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Aktivistin aus Dannenröder Forst„Ella“ bleibt in Haft

Im Berufungsverfahren erkennt auch das Landgericht Gießen „tätliche Angriffe gegen Vollstreckungsbeamte“. Doch die Strafe wird etwas reduziert.

Aktivistin „Ella“ im Berufungsprozess vor dem Landgericht Gießen am 17. Januar 2022 Foto: Nadine Weigel/dpa

Frankfurt taz | Ein Jahr und neun Monate Gefängnis für „Ella“ – so lautet das Urteil des Landgerichts Gießen gegen die „uwP1“, die unbekannte weibliche Person, die seit ihrer Festnahme im Dannenröder Forst vor 17 Monaten in U-Haft sitzt. Wie zuvor das Amtsgericht Alsfeld erkannte auch das Landgericht Gießen in ihrem Verhalten einen tätlichen Angriff gegen Polizeivollzugsbeamte in zwei Fällen sowie gefährliche Körperverletzung.

Die Berufungsinstanz reduzierte allerdings die zunächst verhängte Haftstrafe um sechs Monate. Im Tumult ging die mündliche Urteilsbegründung des Richters unter. Im Zuschauerraum und vor dem Verhandlungsgebäude protestierten lautstark UmweltaktivistInnen, vor allem, weil das Gericht die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet hatte. Auch im Saal skandierten rund 20 AktivistInnen „Free Ella“ und „Hört auf zu lügen“. ZuhörerInnen schlugen gegen die Glaswand, die sie vom Verhandlungssaal trennte. Die Polizei räumte schließlich das Gebäude.

Die Umweltaktivistin Ella, die ihre Identität nicht preisgibt, hatte sich am 26. November 2020 bei der Räumung eines Baumhauses im Dannenröder Forst gegen Einsatzkräfte zur Wehr gesetzt. Sie und andere AktivistInnen wollten die Rodung des Herrenwaldes zum Weiterbau der umstrittenen Autobahn A 49 in Nordhessen verhindern. Gegen ihren Willen war „Ella“ bei bei dem umstrittenen Polizeieinsatz von Beamten aus 15 Meter Höhe geborgen worden. Laut Urteil hat sie dabei nach zwei Einsatzkräften getreten.

Auch der letzte Verhandlungstag der Berufung vor dem Landgericht in Gießen war von den völlig unvereinbaren Positionen von Anklagebehörde und Verteidigung geprägt. Hatte die Staatsanwaltschaft zuletzt der Angeklagten erneut vorgeworfen, sich mit „brutaler Gewalt“ und „hoher krimineller Energie“ den Einsatzkräften widersetzt zu haben, stellte die Verteidigung am Freitag „erhebliche Verfahrensfehler“ fest und bestritt insgesamt die Rechtmäßigkeit des Verfahrens.

Entlastenden Hinweisen sei die Justiz nicht nachgegangen: „Wie blind muss man gewesen sein, über all diese Hinweise hinwegzusehen“, sagte Rechtsanwältin Eva Dannefeldt. Der Einsatz der SEK-Polizeibeamten zur Räumung der Baumhäuser im Walddorf „Nirgendwo“ zur Vorbereitung der Rodung für den Weiterbau der A 49 sei insgesamt rechtswidrig gewesen, so die Verteidigung, die dafür plädierte, das Verfahren einzustellen.

Strafmaß um sechs Monate reduziert

Immerhin milderte das Landgericht die Haftstrafe um sechs Monate. Der Verteidigung war mithilfe von Videomaterial, das weitgehend von der Polizei erstellt worden war, der Nachweis gelungen, dass für die Einsatzkräfte keine Lebensgefahr bestanden hatte. Sie waren mit Seilen gesichert. Die Beamten mussten im zweiten Verfahren ihre Aussagen aus der Vorinstanz korrigieren. Für die Staatsanwaltschaft waren indes diese „Erinnerungslücken“ nachvollziehbar: Die Beamten seien selbst, „wenn nicht objektiv, so zumindest subjektiv in Lebensgefahr“ gewesen.

