Aktivistin über koloniales Erbe: „Der Schmerz ist noch präsent“
Wahrscheinlich geraubt und jetzt im Berliner Humboldt Forum: Sylvie Vernyuy Njobati kämpft um die Rückgabe einer Figur mit spiritueller Bedeutung.
taz: Frau Njobati, Sie sind nach Berlin gekommen, um Ngonnso aus dem Humboldt Forum nach Kamerun zurückzubringen. Bitte erklären Sie: Wer oder was ist Ngonnso?
Sylvie Vernyuy Njobati: Für uns ist Ngonnso die Gründerin meines Volkes, des Nso-Volkes im Nordwesten Kameruns. Ngonnso hatte zwei Brüder. Die Geschwister gerieten in einen Konflikt, und so musste sie sich von den Brüdern trennen und fand das Land der Nso, wo wir bis heute leben. Für uns ist sie nicht nur ein Objekt, das im Museum ausgestellt wird, damit die Leute es betrachten können. Für uns ist sie unsere Identität, unsere Geschichte, unsere Kultur, die Essenz unserer heutigen Existenz. Es ist manchmal ein wenig schwierig, das zu erklären. Ich habe trotzdem das Gefühl, dass einige Deutsche verstehen, was Ngonnso für uns ist – auch, wenn viele hier nicht mehr sehr stark von ihren Traditionen geprägt sind.
Das sind sie wirklich nicht …
… und doch verstehen sie mich oft, wenn ich sage, dass Ngonnso unsere Identität ist. Wenn wir zurückblicken, sehen wir nichts, weil wir Ngonnso nicht sehen können. Ohne sie ist es für uns schwer zu erkennen, wie weit wir gekommen sind. Unsere Geschichte ist in den Kolonialismus eingebettet. Für uns ist Ngonnso ein Element, das uns zu dem macht, was wir sind, das uns mit unseren Vorfahren verbindet und uns Bedeutung und Geschichte gibt, an der wir festhalten können.
Und die muschelbesetzte Holzstatue, von den EthnologInnen als „Schalenträgerfigur“ bezeichnet, die hier in Berlin im Humboldt Forum steht: Ist sie das einzige Bildnis von ihr?
Das ist die originale Statue von Ngonnso, sie ist das Einzige, was wir haben. Es gibt keine Fotos. Es gibt kein anderes Objekt, das sie vertritt. Denn sie ist nicht einfach eine Statue, ein Bildnis, sie hat spirituelle Bedeutung. Sie bewirkt Fruchtbarkeit, zum Beispiel, wenn die Ernte nicht gut ist, kommunizieren wir über Ngonnso mit den Vorfahren. Aber weil wir ihre Abwesenheit spürten, den Mangel an Spiritualität, wurde eine Nachbildung angefertigt. Sie steht vor unserem Palast, damit die Leute sie während unseres Ngonnso-Festivals sehen können. Diese Nachbildung ist eine Erinnerung daran, dass wir einen größeren Kampf führen müssen, dass es um unsere wahre Identität geht. Sie sagt uns: Vergiss mich nicht, bring mich nach Hause, bring das Original-Ich nach Hause.
Ngonnso ist seit über 100 Jahren nicht mehr im Land. Wie können Sie die Verbindung aufrechterhalten?
Der Mensch:
Sylvie Vernyuy Njobati wurde 1991 in einem Dorf in Banso geboren, einem „Stammesgebiet“ im Bamenda-Hochland von Nordwestkamerun. Sie gehört zum Volk der Nso, die bis heute versuchen, an ihren alten – vorkolonialen – Traditionen festzuhalten. Njobati wuchs bei ihren eher christlich orientierten Großeltern auf. 2012 zog sie zum Studium in die Hauptstadt Yaoundé. Dort bekam sie den seit Jahrzehnten in Kamerun schwelenden Konflikt zwischen der frankophonen Mehrheitsgesellschaft und dem englischsprachigen Nordwesten zu spüren. Der Konflikt ist seither zum offenen Bürgerkrieg eskaliert, anglophone Separatisten kämpfen seit Jahren für einen eigenen Staat. 2016 gründete Njobati in Bamenda, der Hauptstadt der Nordwestregion, das Kulturzentrum Sysy House of Fame. Eines der dort initiierten Kulturprojekte heißt „Colonial Dialogue & Reconciliation“, das vom Goethe Institut gefördert und in dessen Rahmen #bringbackNgonnso als Social-Media-Kampagne ins Leben gerufen wurde.
