27 Mitgliedern (ohne Großbritannien) nicht gut. Es sei daher falsch zu glauben, mit noch mehr Mitgliedern werde der Zusammenhalt besser werden.

Streit wird vertagt

Keine Einigkeit zeichnet sich auch beim künftigen EU-Budget ab 2021 ab. Die EU-Kommission fordert, den Haushalt auf 1,11 Prozent der Wirtschaftsleistung zu erhöhen, um den Austritt Großbritanniens zu kompensieren und neue Programme etwa zum Klimaschutz zu finanzieren. Doch bei der ersten Aussprache auf Chefebene gingen die Meinungen weit auseinander.

Deutschland will den Finanzrahmen auf 1,0 Prozent begrenzen und zudem noch die bisher gewährten Rabatte behalten. Demgegenüber fordern vor allem die Osteuropäer eine deutliche Erhöhung des EU-Budgets. Auch die künftige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) sprach sich für eine Aufstockung aus, wie sie Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU) vorgeschlagen hat.

Der Streit wurde auf den nächsten EU-Gipfel im Dezember vertagt. Dann soll der finnische EU-Vorsitz einen ersten konkreten Kompromiss-Vorschlag vorlegen. In Brüssel geht man jedoch davon aus, dass eine Entscheidung erst 2020 fällt – womöglich erst im zweiten Halbjahr, wenn Deutschland den halbjährlich rotierenden EU-Vorsitz übernimmt. Das letzte Wort hätte dann Merkel.

Die Kanzlerin sprach von schwierigen Verhandlungen. Sie bekannte sich aber auch zum Programm ihrer künftigen Sparringspartnerin von der Leyen. Beim Gipfel habe es „große Zustimmung“ für die Pläne gegeben, künftig mehr für Klimaschutz und Digitalisierung zu tun, sagte Merkel. Allerdings bleibt nach dem EU-Gipfel unklar, wie sie finanziert werden sollen.

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9 Kommentare

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  • Merkel und Konsorten interessieren sich nicht für den Zustand der EU, für die vielen Probleme rund um Fragen der Demokratie, Selbstbestimmung und Menschenrechte. Merkel und Konsorten wollen ausschließlich freie Märkte für den "Exportweltmeister" Deutschland. Nötigenfalls auf Kosten weiterer Verwerfungen in Europa. Dieses Europa ist schon jetzt fertig. Es wird nur zusammen gehalten, weil ökonomische Interessen einigermaßen koordiniert werden.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Die Volksrepublik China

    ist gegenwärtig auf dem Balkan ein ernst zu nehmender Akteur - siehe Seidenstraße und deren Vorbereitungen im pre-faschistischen Ungarn, in Griechenland (Hafen Piräus) mit der benötigten Anknüpfung der benötigten Infrastruktur an Serbien - um von dort in die Kernländer Europas vorzustossen.

    China versucht in diesem Zusammenhang - siehe Kommentar coriander weiter unten - die staatliche Souveränität von Staaten - und nicht nur auf dem Balkan - zu durchlöchern.

    In diesem Fall agiert China durch das aberwitzig erscheinende Auftreten von chinesischen Polizisten in Serbien.

    Hier wird nicht nur der Versuch unternommen nationale Souveränität zu durchlöchern - sondern die chinesische Volksrepublik erscheint offen als Gegenspieler der Europöäischen Union - indem es eine Macht und Legitimation vorgauckelt die es im Einklang mit europäischen Normen und demokratischer Partizipation nicht hat.

    Besser lässt sich das Prinzip eines demokratischen Europas und seiner Souveränität nicht in Frage stellen.

    So lächerlich wie das Beispiel ist - es stellt Europa als souveräne Einheit und die demokratische Verfasstheit von Nationalstaaten in Frage.

    Das Gegenmittel nennt sich schlichtweg Europäische Union.

    Die Union schützt die demokratische Verfasstheit europäischer Nationalstaaten und die demokratische Partizipation der Staaten in Europa.

    Die Volksrepublik China und die russische Förderation haben andere Interessen.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Hybride Kriegsführung findest bereits in mehreren Regionen im Grenzbereich der Europäischen Union statt -

    und der Westbalkan ist ein Kriegsschauplatz in dem derzeit eine Auseinandersetzung zwischen dem Westen und Russland mittels hybrider Kriegsführung stattfindet.

    Taktisch geschickt und mal mehr subtil, mal offen, nutzt Russland jede sich bietende Gelegenheit, die Fragilität der politischen Systeme und der zwischenstaatlichen Beziehungen zum eigenen Vorteil zu instrumentalisieren.

    Hierbei bedient man sich der Kultivierung von „panslawischer Völkerfreundschaft“ und orthodoxer Glaubensgemeinschaft, Symbolpolitik, der Unterstützung bestimmter Parteien und politischen Gruppierungen sowie gezielter Öffentlichkeitsarbeit mittels moskaufreundlicher Medien.

    Dabei verschwimmen die Grenzen zu Propaganda und Desinformation. Dass offenbar auch vor Diversion, Konspiration und Sabotage nicht zurückgeschreckt wird, verdeutlichte der gescheiterte Umsturzversuch vom 16. Oktober 2016 in Montenegro.

    Zurück zu Ultranationalismus, Feindschaft zwischen Staaten - und Ausnutzung von natiopnalen Eigenarten um Konflikte zu schüren?

    Nein Danke - diese Erfahrungen hat Europa bereits gemacht - und ist immer noch dabei, sich an den Folgen der Katastrophen des 20. Jahrunderts abzuarbeiten.

