Macrons Vorschläge zu EU-Erweiterung: Erst der Rechtsstaat, dann EU-Geld
Frankreichs Staatschef will ein neues Verfahren für den EU-Beitritt. Das hat es einem inoffiziellen Papier zufolge in sich.
Brüssel taz | Emmanuel Macron legt sich oft und gern mit seinen EU-Kollegen an. Aber noch nie hat Frankreichs Staatschef so viel Ärger verursacht wie mit seiner Entscheidung, die EU-Erweiterung auf dem Westbalkan zu stoppen. Von einem „historischen Fehler“ sprach Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, als Macron im Oktober ein Veto gegen Beitrittsgespräche mit Albanien und Nordmazedonien einlegte.
Auch in Berlin stieß Macrons Entscheidung auf Unverständnis. Doch nun hat der französische Präsident eine Reform des EU-Beitrittsverfahrens vorgeschlagen. Und von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird es abhängen, wie es weitergeht.
Der Vorschlag, der als inoffizielles „Non-Paper“ in Brüssel verteilt wurde, hat es in sich. Macron bekennt sich darin zunächst noch einmal zur „europäischen Perspektive“, die die EU den Ländern des Westbalkans versprochen hat. Es gehe nicht darum, Albanien oder Nordmazedonien auszugrenzen, sondern die EU fit für neue Beitritte zu machen, so die Botschaft aus Paris.
In der Praxis läuft Macrons Reformvorschlag jedoch auf einen Hürdenlauf hinaus. Zunächst will er die bisher üblichen 35 Verhandlungskapitel abschaffen. Sie sollen von sieben neuen „Etappen“ abgelöst werden, die sich um konkrete Politikbereiche drehen. Am Anfang steht der Rechtsstaat, am Ende das Geld.
Es soll Sanktionen geben
Erst wenn eine Etappe erfolgreich abgeschlossen ist, soll die nächste folgen – das war zuvor anders. Macron will so erreichen, dass neue EU-Kandidaten ihre Hausaufgaben machen und erst dann vorankommen, wenn sie den Rechtsstaat ernst nehmen. Dies ist offenbar eine Lehre aus der ersten Erweiterung auf dem Balkan. Bulgarien und Rumänien haben bis heute große Probleme mit Korruption und organisiertem Verbrechen.
Wenn eine Etappe nicht erfolgreich abgeschlossen wurde, soll es Sanktionen geben. Die Beitrittsverhandlungen können dann eingefroren werden, oder das Land muss zurück auf „Anfang“. Bisher gibt es diese Möglichkeit nicht. Die Gespräche mit der Türkei, die seit Jahren auf der Stelle treten, laufen offiziell immer noch weiter.
Insgesamt will Macron die Regeln für Beitrittskandidaten vereinfachen und stärken. Zugleich möchte der Präsident verstärkt auf den konkreten Nutzen eines Beitritts für die EU achten. Bereits im Januar, so wünscht es sich Paris, soll die EU-Kommission mit der Reform beginnen. Bei einer großen Balkankonferenz im Mai 2020 in Zagreb könnte es dann auch grünes Licht für Albanien und Nordmazedonien geben.
Allerdings ist unklar, ob sich die anderen Staats- und Regierungschefs der EU auf Macrons Pläne einlassen. Bei seiner Blockade im Oktober wurde er nur von Dänemark und den Niederlanden unterstützt. Seither ist es einsam geworden um Emmanuel Macron und seine großen Reformpläne.
Leser*innenkommentare
Joachim Petrick
Betreibt Emmanuel Macron janosköpfig doppeltes Spiel mit EU, Balkan, Russland, Sahelzone?
Vier Prinzipien, Idee, anders als zuvor, zu verhandelnd umkehrbarer Politikblock Etappen, statt bisher 35 Verhandlungskapiteln, wobei unklar ist, was Macron inhaltich mit Etappen meint, bei Aufnahme neuer Länder in die EU. ohne, dass Macron Hinweis auf seine mutmaßlich eigentliche Agenda gibt, verschattet sein Anliegen, seine im französisch-deutsch Aachener Vertrag Januar 2019 mit verankerte Militärkomponente zur Bestärkung Elysee Vertrages 1963 für alle willigen EU Partnerländer zu öffnen, Partner für Militärmissionen mit und ohne UNO Mandat in der Sahelzone, voran in jenen 14 ehemaligen Kolonien zu finden, die 1945 im Windschatten Bretton Wood Weltwährungsabkommen 1944, in der CFA Franc Währungszone unter Pariser Finanzregime zusammengefasst, inzwischen an die Eurozone, EZB mit vorherigen Konditionen angekoppelt sind, Goldreserven ganz, 50 % Devisenreserven, Überschüsse als Risikoprämie bei der EZB zu hinterlegen, ohne den CFA Franc eigenständig auf- oder abwerten zu können, wie alle Eurozonen Länder.
Dass Macron, seine Militärkomponente, bisher, außer in Berlin, erfolglos mit Leben zu füllen sucht, offen für alle EU Partner, Richtung Sahelzone durch Special Relationship mit Russland, womöglich sogar mit russischer Beitrittsoption zur Militärkomponente, absichern will, beunruhigt zusätzlich EU Partner- , Kandidatenländer im Balkan, Osteuropa ganz unterschiedlich begründet auf dem Hintergrund eigener Geschichte koloniaiisieter Völker russischen Zarenrenreichs, UdSSR, Osmanischen Reiches, Deutschen Reichs, k. u. k. Habsburger Donaumonarchie als globale Kolonialmacht, neben Frankreich, Great Britain, Belgien, Niederlande, Spanien, Portugal, Dänemark, last but not least Japan, USA.
Unerträgliche Seinsleichtigkeit
Geht es um den Rechtsstaat, also das rechtsstaaliche Prinzip der Begrenzung exekutiver Macht oder geht es um Kriminalitäts-/Korruptionsbekämpfung?
Ernsthaft gefragt, wird für mich überhaupt nicht klar. Sind doch zwei grundverschiedene Dinge.
Bodo Eggert
@Unerträgliche Seinsleichtigkeit Das Recht des Staates muß auch das Recht des Bürgers sein. Wenn nämlich Anträge und Genehmigungen von Willkür geprägt sind, dann ist der Korruption und Kriminalität die Tür geöffnet.
Rechtlosigkeit des Staates bedeutet auch Rechtlosigkeit des Bürgers. Verkauft der neoliberale Staat das Gemeineigentum an US-Firmen und mietet es zurück, so ist auch hier der Bürger der Dumme.
danny schneider
klasse Konzept eines neoliberalen Turbokapitalisten.
Nach außen den Schein wahren und die Hürden so hoch machen das nicht einmal Frankreich selbst drüber käme... einige der Polizeigesetze dort sind auch keine Zier für einen Rechtsstaat.
Natürlich ist es richtig Staaten den man den Beitritt versprochen hat diesen nach altem Regelwerk zu gewähren.
Natürlich ist es falsch Staaten mit so ungleicher Wirtschaftskraft auf zu nehmen. Wir wissen ja schon was passieren wird.
Das Problem ist diejenigen, die den Beitritt damals versprochen haben, wussten sicher was passieren wird, aber taten es trotzdem. Und müssen es heute nicht ausbaden.
Helmut Blechert
Das klingt sehr vernünftig, würde es doch die politische Union stärken. Warum bekommt Macron dafür so wenig unter Unterstützung?