Die Figur:
Ngonnso, die von EthnologInnen als „Schalenträgerfigur“ bezeichnete Figur, kam 1903 nach Berlin als „Schenkung“ des preußischen Offiziers Kurt von Pavel. Er war Kommandeur der Kaiserlichen Schutztruppe und Leiter diverser „Strafexpeditionen“ in Kamerun, mit denen die Deutschen den antikolonialen Widerstand ersticken wollten. Dabei kam er im Januar 1902 auch in die Region Banso und deren Hauptort Banko. Vermutlich ist Ngonnso dort in seine Hände gefallen, wie genau, ist bislang unbekannt.
Ich würde sagen, dass das Land seit dem Verschwinden von Ngonnso nicht mehr dasselbe ist. Wir hatten zwei Fons, zwei traditionelle Herrscher, die vorzeitig starben. Es wurde angenommen und von einigen Historikern sogar dokumentiert, dass sie wegen der Abwesenheit von Ngonnso gestorben sind. Seitdem ist Kamerun ein Land im Chaos. Wir befinden uns in einem bewaffneten Konflikt, Menschen werden getötet. Wir sind fest davon überzeugt, dass die Rückkehr von Ngonnso das ändern wird. Denn es geht in diesem Kampf auch um eine Identitätskrise, um Kolonialismus. Es geht darum, von drei verschiedenen Kolonialherren regiert worden zu sein. Es ist, als wärst du ein Puzzle, dessen Teile hier und da herausgepickt und dann wieder zusammengefügt wurden. Du weißt einfach nicht, wer du als Person bist. Darunter leiden wir.
Seit wann fordern die Nso Ngonnso zurück?
Wir haben erst in den siebziger Jahren herausgefunden, dass Ngonnso hier in Berlin ist. Seitdem kämpfen Nso darum, sie zurückzubekommen. Bis jetzt war der Ansatz immer diplomatisch, es wurden Briefe und Mails verschickt, es wurde auf Rückmeldungen gewartet, weiß Gott, wie lang. Wir hätten sicher längst aufgegeben, wenn es nicht etwas sehr Wichtiges wäre – spätestens 2011. Damals gab es diesen Briefwechsel mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK). Sie hat behauptet, Ngonnso sei ihr rechtmäßiger Besitz, man könne sie nicht zurückgeben.
In ihrer Rede zur Eröffnungsfeier der Ethnologischen Ausstellung im Humboldt Forum am 22. September erwähnte sogar die nigerianische Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie Ihren Fall. War das eine Überraschung für Sie?
Das nicht, ich war nur ziemlich beeindruckt. Wir haben sehr hart daran gearbeitet, damit die Welt weiß, was wir wollen. Als ich anfing mit dem Versuch, Ngonnso zurückzubringen, wollte ich das Thema auf die Straße bringen, nicht mehr nur den diplomatischen Ansatz verfolgen, sondern aktivistisch vorgehen. Also haben wir angefangen, unsere Kampagne auf Twitter und in anderen Social Media zu verbreiten.
Sind Sie der Kopf der Kampagne?
Ich habe den Hashtag #BringBackNgonnso als Teil eines Programms für eine Organisation gestartet, die ich 2016 gegründet habe. Sie heißt Sysy House of Fame und das Programm „Colonial Dialogue and Reconciliation“. Die Idee ist, Gemeinschaften zu ermutigen, ihre koloniale Vergangenheit und ihre Rolle darin zu reflektieren – und einen Weg zu finden, die Wunden zu heilen. Ich habe an einigen Konferenzen teilgenommen und kann sagen: Der Schmerz ist immer noch sehr präsent. Es ist viel Zeit vergangen, aber die Verwüstungen, die Gewalt und das Leid des Kolonialismus ist eine Sache, die die Zeit nicht heilen will. Wir haben erkannt, dass es bei vielen Menschen ein Bedürfnis nach Heilung gibt – oder zumindest nach Gesprächen, die in vernünftiger und produktive Weise geführt werden.
