Aktionswoche von Extinction Rebellion: Blockieren schwer gemacht
Die Klimaaktionswoche „August Rise up“ startet mit einer Blockade am Brandenburger Tor. Den Aktivisten steht ein Polizei-Großaufgebot gegenüber.
Kurz nach halb 11 Uhr hat die Klimaaktionswoche unter dem Motto „August Rise up“ damit begonnen. Seit dem Montagmorgen waren kleine Bezugsgruppen in Mitte unterwegs, schlenderten betont unauffällig über den Pariser Platz und waren doch am Kleidungsstil oder Aufnähern der Klimabewegung erkennbar. In der Ebertstraße kletterten Aktivist*innen auf zwei Bäume und spannten ein Transparent auf. Die angekündigte Blockade eines „symbolträchtigen Platzes“ hatte sich aber verschoben. Laut XR habe die Polizei ihnen Probleme bereitet. Wegen der Protestwoche sind die nächsten neun Tage sämtliche Berliner Einsatzhundertschaften im Dauereinsatz.
Parallel zur Straßenblockade hinter dem Brandenburger Tor schaffen es auch etwa 50 Menschen auf die Ebertstraße kurz vor der Behrensstraße. „Klimakollaps stoppen“, steht auf einem ihrer Transparente, „Don't be a fossil fool“ auf einem weiteren. „Es ist einfach unerträglich, dass die Politik nicht dem wissenschaftlichen Konsens folgt“, sagt eine Aktivistin. „Da können Akte des zivilen Ungehorsams wie dieser in das Schweigen der Gesellschaft intervenieren“. Kurz darauf wird die Blockade wieder aufgelöst, ihr Zweck sei ohnehin nur gewesen, eine Ablenkung für die fast zeitgleich entstandene größere Blockade zu schaffen, so eine Protestierende.
In Redebeiträgen auf der Hauptblockade wird die „vollständig gescheiterte Klimapolitik“ der Bundesregierung kritisiert. „Wir können die Klimakrise ohnehin nicht mehr verhindern“, so die Rednerin. „Aber wir können uns noch vor dem Schlimmsten bewahren – wenn wir jetzt entschlossen handeln“, sagt sie weiter. Die Aktivist*innen um sie herum packen derweil ihre Brotboxen und Kartenspiele aus. Wie lange sie bleiben wollen? Bis der Klimakollaps gestoppt sei, sagt eine.
Woche des Zivilen Ungehorsams
Gemeinsam mit einer Vielzahl weiterer Organisationen, Ortsgruppen von Fridays for Future, Sand im Getriebe oder Attac Berlin, hat Extinction Rebellion zu einer Woche des Zivilen Ungehorsams gegen die Klimakrise aufgerufen. Bis zu 2.000 Teilnehmer*innen sollten dafür von außerhalb nach Berlin anreisen, so die Schätzung im Vorfeld. Im Aufruf heißt es unter anderem, der Aufbau einer Massenbewegung sei die „letzte Chance, den Systemwandel zu schaffen“.
Empfohlener externer Inhalt
Welche Orte wann besetzt werden, kündigt das Bündnis aus naheliegenden Gründen nicht im Vorfeld an. Informiert wird stattdessen kurzfristig über einen Telegramkanal. Für Dienstag ist ab 15 Uhr vor den Parteizentralen von CDU und SPD außerdem eine größere Demonstration geplant.
Die Polizei hatte am Morgen aufgrund erwarteter Blockaden Autofahrer:innen dazu aufgerufen, auf Bus und Bahn oder das Rad umzusteigen. Nur beobachten will sie das Geschehen dennoch nicht. Am Brandenburger Tor fordert sie schon nach kurzer Zeit dazu auf, die Straße zu verlassen und sich auf den Platz zu begeben, sonst würde man die Aktivist*innen wegtragen.
Einige Aktivist:innen klebten sich mit jeweils einer Hand auf der Straße fest. Ein anderer, der dies gerade versuchte, wurde von der Polizei verhaftet. Dabei kam es zu einer kurzen Rangelei. Nachdem die Person zu einem Polizeiwagen geführt wurde, konnte sie sich allerdings losreißen und unbehelligt davon rennen. Aufregung gab es auch, als Polizist:innen versuchten, eine bereits festgeklebte Person wegzuzerren. Das hätte zu schweren Verletzungen führen können, so ein ebenfalls festgeklebter Aktivist.
Am frühen Nachmittag begann die Polizei dann mit der Räumung und trug die Aktivst:innen von der Straße – teilweise ging sie dabei rabiat zu Werk. Währenddessen kündigte Extinction Rebellion an, mit der Besetzung des Monbijourparks zu beginnen. Aktivst:innen sollten ihre Zelte bringen und die nächsten Tage das Camp im Park halten.
Extinction Rebellion hatte bereits im Oktober 2019 und 2020 bei Aktionswochen Straßenblockaden in Berlin organisiert. Konkret fordert das Bündnis die Einberufung eines Bürger:innenrats, der sich mit den notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Klimakrise auseinandersetzen und bindende Beschlussempfehlungen abgeben soll. Das Konzept sieht vor, per Los eine näherungsweise repräsentative Auswahl der Bevölkerung zu ermitteln, die sich anschließend umfassend von Expert:innen und Betroffenen beraten lässt. Derartige Konzepte werden schon länger als Möglichkeit debattiert, die Demokratie zu revitalisieren.
Umgesetzt wurde die Idee etwa 2018 in Irland. Nachdem ein ausgeloster Bürger:innenrat sich für die Liberalisierung des Rechts auf Schwangerschaftsabbrüche ausgesprochen hatte, stimmten 66 Prozent der überwiegend erzkatholischen Bevölkerung für die entsprechende Verfassungsänderung. Zuvor hatte ein solches Ergebnis als höchst unwahrscheinlich gegolten. Das Klimabündnis hofft deshalb wohl, dass informierte Bürger:innen – im Gegensatz zur als in den Händen der fossilen Lobby begriffenen Politik – ausreichend radikale Klimaschutzmaßnahmen beschließen würden. Regierungen als solche könne das Konzept aber nicht ersetzen, so das Forderungspapier.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!