Aktuelle Entwicklungen im Gazakrieg: Der Albtraum von Rafah geht weiter
Bei Luftschlägen des israelischen Militärs sterben fast 50 Menschen. Israel gerät international weiter unter Druck, setzt seine Offensive jedoch fort.
Nach Angaben der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen, die nahe dem Angriffsort einen Stabilisierungspunkt zur medizinischen Versorgung betreibt, sterben mindestens 28 Menschen, 180 werden teils schwer verletzt. Am Dienstag hat der UN-Sicherheitsrat angesichts des Vorfalls eine Dringlichkeitssitzung einberufen.
Das auf die Explosion folgende Feuer, erzählt Alla, sei so stark gewesen, dass er das Gefühl hatte, sein Gesicht würde brennen. Überall seien Schrapnellteile gewesen, Menschen vor seinen Augen verstorben. „Ich konnte nicht helfen“, erklärt er, „ich war wie in einem Albtraum gefangen“. Und: „Ich danke Gott, dass ich den Tod überlebt habe.“ Bereits kurz nach dem Angriff verbreiten sich über die sozialen Netzwerke Bilder und Videos des Feuers, von verbrannten Menschen und Blechhütten.
Internationale Empörung über Luftangriff
Emmanuel Macron, französischer Präsident
Die Empörung im Netz ist groß. Das hängt auch mit dem Urteil des Internationalen Gerichtshof (IGH) von Freitagabend zusammen, das Israel angewiesen hatte, seine Militärkampagne sowie weitere Aktionen in Rafah zu stoppen, wenn diese den Palästinenserinnen und Palästinensern Lebensbedingungen auferlegten, „die ihre physische Zerstörung ganz oder teilweise herbeiführen könnten“.
Dass zwei Tage später Dutzende Menschen – darunter wohl die meisten Zivilisten – bei einem Luftangriff getötet werden, erscheint vielen wie Hohn. Auch die internationalen Reaktionen fielen entsprechend scharf aus. Die USA nannten die Bilder nach dem Angriff „herzzerreißend“ und mahnten: Israel habe das Recht, gegen die Hamas vorzugehen, aber müsse auch jede mögliche Vorsichtsmaßnahme ergreifen, um Zivilistinnen und Zivilisten zu schützen.
Deutlich kritischer äußerte sich der Außenminister Irlands, Micheál Martin. Man diskutiere derzeit mit anderen EU-Staaten die Möglichkeit, Israel mit Sanktionen zu belegen, sollte es sich weiterhin nicht an das Völkerrecht halten. Das Treffen schloss sich an den Luftschlag vom Sonntag an. Auch die politische Führung anderer EU-Staaten äußerte sich noch deutlich kritischer als bisher.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erklärte auf dem Netzwerk X: „Diese Operationen müssen aufhören. Es gibt keinen sicheren Ort in Rafah für palästinensische Zivilistinnen und Zivilisten“. Er sprach sich außerdem für einen sofortigen Waffenstillstand aus. Italiens Verteidigungsminister Guido Crosetto erklärte: Das palästinensische Volk werde „ohne Rücksicht“, unter Druck gesetzt. Das sei nicht länger zu rechtfertigen.
Zurückhaltung in Deutschland
Deutschland äußerte sich zurückhaltender: Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagt, dass in Zusammenhang mit dem Angriff „ein Fehler passiert“ sei. Israel habe das Recht sich zu verteidigen, und die Frage, ob es sich um ein Kriegsverbrechen handele, müsste Juristen überlassen werden. Man dürfe „anhand von Bildern nicht sofort ein Urteil fällen“. Außenministerin Annalena Baerbock erklärte etwas deutlicher: Die Entscheidungen des IGH seien bindend und müssten befolgt werden. Gerade erlebe man laut Baerbock das Gegenteil.
Das israelische Militär setzt derweil seine Offensive auf Rafah fort. Knapp eine Million Menschen, die zuvor in der Stadt in Süd-Gaza Zuflucht gesucht hatten, sind nach Angaben der Vereinten Nationen bereits in andere Teile des Gazastreifens geflohen. Am Dienstag flog das israelische Militär erneut Luftangriffe, nach palästinensischen Angaben in der humanitären Zone al-Mawasi. Über 20 Menschen sollen dabei getötet worden sein. Die israelische Onlinezeitung The Times of Israel berichtet außerdem: Das Militär habe eine zusätzliche Brigade nach Rafah beordert. Laut Augenzeugenberichten sollen zudem Panzer des Militärs am Dienstag bis ins Zentrum von Rafah vorgerückt sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen