Aiwangers Entschuldigung: Reumütig geht anders
Hubert Aiwanger hatte viel Zeit für eine Entschuldigung – und ließ sie verstreichen. Das Schauspiel, das er nun bietet, ist erbärmlich.
D iesen Auftritt hätte er sich sparen können – und uns ersparen. Zutiefst bereue er sein Verhalten, aufrichtig entschuldige er sich, sagt Hubert Aiwanger in einem nicht einmal zwei Minuten langen, abgelesenen Statement, für das er die Presse der Landeshauptstadt in sein Ministerium gebeten hatte.
Mit Verlaub, aber das ist peinlich und lächerlich. Und vor allem: reichlich spät. Für eine glaubwürdige Entschuldigung hätte Aiwanger zehn Tage Zeit gehabt.
Gleich nachdem die Süddeutsche Zeitung ihn mit den ersten Vorwürfen konfrontiert hat, hätte er reinen Tisch machen können, sagen, was Sache ist. Er hätte glaubhaft machen können, dass ihm seine jugendlichen Verirrungen leid tun und die Pamphlete, Hitlergrüße und Judenwitze von damals nichts, aber auch gar nichts mit seiner heutigen Einstellung zu tun haben. Hat er aber nicht. Stattdessen drohte er der Zeitung mit dem Anwalt und beklagte sich über eine vermeintliche Schmutzkampagne.
Auch nach der ersten Veröffentlichung der Vorwürfe hätte es am Wochenende noch die Gelegenheit gegeben, sich zu entschuldigen. Oder nach dem Koalitionsausschuss am Dienstag, als Aiwanger Markus Söder allein vor die Presse treten ließ. Jetzt – unter größtmöglichem Druck – mit ein paar weichgespülten Entschuldigungsfloskeln um die Ecke zu kommen, ist fast schon dreist. Zu glauben, damit durchzukommen, ist im besten Fall naiv.
Nicht nur, dass Aiwanger noch nicht mal zu wissen scheint, wofür er um Verzeihung bittet, entlarvt seine Entschuldigung als leere Worthülse. Auch dass er umgehend wieder in die Gegenoffensive übergeht, dementiert, was noch irgendwie zu dementieren ist, und erneut eine politische Kampagne gegen ihn wittern will, zeigt, wie windig und berechnend Aiwangers angebliche Reue ist.
Was bei den Vorwürfen allerdings etwas aus dem Blickfeld gerät, und was auch Aiwanger und Söder bisher nicht begriffen haben: Es geht hier nur am Rande um den 16-jährigen Hubsi am Burkhart-Gymnasium, der allem Anschein nach etwas durchgeknallt war. Oder vielleicht auch etwas mehr. Schlimm wäre es, wenn einem Jugendlichen, der Mist baut, der Weg zurück in die Gesellschaft auf Dauer versperrt bliebe.
Nein, es geht um Hubert Aiwanger, 53, stellvertretender Ministerpräsident und Wirtschaftsminister des Freistaats Bayern. Es geht um den Mann, der zuletzt immer ungenierter in sehr seichten, rechten Gewässern fischte. Und um den Politiker, der jetzt – wenn überhaupt – nur scheibchenweise mit der Wahrheit herausrückt, herumlaviert, nach dem nächsten Schlupfloch Ausschau hält und sich, was just in dieser Angelegenheit besonders geschmacklos ist, als Opfer darstellt.
Die Chance, klarzumachen, dass der Hubert von heute wirklich nichts mehr mit dem Hubsi von damals zu tun hat, hat Aiwanger allerspätestens am Donnerstagnachmittag endgültig verspielt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Auf dem Rücken der Beschäftigten
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag