Aiwanger und Bayern: Wo sind hier die Hakenkreuze?

Aiwanger, das war kein Einzelfall. Neonazis kamen im Bayern der 80er Jahre ziemlich häufig vor. Und in Berlin ist es auch ohne Flugblätter spannend.

Schwarz-weiß-Aufnahme einer Menschenmenge, im Vordergrund sind Polizisten

München, 13.06.1989: Demonstration gegen eine Kundgebung der rechtsextremen Partei Die Republikaner Foto: Werek/imago

Seit ich aus dem Urlaub zurück bin, fühle ich mich wie in einer animierten Version eines berühmten Gemäldes von Martin Kippenberger: „Ich kann beim besten Willen kein Hakenkreuz erkennen“ heißt das überaus klarsichtige Werk. Darauf sind schwarz-rot-goldene Stäbchen so angeordnet, dass sie mehrere Hakenkreuze ergeben könnten – oder auch nicht, je nachdem, was man sehen will und wie viel. Das Bild entstand 1983; im selben Jahr, in dem der Rundfunkredakteur und ehemalige SS-Mann Franz ­Xaver Schönhuber die Partei Die Republikaner gründete.

Und drei Jahre nach dem rechtsextremen Oktoberfestattentat, das der damalige bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß und sein Innenminister Gerold Tandler Linken in die Schuhe zu schieben versuchten. Vier Jahre später wiederum hat der Schüler Hubert Aiwanger im niederbayerischen Mallersdorf-Pfaffenberg mutmaßlich ein Flugblatt verfasst, das jetzt dem bayerischen Landtagswahlkampf braune Flecken verpasst. Auch hier ein munteres Vexierbild aus Hakenkreuzen: deutlich zu erkennen oder eben auch nicht.

Wenn Aiwanger, was er beteuert, wirklich nicht der Urheber von Fantasien einer Bestrafung der „größten Vaterlandsverräter“ war, denen ein „Freiflug durch den Schornstein in Auschwitz“ gewünscht wird – wofür entschuldigte er sich am Donnerstag dann bei Opfern des Nationalsozialismus?

Dafür, dass er die Pamphlete, mit denen er angeblich nichts zu tun hat, in seinem Schulranzen hatte? Für die laut ehemaligen Mitschülern dargebrachten Hitlergrüße im Klassenzimmer, die er allerdings auch abstreitet? Will er seinen älteren Bruder schützen, der das Ding verfasst haben soll und sich nun der Öffentlichkeit als Bauernopfer andient? Oder ist Freie-Wähler-Hubert tatsächlich auf dem Zenit seiner politischen Karriere von einem rachsüchtigen Ex-Lehrer zu Fall gebracht worden?

Natürlich weiß ich auch nicht genau, wo hier die Hakenkreuze versteckt sind. Aber ich habe meine Vermutungen. Schließlich war ich in den 1980ern selbst Schülerin an einem bayerischen Kleinstadtgymnasium und kann Ihnen versichern: Die wenigen Sozis und sehr wenigen Grünen unter dem Lehrpersonal waren weitaus harmloser als zum Beispiel das Ehepaar, das in Sport und Biologie den Lehrplan mit Abhärtungsideologie, Darwinismus und nationalistisch begründetem „Lebensschützertum“ anreicherte.

Sorgsam unter der StGB-Grenze

Immer sorgsam unterhalb jeder strafrechtlichen Grenze natürlich. Auch ihre Hakenkreuze waren nie so ganz fassbar – doch als die in Bayern besonders erfolgreichen REPs Anfang der 1990er Jahre zur Veranstaltung in unserem Heimatort einluden, sah ich die beiden Pädagogen hineingehen. Hakenkreuz gefunden! An unserer Schule gab es dafür freilich keine Pluspunkte – im Nazissuchen war man in Bayern nie so eifrig wie im -gewähren-Lassen.

Mit dem Ansehen Bayerns, um das sich Markus Söder sorgt, war es in dieser Hinsicht noch nie weit her. Momentan würde es mir aber schon reichen, wenn man in München mit Eifer Koffer suchen würde – etwa unsere, die auf dem Weg von San Francisco nach Berlin in München liegen geblieben sind. Sommerklamotten, Badezeug, Bücher, Kosmetika, Souvenirs – seit einer Woche lagert alles im Süden, am Franz-Josef-Strauß-Airport ausgerechnet. Ein Zeichen? Ein Wink, mal wieder die Heimat zu besuchen? Nein danke, hier in Berlin ist es gerade auch ohne Flugblätter sehr spannend.

Wo ist hier der Linkstrend?

Nach dem „Wunder von Meseberg“ bereitet die FDP schon den nächsten Koalitionskrach vor: Strompreis für die Indus­trie senken statt subventionieren, Atomkraftwerke stehen lassen und überhaupt: für „ein modernes nichtlinkes Deutschland kämpfen“ (O-Ton Lindner). Klar, der allgemeine Linkstrend ist ja auch besorgniserregend! Für Sachsen etwa gibt es eine neue Umfrage: Linke 9, SPD 7, Grüne 6 Prozent, das macht zusammen 22! Die FDP liegt nur bei 5. Ungerecht! Dass die AfD bei 35 liegt, geht sicher vorbei, wenn man nur entschlossen genug die Wirtschaft päppelt. Wo tagen die ­Liberalen noch mal? Ach ja, in Dresden.

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Jahrgang 1974, geboren in Wasserburg am Inn, schreibt seit 2005 für die taz über Kultur- und Gesellschaftsthemen. Von 2016 bis 2021 leitete sie das Meinungsressort der taz. 2020 erschien ihr Buch "Der ganz normale Missbrauch. Wie sich sexuelle Gewalt gegen Kinder bekämpfen lässt" im CH.Links Verlag.

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