Antisemitsches Hetzblatt: Besorgt um Bayerns Ansehen

Im Fall Aiwanger zeigt sich nun die Bundesregierung besorgt um das Ansehen des Freistaates. Der Druck auf ihn wächst seitens der FDP – und Söders.

Markus Söder im Bierzelt mit netten Menschen beim Biertrinken

Ist der Ruf erst ruiniert, trinkts sich frei und ungeniert Foto: Lindenthaler/imago

BERLIN/MÜNCHEN dpa/afp/reuters/taz | Im Fall von Bayerns Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger hat die Bundesregierung Sorge um das Ansehen des Freistaats geäußert. „Hier geht es inzwischen auch um das Bild, das der Freistaat Bayern in der Welt abgibt“, sagte Vize-Regierungssprecher Wolfgang Büchner am Freitag in Berlin. Die schwerwiegenden Vorwürfe gegen Aiwanger, die im Raum stünden, müssten aufgeklärt werden, bekräftigte Büchner im Namen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

Aiwanger (Freie Wähler) hatte zurückgewiesen, zu Schulzeiten in den 1980er Jahren ein antisemitisches Flugblatt geschrieben zu haben. Er räumte aber ein, es seien „ein oder wenige Exemplare“ in seiner Schultasche gefunden worden. Aiwangers älterer Bruder gab zu, das Pamphlet geschrieben zu haben. Aiwanger entschuldigte sich dann öffentlich. Büchner betonte: „In Deutschland gibt es keinen Platz für Antisemitismus.“ Der Kampf gegen Antisemitismus in all seinen Formen sei eine zentrale Aufgabe des demokratischen Rechtsstaats. „Für die Bundesregierung hat dieser Kampf höchste Priorität.“

Aiwanger verteidigte sich erneut bei einem Bierzeltauftritt in Niederbayern. „Jawohl, auch ich habe in meiner Jugend Scheiß' gemacht. Jawohl, ich habe auch Mist gemacht“, sagte er am Freitag beim Karpfhamer Fest in Bad Griesbach (Landkreis Passau). Und weiter: „Das Flugblatt war scheußlich, das ist nicht wegzudiskutieren.“

Er finde es aber nicht in Ordnung, jemanden später in seinem Leben mit Dingen, die 35 bis 40 Jahre zurückliegen, zu konfrontieren „bis zu seiner beruflichen Existenzvernichtung“. Es gebe viele Dinge, die man im Nachhinein nicht mehr machen würde. Aber man müsse einem Menschen auch zubilligen, im Leben gescheiter zu werden. Er sprach erneut von einer von langer Hand geplanten Schmutzkampagne gegen ihn, „vielleicht, um die Grünen in die Landesregierung zu bringen“.

Druck auf Aiwanger von Söder und FDP

Die FDP-Bundestagsfraktion forderte in der Affäre um das antisemitische Flugblatt eine rasche Aufklärung durch die bayerische Staatsregierung. „Die Vorwürfe wiegen schwer“, sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr am Freitag in Dresden nach der Herbstklausur der Bundestagesfraktion. „Und es ist jetzt auch am bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, hier zügig für Aufklärung zu sorgen. Herr Aiwanger ist schließlich sein Stellvertreter.“

Söder bezeichnete Aiwangers am Donnerstag ausgesprochene Entschuldigung als „dringend notwendig“, es „bleiben aber noch viele Fragen offen.“ „Für mich ist wichtig, dass die 25 Fragen jetzt umfassend und glaubwürdig beantwortet werden – und zwar zeitnah“, sagte Söder. „Zeitnah heißt, am besten noch heute.“

Auf Drängen der Staatskanzlei soll Aiwanger einen Katalog von 25 Fragen zu dem Flugblatt schriftlich beantworten, nachdem bei der Krisensitzung des Koalitionsausschusses von CSU und Freien Wählern am Dienstag Fragen offen geblieben waren.

In einem Statement entschuldigte sich Aiwanger am Donnerstag erstmals für mögliche Fehler in seiner Jugendzeit. Seine Entschuldigung gelte „zuvorderst allen Opfern des NS-Regimes, deren Hinterbliebenen und allen Beteiligten an der wertvollen Erinnerungsarbeit“. Zugleich sprach er angesichts der Vorwürfe erneut von einer politischen Kampagne gegen ihn und seine Partei.

Söder hält trotz der Vorwürfe vorerst weiter an seinem Vizeregierungschef fest, verwies aber darauf, dass eine abschließende Bewertung noch ausstehe. Der CSU-Chef will die Koalition mit den Freien Wählern auch nach der Landtagswahl am 8. Oktober fortsetzen.

Er deutete aber an, dass eine weitere Zusammenarbeit auch ohne Aiwanger denkbar sei. Die Freien Wähler in Bayern stellten sich geschlossen hinter Aiwanger. Auf die Frage der Zeitung „Welt“ am Donnerstag, ob es nach der Wahl mit der Koalition aus CSU und Freien Wählern weiter gehe, antwortete Aiwanger mit „ja“.

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