„Ella“ selbst hatte im Berufungsverfahren das Wort ergriffen. Die ihr zu Last gelegten Tritte gegen die Beamten hatte sie ihrem „Überlebensinstinkt“ zugeordnet. Auf den Hinweis das Vorsitzenden Richter, der Räumung des Dannenröder Forstes sei ein demokratischer Entscheidungsprozess vorausgegangen, hatte sie entgegengehalten: „Es ist kein Geheimnis, dass Demokratie für mich und viele nichts ist, was man feiern sollte, weil wir sie als einen Machtkampf erleben, bei dem die Bedürfnisse von Minderheiten unerfüllt bleiben.“

Sich selbst sieht sie als Kämpferin gegen die Zerstörung des Planeten. Die Klimakrise wird in ihren Augen durch ein System von Ausbeutung und Zerstörung der Natur ausgelöst. Den Verantwortlichen für den Weiterbau der A49 warf sie einen „Ökozid“ vor, gab sich in ihrem Schlusswort gleichwohl versöhnlich: „Jetzt ist die Zeit gekommen zu vergeben und für mich durch diese Tür in Freiheit zu gehen.“ Da wusste sie noch nicht, dass das Gericht mit dem Urteil die Fortdauer der Haft anordnen würde.

Das Strafurteil lautet auf 21 Monate Haft, siebzehn davon hat sie abgesessen. Bleiben noch vier, denn eine Aussetzung zur Bewährung scheitert wohl daran, dass die Identität von „Ella“ im Dunkeln bleibt. Ohnehin dürfte die Verteidigung eine Revision in Erwägung ziehen. Das Landgericht hatte zahlreiche Beweisanträge und einen Befangenheitsantrag gegen den Richter abgelehnt und ihr Prozessverschleppung vorgeworfen.

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9 Kommentare

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  • Sich widersprechende Aussagen der Polizisten;



    nicht angemessen beachtet wurde, das Selbstschutzinteresse der Verurteilten in Form der Abwehr des Zugriffs.



    Soll das ernst zu nehmen sein:



    Menschen, die den Autobahnausbau verhindern wollen, landen im Knast?

  • Dieses Urteil zeigt erneut mehrere Wahrheiten:

    1.) Die geistig-seelische-Gesinnung in der B.R.D. ist deutlich faschistischer als in den meisten anderen Ländern der Welt.

    Dafür, dass die Entnazifizierung nur mangelhaft umgesetzt wurde, finden sich z.B. hier Belege:



    www.forumjustizgeschichte.de/



    "Gerechtigkeit ist viel zu wichtig, als dass man sie nur den Juristen überlassen darf" ist u.a. dort zu lesen!

    2.) Die Judikative handelt letztlich VIEL EHER im Auftrage einer politisch-gesellschafltlichen Mehrheit als im Auftrag ein möglichst objektiven universellen Gerechtigkeit.



    Die Gesellschaften der westlichen Industrienationen sind in vielen Aspekten (psychisch) krank, erkennen das selbst nicht wirklich und wollen ihr Handeln durchsetzen.



    (Die Gesellschaft möchte in ihrer verkommenden Dummheit und Faulheit so weitermachen und weiterhin ihre Übeltaten ignorieren und sich da nicht empfindlich stören lassen.



    Der Widerstand im Dannenröder Forst wurde als eine solche Störung wahrgenommen.)



    Deshalb soll unbedingt auch mit diesem Urteil ein abschreckendes(!) Beispiel gesetzt werden!



    Nach Maßstäben der Vernunft und bestmöglichen menschlichen Ermessen ist das ein politisches Urteil!



    Intuitiv wird es folgendermaßen deutlich: Verglichen mit HUNDERTEN anderen Urteilen wird diese skandalöse Urteilssprechung überdeutlich!

    3.) Die Menschheit steuert mit erhöhtem Tempo auf genau die von Wissenschaftlern angekündigten Mega-Krisen zu.