Die Kampagne soll helfen, alte Wunden zu heilen?
Wir haben beschlossen, uns auf Ngonnso als eines unserer Hauptprojekte zu konzentrieren. Und der Hashtag war wichtig, um alle Stimmen zu vereinen. Wir haben viele Leute unter den Nso, die viel für die Restitution getan haben. Es gibt Leute, die nach Deutschland gereist sind, um an Konferenzen teilzunehmen, um ihre Forschung zu teilen, Leute, die zu Hause ihre eigene Provenienzforschung betreiben, Künstler, die über Ngonnso aufklären. Daher war es wichtig, all diese Bemühungen zu bündeln, um diese Energie in die richtige Richtung zu lenken. Die Herausforderung war immer: Mit wem sprechen wir? Wo ist die richtige Person auf der richtigen Entscheidungsebene? Durch die Social-Media-Kampagne ist es uns gelungen, uns mit der deutschen Anlaufstelle für koloniale Sammlungen zu vernetzen…
… der Anlaufstelle der Kulturstiftung des Bundes für die Herkunftsgesellschaften von kolonialen Sammlungen. Was sagt die zu Ihrem Anliegen?
Wir haben uns online getroffen und über die Kampagne und die Notwendigkeit gesprochen, Ngonnso zurückzubringen. Sie haben uns Tipps für unser weiteres Vorgehen gegeben, wen wir ansprechen und welche Schritte wir jetzt unternehmen sollten.
Während wir hier sprechen, werden wir dabei von einem Team gefilmt. Sie haben uns im Vorfeld erzählt, dass Sie an einem Film über Ngonnso arbeiten. Wie kam das?
Ich habe in Kamerun Film studiert, und 2017 habe ich bei einem Austauschprojekt von Filmemacherinnen und Filmemachern aus Berlin und Bamenda Marc Eils kennengelernt. Wir hatten unabhängig voneinander die Idee, einen Dokumentarfilm über Ngonnso zu drehen und haben uns dann zusammengetan, um die Geschichte aus einer deutsch-kamerunischen Perspektive zu erzählen.
Wie weit sind Sie?
Nicht so weit wie geplant, weil wir ja wegen Corona im vorigen Jahr nicht reisen konnten. Und für uns ist es sehr wichtig zu sehen, wie die Gespräche über Rückgaben auf beiden Seiten ablaufen – in Kamerun und in Deutschland.
Hier heißt es immer, man wisse bei vielen Objekten aus Afrika nicht genau, wie sie nach Deutschland gekommen sind, und müsse das erst erforschen. Was sagen Sie dazu?
Problematisch wird Provenienzforschung, wenn sie einseitig ist: Wenn die Deutschen uns eine Geschichte erzählen und ignorieren wollen, dass wir auch unsere Geschichte haben, die von Generation zu Generation weitergegeben wird. Ich weiß um die Problematik von Oral History, dass manche Tatsachen bei der Überlieferung verfälscht werden könnten. Aber die grundlegenden Fakten sind da. Wenn zehn Leute aus meiner Generation sagen, ihr Großvater habe erzählt, dass Ngonnso bei einer Expedition gestohlen wurde, bei der auch der Palast niedergebrannt wurde, kann man das nicht einfach ignorieren. Man kann das zwar bezweifeln, aber dann muss man Beweise bringen. Und wir haben auch Historiker und Professoren an Universitäten, es gibt Forschungsarbeiten, die die Umstände des Verschwindens von Ngonnso entmystifizieren. Wir glauben fest daran, dass Ngonnso gestohlen wurde.
Kürzlich trafen Sie Hermann Parzinger, den Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Was haben Sie ihm gesagt?
Dass wir nicht wollen, dass sie uns Ngonnso erst zurückgeben, wenn der Zeitpunkt für Deutschland günstig ist. In einem Dialog gibt es immer zwei, und die sollten so kommunizieren, dass es für beide in Ordnung ist. Wenn wir zum Beispiel über „Aneignung“ sprechen, sagt die SPK immer noch, Ngonnso sei ihr legal erworbener Besitz, sie sei nicht gestohlen worden. Ich aber frage, was für eine Art der „Aneignung“ war das denn? Und was für Beweise gibt es dafür?
Hat Parzinger sie genannt?
