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Aktionsplan für EU-AsylreformNeustart gefordert

21 Organisationen aus EU-Ländern wollen, dass die neue EU-Kommission die Blockade in der Asylpolitik löst. Dafür haben sie jetzt Ideen veröffentlicht.

Die EU ist in Asylfragen gespalten – ausbaden dürfen das Flüchtlinge und Seenotretter Foto: MSF/AP/dpa

Berlin taz | Kommenden Sonntag soll die neue EU-Kommission unter Ursula von der Leyen ihre Arbeit aufnehmen. Eine ihrer schwierigsten Aufgaben wird sein, die Totalblockade der EU-Asylreform zu lösen. Die scheidende Kommission von Jean-Claude Juncker war daran gescheitert.

Am Montag stellt in Berlin eine Koalition aus der Zivilgesellschaft dazu einen Aktionsplan vor. Ähnliche Appelle für eine humanere Asylpolitik gab es in der Vergangenheit einige, doch keiner wurde von NGOs aus West-, Süd- und Osteuropa gemeinsam verfasst.

Die nun von 21 Organisationen aus Frankreich, Deutschland, Tschechien, Polen, Italien und Griechenland, darunter die Diakonie Deutschland und Terre d'Asile aus Frankreich, unterzeichnete „Berliner Erklärung“ fordert einen „Neustart“ in der Asylpolitik. Als ersten Schritt dazu schlägt sie vor, dem EU-Recht überhaupt wieder Geltung zu verschaffen: Die neue Kommission solle die massenhaften, rechtswidrigen Zurückweisungen etwa aus Kroatien oder Griechenland ebenso beenden wie „den Nahrungsentzug und die unmenschlichen Behandlung in den ungarischen Grenzgebieten.“

Kern aber ist die Idee eines einheitlichen EU-Asylstatus. Dabei sollen alle Mitgliedstaaten Asylentscheidungen gegenseitig anerkennen. Die Folge wäre, dass anerkannte Flüchtlinge sofort Freizügigkeit genießen würden, statt wie bisher bis zu fünf Jahre nur im Land des Asylverfahrens leben und arbeiten zu dürfen. So könnten sie sich rasch europaweit auf Arbeitssuche begeben. Eine Folge wäre, dass auch ohne eine Reform der Dublin-Richtlinie die überproportionale Belastung der Außengrenzen-Staaten gemildert würde.

Eine scheinbar unauflösbare Blockade

Die alte Kommission hat seit 2015 versucht, die Asyl-Architektur der EU neu zu regeln. Unter anderem ging es bei den Verhandlungen darum, den Staaten an den EU-Außengrenzen nicht länger die alleinige Verantwortung für die Aufnahme aller Ankommenden aufzubürden. Dies hatte vor allem in Italien maßgeblich zum Aufstieg der rechten Lega beigetragen. Doch unter anderem die osteuropäischen Staaten sperren sich bis heute gegen jeden aus Brüssel angedachten Verteilungsschlüssel. Das Ergebnis: Eine scheinbar unauflösbare Blockade.

Das Innenministerium hatte Mitte November in einem internen Schreiben seine Überlegungen dazu ausgebreitet, wie es trotzdem weitergehen soll. Dabei hatten die Beamten auf die enorme Unwucht innerhalb der EU hingewiesen: „Relativ bemessen (Schutzsuchende/Einwohner) unterscheiden sich die Belastungen in den Mitgliedstaaten teils um mehr als das 300-Fache.“

Dem BMI schwebt deshalb vor, Asylvorverfahren schon an den Außengrenzen durchzuführen. Dazu sollen offenbar Asylbeamte etwa aus dem BAMF in entsprechende Einrichtungen zum Beispiel in Griechenland entsandt werden. Anträge, die „offensichtlich unzulässig“ oder „unbegründet“ sind, sollen unmittelbar an der Außengrenze abgelehnt werden. Personen, die etwa wirtschaftliche Gründe geltend machen, aber auch solche, die durch vermeintlich „sichere Drittstaaten“ gereist sind, sollen so direkt zurückgewiesen werden können. Die wenigen Flüchtlinge, die diese „Vorprüfung“ bestehen, sollen dann nach einem auf Bevölkerungszahl und Wirtschaftskraft basierenden Schlüssel unter den EU-Staaten aufgeteilt werden.

In dem Berliner „Aktionsplan“ warnen die Unterzeichner vor allem vor der verpflichtenden Prüfung, ob die Flüchtlinge durch „sichere Drittstaaten“ gereist sind. „Dies würde ein falsches Signal an diejenigen Länder senden, die viel größere Zahlen von Flüchtlingen aufnehmen als die EU“, und das Recht auf Schutz insgesamt gefährden, etwa wenn Flüchtlinge dann massenhaft in Drittstaaten wie die Türkei zurückgeschoben werden, die sie am Ende weiter abschieben.

„Schlüsselrolle für deutsch-französisches Tandem“

„Ein ‚Weiter-so‘ darf es nicht geben“, sagte Ellen Ueberschär von der Heinrich-Böll-Stiftung, die die Erklärung initiiert hatte. „Wir erwarten von der Kommission, dass sie als Hüterin der EU-Verträge die verheerende Situation für Asylsuchende an den Außengrenzen abstellt“, sagt Diakonie-Präsident Ulrich Lilie. „Insbesondere dem deutsch-französischen Tandem kommt eine Schlüsselrolle dabei zu, dass die neue Kommission eine gemeinsame Europäische Asyl- und Migrationspolitik voranbringen kann“, sagt Thierry Le Roy, Präsident von France terre d'asile.