    A) Kriege um Wasser und Nahrungsmitel, wegen Klimakatastrophen



    B) Millionen von Toten und Flüchtlingen wegen Überschwemmungen, Dürren, Meerspiegelanstieg, Orkanen, wegen Klimakatastrophen



    C) Ausrottung weiterer tausender Tier- und Pflanzenarten



    D) Verseuchung, Vergiftung der Biosphäre durch tausende Tonnen radioaktiver Substanzen und weiteren Ultra-Giften



    usw.

    Ella hat schon jetzt das vielfache an Strafe bekommen, selbst für das was ihr angedichtet wurde!

    Schäm dich, Deutschland!



    Aber aus was, Deutschland, kannst Du Dich schämen?

  • „Es ist kein Geheimnis, dass Demokratie für mich und viele nichts ist, was man feiern sollte…“



    An sich bin ich auf der Seite der Aktivisti und finde ihren Einsatz bewundernswert, mit der Aussage hat sich „Ella“ aber definitiv disqualifiziert.

    • @Jesus:

      das wesentliche dieses Zitats liegt aber in der Begründung, die viel bedenkenswertes beinhaltet was mit drei Pünktchen nicht ausreichend wiedergegeben ist

    • @Jesus:

      Jesus, warum so schnell aufgeregt und verstimmt?

      "An sich" sind Sie auf der Seite der Aktivisti.



      Warum eigentlich?



      Weil Sie jung sind, sich (zu Recht) um Ihre Zukunft Sorgen und Menschen wie Ella sich auch für Ihre Interessen intensiv einsetzen?



      Wieviel Zeit verbringen Sie im Widerstand oder wehren sich sonstwie gegen unser krankes Systrem?



      Wie oft und wie sehr funktionieren Sie "wie geölt" in unserem kranken System?

      Demokratie ist, was Menschenrechte angeht, die beste Gesellschatfts- und Staatsform.



      Dennoch weist sie ganz offensichtlich schwerste Mängel (z.B. gestiegene soziale Ungleichheit, weltweiter Ökozid, usw. usw.) auf und da sollte "jeder Stein umgedreht werden" um sie täglich zu im Allgmeinen und im Besonderen zu ÜBERPRÜFEN.

      Die konkreten westlichen Demokratien stehen insbesondere im Vergleich mit mehr oder weniger mörderischen Diktaturen sehr gut da, dennoch ist bei ihnen noch sehr viel zu verbessern!



      Man muss da nicht in Feierlaune geraten!



      Das wird Ella allerhöchstwahrscheinlich gemeint haben!

      Jesus, ich glaube Sie sind noch sehr jung.

  • Es geht hier selbstverständlich nicht um die Sache oder die Straftat an sich.



    Es geht hier darum eine Person, einen Menschen, zu brechen und Staatsräson zu zeigen.

    Eines kann ich allerdings bestens verstehen: Dass die Ordnungsbehörden vor Wut schäumen die Identität der Angeklagten nicht klären zu können.



    Trotz milliardenschwerer Digitaltechnik und umfassenden Sicherheitsgesetzen.

    Aber es wird seinen Grund haben - wer weiß, wer weiß....

    • @Bolzkopf:

      Geht nichts über eine gute Verschwörungstheoriew, oder?

      Für Digitaltechnik brauchen Sie digitale Abgleichdaten.

      Wenn es die nicht gibt, lässt sich da wenig machen.

      Wenn ich morgen ohne Handy und ohne Papiere nach Belgien oder Schweden gehe, findet dort auch keiner heraus, wer ich bin.

      • @rero:

        Immerhin wird aus der Anonymität der Verdächtigen ein Haftgrund konstruiert.



        Wo ist da die Verschwörungstheorie ?

      • @rero:

        "Geht nichts über eine gute Verschwörungstheoriew, oder?"

        Offensichtlich. Verschwörungstheorien kommen nie ohne Schäume, die aus Menschen hervorquellen. 🤪