Nein, es gibt bislang keine. Und was mich betrifft: Solange sie nicht beweisen können, dass Ngonnso legal genommen wurde, sage ich, es war illegal.
Was hat er erwidert?
Ich denke, die Position der SPK hat sich in letzter Zeit etwas gewandelt. 2011 haben sie uns angeboten, Ngonnso zu leihen – was in meinen Augen eine Beleidigung unserer Gemeinschaft war, der Ngonnso gehört. Doch ich denke, heute ist man weiter bei der Stiftung. Ich hatte den Eindruck, dass Parzinger inzwischen kapiert hat, was Ngonnso für uns bedeutet. Er sagte, eine Restitution sei im Bereich des Möglichen. Ich habe versucht, ihn festzunageln: Wann kann das passieren? Wir können nicht weitere zehn Jahre warten. Da sagte er: In Ordnung, dann müssen wir in einen Dialog kommen.
Da wird immer über den Dialog geredet.
Ja, genau. Ich habe ihm gesagt, die Leute hatten schon ihr ganzes Leben lang Dialoge, wann soll das sein? Er sagte, sie bräuchten einen verantwortlichen Repräsentanten des Nso-Volks, mit dem sie reden können. Also werden wir nun einen Workshop machen Ende November, Anfang Dezember. Parzinger sagte, die Entscheidung über eine mögliche Restitution könnte schon im nächsten Jahr fallen. Am Ende übergab ich ihm noch einen Brief, ein formales Rückgabeersuchen vom Fon der Nso. Und Parzinger sagte: „Der Brief ist in guten Händen.“
Bislang war oft das Problem, dass die Deutschen nur auf Regierungsebene reden wollten. Meinen Sie, man hat nun akzeptiert, dass das Gegenüber auch traditionelle Führer einer Gemeinschaft sein können?
Ich bin nicht sicher, ob sie das wirklich akzeptiert haben. Aber die Objekte wurden oft Gemeinschaften weggenommen, nicht Nationen. In unserem Fall sind wir Nso die Einzigen, die wissen, was wir wegen der Abwesenheit von Ngonnso durchmachen. Kein Außenstehender kann das wirklich nachvollziehen. Ngonnso ist kein Nationalsymbol, sie ist nicht wie eine Flagge zum Beispiel. Ngonnso ist ein Gemeinschaftsobjekt der Nso. Darum glaube ich, der Dialog sollte zwischen den beiden Gemeinschaften Berlin und Nso stattfinden.
Wann sind Sie persönlich zum ersten Mal mit Ngonnso in Berührung gekommen?
Als Kind habe ich bei meinen Großeltern gelebt, vor allem weil meine Mutter mich geboren hat, als sie noch zur Schule ging. Ich bin mit dem Konflikt zwischen Tradition und Religion beziehungsweise Christentum aufgewachsen. Mein Großvater sollte eigentlich ein traditioneller Herrscher sein, aber er glaubte an seine Berufung zum Pastor. Ich hatte ein sehr behütetes Zuhause, aber in Bezug auf Spiritualität und Identität war es für mich sehr verwirrend.
Warum?
Als Pastor musste mein Großvater oft umziehen, er betreute verschiedene Kirchengemeinden. Wir lebten in verschiedenen kleinen und kleinsten Dörfern im Bezirk Bui in Nordwestkamerun. Ich habe erlebt, wie mein Großvater mit sich selbst haderte, weil er die Rolle, für die er in der Nso-Gemeinschaft bestimmt war, nicht annehmen konnte. Und es gab niemanden sonst, der diese Aufgabe übernehmen konnte.
Mit welchen Folgen?
Die Gemeinschaft ist mit der Zeit auseinandergebrochen. Über einen Zeitraum von 15 Jahren haben keine Rituale mehr stattgefunden, Traditionen wurden nicht fortgeführt. Als ich in die Schule kam und später zur Universität, begann ich mich total verloren zu fühlen: Weder war ich ein christliches Kind, noch war ich mit der Tradition verbunden. Ich war beidem entfremdet.
Geht es vielen Menschen Ihrer Generation so?
Ja! Ich glaube, die meisten verstehen bis heute nicht, dass es eine enge Verbindung gibt zwischen der Nso-Tradition und dem Christentum.