Tatsächlich dürften alle Reformansätze, die in Richtung Verteilung oder verbesserte Aufnahmebedingunen zielen, nur dann eine Chance haben, wenn sie nach dem Prinzip der „zwei Geschwindigkeiten“ zuerst von einer Kerngruppe von Staaten umgesetzt werden – ohne, wie bislang zu versuchen, rechts regierte Staaten wie Ungarn oder Polen zur Beteiligung zu zwingen. Dass die „zwei Geschwindigkeiten“ die bessere Strategie sind, hatte erst der am Sonntag erstmals aktivierte Verteilmechanismus für schiffbrüchige Flüchtlinge, auch bekannt als „Malta-Plan“, gezeigt – eine deutsch-französische Initiative.

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7 Kommentare

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  • Die bisherige EU Asylpolitik hat sich seit Anfang der 90er rechtspopulistische Prämissen zu eigen gemacht. 1) Wirtschaftsflüchtinge = Schmarotzer die auf "unsere" Kosten leben. Anfang der 90er wie heute sind Flüchtlinge vor Kriegen und Gewalt der größte Teil der weltweiten Flüchtlingszahlen, gefolgt von Klimaflüchtlingen die nach Dürreperioden, Überschwemmungen und anderen Naturkatastrophen ihre Lebensgrundlage verlieren oder in deren Folge gewaltsame Verteilungskonflikte z.B. um Wasser ausgesetzt sind. Hetze und Kriminalisierung von Geflüchteten überwiegt Parteiübergreifend auch in Deutschland. 2001 wurden legale Fluchtwege EU weit geschlossen. Seitdem dürfen Flüchtlinge nicht mehr von Flug- oder Fährunternehmen mitgenommen werden auch dann nicht wenn sie Schutzbedarf nach Genfer Konvention glaubhaft nennen. Seitdem können Flüchtlinge nur noch über "Reiseunternehmer" der Schattenwirtschaft mit all ihren brutalen Begleiterscheinungen in die EU fliehen.



    2) Abschreckung: Freundliche unbürokratische Aufnahme, Hilfe für Traumatisierte, staatliche Seenotrettung gelten als "Pull Faktoren" die Flüchtlinge erst auf die Idee bringen in die EU zu fliehen. Aktuell ist Syrien das größte Fluchtproduzierende Land - weltweit. Der flächendeckende Krieg gegen die eigene "aufmüpfige" Zivilbevölkerung, nach wie vor 200.000 willkürlich Verhaftete darunter 90.000 "Verschwundene" sowie mindestens 14.000 brutal zu Tode gefolterte Zivilisten sind jedoch die "Push- Faktoren". Die absichtlich unmenschliche Behnandlung von Kriegs- und Folterflüchtlingen ihre Internierung in überfüllten lebensgefählichen Massenlagern in Griechenland und der EU-Türkei Deal - die Türkei schiebt seit Jahren syrische Geflüchtete illegal ins Kriegsgebiet ab - ist vollkommen sinnlos - die Menschen werden gewaltsam Heimatvertrieben und fliehen trotzdem weiter. Die gesamte EU-Asylpolitik ist auf Abschreckung und Kriminalisierung ausgerichtet und bestätigt und fördert nur genannte rechtspopulistische Feinbilder.

    • @Nina Janovich:

      Ja @NINA JANOVICH... sie beschreiben die grausame Wirklichkeit der ideologischen (und rassistischen) Ökonomisierung der EU Asylpolitik..



      Demgegenüber steht jedoch das "Festhalten" an den U.N.O. Doktrinen der Allgemeinen Menschenrechte.. sowie das Gebot des Humanismus im Phänomen der ansteigenden Zahlen der Klimaflüchtlinge!



      Es ist doch so, dass die Uneinigkeit der EU durch die Aktivitäten und Forderungen der humanen NGO´s und der "SEEBRÜCKE" sich im sog. `Tandem BRD/FR´ äussert ? Es mag doch so - erstmal- weitergehen, das Rechte EU Nationen weiterhin in inhumaner Härte stagnieren.. und `weltoffene´EU Nationen sich als solidarisch/human identifizieren??

  • Das sogenannte "Prinzp der zwei Geschwindigkeiten" ist doch ebenfalls bereist gescheitert. Wie sich spätestens seit Oktober zeigt, sind keine anderen nennenswerten Länder gewillt, Deutschland und Frankreich zu folgen. Spätestens seit Anfang Oktober gehört somit auch dieses Prinzip schon zu den Rohrkrepierern.

    Die EU-Kommission kann im übrigen nicht an einer Aufgabe scheitern, welche nicht in ihren Zuständigkeitsbereich fällt. Die EU-Kommission moderiert allenfalls. Herr Juncker ist somit zumindest in diesem Punkt nicht gescheitert.

  • Naja.. ein immerhin Erfolg ! Die Idee mit den "zwei Geschwindigkeiten" geht ja auf die Verzweiflungen der NGO Lebensretter , deren wochenlange Odysseen für einen sicheren Hafen.. und so auf die willigen Städte und Kommunen , die gerne bereit sind , aus Schiffbruch und Seenot Gerettete aufzunehmen , zurück !



    Ein humaner Erfolg der "SEEBRÜCKE"!