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Agrarpolitik im KoalitionsvertragsNeue Koalition will mehr Ökonomie als Ökologie

Der Bauernverband sieht im Koalitionsvertrag viele seiner Forderungen erfüllt. Umweltschützer aber zeigen sich besorgt.

Ist der Boden gesund? Nicht so wichtig für CDU/CSU und SPD Foto: Michael Bihlmayer/imago

Berlin taz | Das Agrarkapitel des Koalitionsvertrags liest sich wie der Dank der Union für die Bauernproteste, die zum Sturz der Ampelregierung beigetragen haben. Der Bauernverband sieht zentrale Forderungen erfüllt, während Umweltorganisationen warnen.

Die jährlich 450 Millionen Euro Subvention für Agrardiesel wollen CDU/CSU und SPD wieder einführen. Das senkt die Anreize, klimaschädlichen Kraftstoff für Traktoren einzusparen. Der Bauernverband freut sich, dass damit die Besteuerung wieder „auf den europäischen Durchschnitt“ zurückgeführt werde. Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter dagegen kritisierte, dass diese Maßnahme wegen der geringen Summen, die bei den Einzelnen ankommen, für „durchschnittliche Milchviehbetriebe kaum spürbare Entlastung“ bringe.

Die Koalition will die Landwirtschaft auch nicht in den Emissionshandel einbeziehen. Das künftig von der CSU geführte Agrarministerium soll die Stoffstrombilanz im Düngerecht abschaffen. Diese zeigt, wie viel Pflanzennährstoffe ein Hof in die Umwelt abgibt. Die Deutsche Umwelthilfe prophezeite der Bundesrepublik deshalb umgehend ein neues EU-Vertragsverletzungsverfahren.

In Zukunft soll auch für weniger Projekte wie Industrie- oder Stallanlagen eine Umweltverträglichkeitsprüfung nötig sein. Das Verbandsklagerecht, etwa von Naturschutzorganisationen, soll ausgehöhlt werden, das Umwelt-Informationsgesetz wollen die Koalitionäre „verschlanken“. Für den Deutschen Naturschutzring sind das „gravierende Risiken“, die auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährdeten.

Längere prekäre Beschäftigung von Erntehelfern

Die EU-Verordnung gegen Entwaldung soll für deutsche Forstwirte praktisch nicht gelten. Die geplante Richtlinie zur Überwachung der Böden, auf die sich das Europäische Parlament und die EU-Mitgliedstaaten erst am Donnerstag geeinigt haben, lehnen die Koalitionäre ab. Wenn die EU den Schutzstatus des Wolfs herabstuft, soll das „unverzüglich“ in nationales Recht übersetzt werden. Pestizide sollen schneller zugelassen werden.

Damit mehr Obst und Gemüse in Deutschland angebaut wird, wollen die Parteien die maximale Beschäftigungsdauer von Saisonkräften ohne gesetzliche Krankenversicherung von 70 auf 90 Tage verlängern.

Auf der anderen Seite verspricht die Koalition, „ein Prüf- und Zulassungsverfahren für Stallsysteme“. Sie beabsichtigt auch, „den tierwohlgerechten Stallbau“ auf Grundlage staatlicher Verträge dauerhaft zu finanzieren. Die verpflichtende Kennzeichnung der Tierhaltungsform von Fleischprodukten will sie „praxis­tauglich“ reformieren.

Das Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz und die Moorschutzstrategie sollen laut Koalitionsvertrag „verstetigt“ werden. Geplant ist zudem ein Naturflächenbedarfsgesetz, was der Naturschutzbund ausdrücklich lobte.

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3 Kommentare

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  • Mehr Ökonomie als Ökologie / Klimaschutz wollten auch die Teilnehmer der WEF-Konferenz vor ein paar Wochen in Davos. Auch UvdL hat sich schon entsprechend geäußert.



    Schon vor einem Jahr beginnend haben die Großbanken das Ruder entsprechend umgeworfen und eine nach der andern ihre Net-Zero-Investionspolitik aufgekündigt um wieder in fossile Themen zu investieren. Kein Wunder, den die Anlagen in "grüne Themen" gehen schon seit mehr als einem Jahr immer mehr in die Knie und die fossilen Anlagen steigen.



    Wo es nun global hingeht ist offensichtlich, das muss ich hier sicher nicht schreiben.

  • Es liegt an uns Verbraucher, ob wir diesen Irrsinn mitmachen! Kein Gesetz zwingt uns, vergiftete Lebensmittel zu kaufen, eine höchst fragwürdige Landwirtschaft zu unterstützen - alle Optionen liegen auf dem Tisch.

  • Thema Nr. 1 im Wahlkampf war die Migration. Danach kamen allerlei Dinge, die suggerieren sollten, es ginge einfach weiter wie bisher bzw. es wird ökonomisch alles gut. Schlaftabletten für die Wähler, Bonbons für die erzürnten Bauern. Das Resultat: Klimawandel und Artensterben werden auch dann mit allen Konsequenzen zuschlagen, wenn man versucht sie zu ignorieren.