Abstimmung über EU-Kommission: Ein blasser Neustart

Der Auftritt der neuen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Strassburg war eher unspektakulär. Ihr Team legt jetzt trotzdem los.

Ursula von der Leyen lacht nach einer gewonnen Abstimmung

Nicht gerade visionär: Von der Leyen am Mittwoch im EU-Parlament Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

STRAßBURG taz | Das Warten hat ein Ende. Sechs Monate nach der Europawahl kann die umstrittene neue EU-Kommission um die deutsche CDU-Politikerin Ursula von der Leyen durchstarten. Nach harten Anhörungen, die von Frust über die gescheiterten Spitzenkandidaten und die Einmischung der Staats- und Regierungschefs geprägt waren, hat das Europaparlament am Mittwoch in Straßburg den Weg frei gemacht.

Die neue Kommission wurde mit 461 zu 157 Stimmen bestätigt, 89 Abgeordnete enthielten sich. Die Brüsseler Behörde kann nun am 1. Dezember die Arbeit aufnehmen. Vor der Abstimmung hatten sich die Chefs der drei größten Fraktionen – Konservative, Sozialdemokraten und Liberale – hinter das 27-köpfige „Team von der Leyen“ gestellt. Nur die Linken sagten geschlossen Nein, die Grünen enthielten sich.

Anders als im Juli, als von der Leyen mit einer hauchdünnen Mehrheit gewählt wurde, fällt die Unterstützung diesmal deutlich aus. Doch über eine eigene stabile Mehrheit verfügt die Nachfolgerin von Jean-Claude Juncker immer noch nicht. Viele Abgeordnete sagten, dass sie nur mit Bauschmerzen zugestimmt hätten. Bis zuletzt hatten sogar CDU/CSU-Abgeordnete mit „Nein“ gedroht.

Es sei höchste Zeit für einen „Neustart“, entgegnete von der Leyen ihren Kritikern. „Machen wir uns an die Arbeit“, rief sie den Abgeordneten zu. Danach listete die Kommissionschefin ihre Prioritäten auf. Doch während sie im Juli rot-grüne Akzente gesetzt hatte, wirkte die Rede am Mittwoch blass. Nur ein Verweis auf die Samtene Revolution vor 30 Jahren in Prag hauchte ihr etwas Leben ein.

Es bleibt offen, wie Klimawende finanziert wird

Ganz oben auf der Agenda steht der „European Green Deal“. Von der Leyen präsentierte ihn als Strategie gegen die Klimakrise, aber auch als marktgängige Industriepolitik. Details blieb sie schuldig, die soll der neue mächtige Klimakommissar Frans Timmermans nachliefern. In der Rede blieb auch die Frage offen, wie die Klimawende finanziert werden soll.

Und wie sieht es mit der Schlagkraft aus, die die neue EU-Präsidentin versprochen hat? „Europa muss die Sprache der Macht lernen“, forderte von der Leyen in einer Rede zum 30. Jahrestag des Mauerfalls. Wie dies praktisch aussehen soll, ist jedoch unklar. Wenn es um militärische „hard power“ geht, ist sie weitgehend machtlos – wie der Streit zwischen Macron und Merkel um die Nato gezeigt hat.

Macron bezeichnete das Bündnis als „hirntot“. Merkel widersprach, von der Leyen schwieg. Auch vom neuen EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, einem Spanier, hat man zu diesem Thema noch nichts gehört. Dennoch lobte ihn von der Leyen in ihrer Rede in Straßburg. Auch Margrethe Vestager (Wettbewerb und Digitales) und Thierry Breton (Binnenmarkt und Industrie) hob sie positiv hervor.

Dabei war der Franzose Breton bis zuletzt umstritten. Bis zu seiner Nominierung hatte er als Chef des IT-Konzerns Atos gearbeitet – es ist das erste Mal, dass ein Konzernboss direkt in die EU-Kommission wechselt. Die Linke und „Die Partei“-Chef Martin Sonneborn haben sich schon auf Breton eingeschossen. Nahezu alle Bereiche, für die er bisher bei Atos tätig war, werde Breton künftig als Kommissar selbst regulieren, kritisiert Sonneborn.

Versprochene Geschlechter-Parität verfehlt

Von der Leyen ging über diesen Einwand ebenso hinweg wie über die Kritik am ungarischen Erweiterungskommissar Oliver Varhelyi. Viele Abgeordnete werfen ihm zu große Nähe zu Regierungschef Viktor Orbán vor. Außerdem sei schwer zu verstehen, dass nun ausgerechnet ein Land, in dem Demokratie und Rechtsstaat missachtet werden, die EU-Werte auf dem Balkan voranbringen soll, kritisierte die SPD-Europaabgeordnete Katarina Barley in der taz.

Die neue Kommissionschefin konzentrierte sich lieber auf das Positive. Sie sei nicht nur die erste Frau in diesem Amt, sondern habe auch das weiblichste Team aller Zeiten aufgestellt. Die versprochene Parität wurde allerdings verfehlt: Der neuen Kommission gehören 15 Männer an – aber nur 12 Frauen. Kleiner Trost: Von der Leyen will ab jetzt auf allen Managementebenen ihrer Behörde für Gleichheit sorgen. Allerdings soll die Parität erst 2024 erreicht werden, zum Ende ihrer Amtszeit.

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