    Die Garantie für eine friedliche Weiterentwicklung Europas - zu einem demokratischen Gebilde, welches Menschenrechte und Partizipation garantiert, ist einzig und allein die Europäische Union.

    Angela Merkel hat diese Gefahr für Europa erkannt - wie ihre Politik hinsichtlich Mazedonien, Albanien und Montenegro zeigt.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Ein Gespenst geht um auf dem Westbalkan –



    das Gespenst der Geopolitik.

    Erneut droht die Region zum geostrategischen Schachbrett externer Akteure zu werden, so vermehrt die warnenden Stimmen aus Brüssel und den westlichen Hauptstädten, als auch aus der Region selbst.

    Russland, China, die Türkei und die Golfstaaten gewinnen mit unterschiedlichen Ressourcenausstattungen, Intentionen und Interessen an Einfluss in dieser Enklave innerhalb der Europäischen Union – politisch, wirtschaftlich und kulturell.

    Der Westen und hier primär die Europäische Union sind als dominierende Ordnungsmacht auf dem Westbalkan nicht länger unangefochten, die auf Konditionalität beruhende Erweiterungspolitik Brüssels stößt als Instrument scheinbar vielfach an ihre Grenzen.

    Den Westbalkan betrachtet Russland als Arena, in welcher es durch einen relativ geringen Einsatz vorwiegend „weicher“ und



    ==



    geheimdienstlicher Methoden signifikante Effekte



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    erzielen kann, mit der Zielsetzung einer Ablenkung,



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    Schwächung und Spaltung der westlichen Staatengemeinschaft.



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    Verfolgt der Kreml im „Nahen Ausland“ die Verhinderung einer „Einkreisung“ (aus russischer Sicht) sowie eine Wiederherstellung der russischen Einflusssphäre und verfügt hierbei auch über alternative Integrationsmodelle wie die Eurasische Union so stellt sich die Politik auf dem Westbalkan dar als die eines „Störenfrieds“ dar:

    ohne klar erkennbare langfristige und konstruktive Strategie, primär destruktiv und auf die Schaffung von Instabilität setzend.

    Gegen Instabilität, Destruktivität und geheimdienstliche Methoden zur Unterwanderung einer ganzen Region hilft nur eines:

    Anbindung und Integration in die Europäische Union.

  • Immer nur erweitern um neue Absatzgebiete für die Wirtschaft zu finden bringt nichts. Denn das Wachstum wird von unserem Geld bezahlt. Da ist Macrons Weg schon sinnvoller. Die EU ist unregierbar geworden weil keine Gemeinsamkeiten mehr da sind. Die EU muss sich erst einmal konsolidieren. Bei der Wirtschaft, den Finanzen, beim Sozialen, dem Grenzschutz und der Verteidigung. Das wird ein sehr niedriger Level sein, aber nur da kann man dann aufsetzen.

  • Ganz richtig: "Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron legte jedoch sein Veto ein. Die EU müsse zunächst ihre Hausaufgaben machen und das Beitrittsverfahren neu ordnen, so Macron. Es sei nicht zielführend, den Kandidaten Hoffnungen zu machen, wenn die EU selbst noch nicht bereit zur Aufnahme neuer Länder sei."



    Wir müssen "EUROPA" zuerst eine Verfassung geben und ratifizieren!



    Das Gewurschtelt produziert Chaos!

    Die Griechen haben die Demokratie erfunden (Die Besten werden gewählt und es geht nach dem Gesetz zu!)



    Von den Römern haben wir die Republik, D.h. Öffentliche Sache. Der Bürger schaut hin und kontrolliert die Regierung!



    Frankreich hat uns die Freiheit der Bürger und die Menschenrechte erkämpft. Danke!

    Es liegt an dem Souverän, also an mir "meinen eigenen Verstand zu gebrauchen und dann zu handeln! (I. Kant)



    Das Werkzeug haben wir. Bescheiden nutzen wir oft lediglich die 10 Pfennig BILD ung? Ein Fluch der Faulheit!

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""Die Erweiterung auf dem Westbalkan sei von hoher „geopolitischer Bedeutung“, so Merkel.



    ==



    Ob Marcron weiß was er tut?

    China hat sich gerade in Serbien einkauft - in ein Stahlwerk. Kritisiert wird Serbien dafür das das Projekt nicht nach EU Normen ausgeschrieben war - was Serbiens Offizielle vehement bestreiten.

    Völlig schräg ist ein offizielles serbisch - chinesisches Projekt bei dem chinesische Polizisten in Serbien Streife laufen. Auf die Frage was die nur englisch sprechenden chinesischen Polizisten in Serbien polizeilich erledigen können antworteten sie: Das wenn jemand seine Geldbörse verliert oder jemand nach dem Weg fragt sind sie behilflich.

    Das ist kein Witz - sondern ein Teil einer Berichterstattung auf 3sat über Serbien - die über den Balkan häufiger berichten..

    Der Balkan ist geopolitisch von zentraler Bedeutung für Europa.

    Warum Marcron momentan offensichtlich Tomaten auf den Augen hat?

  • 6G
    61321 (Profil gelöscht)

    Autsch, habe ich mich gerade dabei ertappt, wie ich dem Herrn Macron anerkennend auf die Schulter klopfen wollte?

    • RS
      Ria Sauter
      @61321 (Profil gelöscht):

      Ja, ich klopfe mit und bin auch sehr verwundert darüber.