Wann haben Sie das verstanden?
Als ich zum Studium in die Hauptstadt Yaoundé gegangen bin, kam ich von der englischsprachigen Region in die französischsprachige. Und zum allerersten Mal war ich ganz für mich allein. Das war die schwierigste Zeit meines Lebens, denn ich kämpfte damit, mich an die französische Kultur, französische Institutionen und den französichen Lebensstil anzupassen – was nicht wirklich funktioniert hat.
Warum nicht?
Ich hatte zu bestimmten Orten keinen Zugang, nur weil ich Englisch sprach, ich bekam keine Jobs, ich wurde diskriminiert, beleidigt – nur weil ich Englisch spreche.
Die Franko-Kameruner diskriminieren die Englischsprechenden?
Natürlich! Jeder aus der englischsprachigen Region würde Ihnen das bestätigen. All diese Erfahrungen machten mir bewusst, dass ich wirklich in einer großen Identitätskrise steckte. Alles um mich herum versuchte mich zu beeinflussen, ich fühlte mich von allem, was um mich herum geschah, kontrolliert. Und ich war nur das hybride Nso-Kind, dass nicht einmal etwas über seine eigene Kultur und Tradition wusste. Da habe ich mich entschieden, meine Wurzeln zu suchen.
Bei Ngonnso?
Ja, auch. Ich wusste zwar ein bisschen was über sie, aber in der Schule hatten wir nichts darüber gelernt. Wir lernen gar nichts über unsere Geschichte in der Schule! Dort beginnt unsere Geschichte 1884 mit der Kolonisierung und Christianisierung. Einige unserer Lehrer haben uns sogar erzählt, es sei falsch von uns gewesen, dem Kolonialismus Widerstand zu leisten!
Unfassbar!
Dieses Schulsystem müsste völlig umgekrempelt werden, damit die Menschen die Rolle von Geschichte für ihr Leben wirklich reflektieren lernen. Jedenfalls: Zuerst bin ich also 2018 zu meinem Großvater gegangen. Von ihm hatte ich als Kind zum ersten Mal von Ngonnso gehört – nur dass ich damals nicht sehr interessiert gewesen war. Nun kam ich zurück, wir hatten ein Gespräch am Feuer und begannen damit, was seine Position zu Kultur, Tradition und Religion heute ist. Es war sehr wichtig für mich zu verstehen, dass sich seine Perspektive gewandelt hat. Er bedauerte sehr, dass er sich früher nicht in der Lage gesehen hatte, seine Position als traditioneller Herrscher einzunehmen.
Er bedauerte es?
Ja! Und er skizzierte mir seine Ansicht, dass Nso-Kultur und -Tradition und Christentum eigentlich dieselben Werte vertreten. Die Nso-Kultur verdammt das Böse genauso wie das Christentum. Die Nso-Kultur hält ebenso das Gute hoch und fordert von den Menschen, gut zu ihren Mitmenschen zu sein. Mein Großvater war der Erste, der mich über die Möglichkeit der Koexistenz von Tradition und Christentum innerhalb einer Gemeinschaft aufgeklärt hat. Ich habe dann angefangen, mich zu fragen, was ich für meine Tradition und Kultur tun könnte, wie ich etwas zurückgeben könnte. Ich habe auch mit Father Tatah Mbuy gesprochen …
… dem Sprecher des Erzbistums Bamenda, der mehrere Bücher über das Verhältnis von Christentum und Tradition in Kamerun geschrieben hat …
… auch er hat mir sehr gute Ratschläge gegeben. All das hat mir geholfen zu verstehen, auf was ich mich da einlasse – und dass dieses „Zurück zu den Wurzeln“ keine einfache Reise werden würde.
Ngonnso zurückzubringen ist Teil dieser Reise?
Mein Großvater wünschte sich sehr, dass Ngonnso zurückkommt, bevor er stirbt. Er sagte mir: „Geh! Bring sie zurück, ich weiß, dass du es tun wirst!“ Ich habe ihm versprochen, mein Bestes zu geben. Leider konnte ich das Versprechen nicht halten: Er ist gerade gestorben – am selben Tag, als das Humboldt Forum die Ethnologische Sammlung mit Ngonnso eröffnete und ich vor dem Schloss stand und protestierte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund