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Afghanistan unter den TalibanUNO prüft Afghanistan-Mission

Die Weltorganisation reagiert darauf, dass die Taliban afghanischen Frauen verboten haben, in der gesamten UN-Mission mitzuarbeiten.

Stetige Verschlechterung der Menschenrechte für Frauen in Afghanistan: Demonstration in Kabul im März 2022 Foto: Mohammed Shoaib Amin/ap

Berlin taz | Die UNO wird bis Anfang Mai ihren Gesamteinsatz in Afghanistan einer „operationalen Überprüfung“ unterziehen. Das betrifft ihre politische Mission Unama und den vom Koordinierungsbüro Unocha umgesetzten humanitären Einsatz.

Von westlichen Geberländern finanzierte und über die UNO sowie Nichtregierungsorganisationen implementierte Entwicklungsvorhaben liegen wegen früherer Taliban-Verbote bereits seit Monaten auf Eis. Ausnahmen gibt es im Gesundheits- und einigen anderen für die Bevölkerung überlebenswichtigen Bereichen. Solch eine Überprüfung schließt auch die Schließung, zeitweilige Suspendierung der Gesamtmission oder Verlagerung ins Ausland nicht aus.

Die Entscheidung ist eine Reaktion auf das vorige Woche vom Taliban-Regime ausgesprochene Arbeitsverbot für afghanische UN-Mitarbeiterinnen, das auf eine Reihe ähnlicher Verbote für Afghaninnen folgte.

Bis zum 5. Mai wird das gesamte lokale UN-Personal von zu Hause aus arbeiten. Eine interne Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats am Freitag in New York segnete die Entscheidung offenbar ab.

Frauenarbeitsverbot verstößt gegen UN-Charta

Die Weltorganisation verurteilte am Dienstag das Taliban-Arbeitsverbot als „ungesetzlich“ unter ihrer Charta. Afghanistan ist auch unter den Taliban UN-Mitglied. Doch verweigerte die Generalversammlung ihnen, den Sitz ihres Landes einzunehmen.

Die UN-Sondergesandte für Afghanistan, die kirgisische Ex-Präsidentin und -Außenministerin Rosa Otunbajewa, will nun die wichtigsten Akteure konsultieren und Ausnahmeregelungen für „alle möglichen Ergebnisse“ der Überprüfung vorbereiten. Mit ihrem Verbot, so Otunbajewa, wollten die Taliban „die Vereinten Nationen zwingen, eine scheußliche Wahl zu treffen, zwischen Bleiben und die afghanischen Menschen zu unterstützen oder zu Normen und Prinzipien zu stehen, denen wir verpflichtet sind“ – darunter der Nichtdiskriminierung von Frauen. Die Verantwortung für etwaige negative Konsequenzen liege allein bei den Taliban.

Von 3.900 UN-Angestellten in Afghanistan sind 3.300 lokaler Herkunft, davon 400 Frauen. Viele arbeiten bereits außerhalb des Landes.

Nach dem Verbot, das die Taliban nur mündlich mitgeteilt hatten, hatte die UNO für ihr afghanisches Personal zunächst zwei Tage Homeoffice angeordnet. Diese Zeit wollten Otunbajewa und ihr deutscher Vize Markus Potzel nutzen, die Taliban zur Rücknahme des Verbots zu bewegen.

Taliban-Chef trifft keine UN-Diplomaten

Das klappte offenbar nicht. Die eigentlichen Taliban-Entscheidungsträger um De-facto-Staatsoberhaupt Hibatullah Achundsada mit Sitz im südlichen Kandahar treffen keine Diplomaten aus dem Westen, zu dem sie auch die UNO zählen. Nur dem Botschafter eines islamischen Landes soll es bisher gelungen sein, Achundsada zu treffen.

Eine Koalition der Frauenprotestbewegung forderte am Montag in Kabul die UNO und Nichtregierungsorganisationen auf, ihre Operationen im Land einzustellen, bis die Frauenarbeitsverbote aufgehoben seien. Sie warfen der UNO vor, gegenüber den Taliban „zu flexibel“ zu sein und das Unama-Büro wegen seiner vom UN-Sicherheitsrat befürworteten Gesprächsstrategie „in ein Gästehaus für die Taliban“ verwandelt zu haben.

Am Montag warnte das UN-Welternährungsprogramm, Afghanistan stehe vor der größten Hungerkrise seit 25 Jahren. Die Arbeitsverbote für bei der UNO und NGOs angestellte Afghaninnen erschwerten bereits die Verteilung von Nahrungsmitteln. Laut Unocha handelt es sich um die weltgrößte humanitäre Krise, während die Hilfen für das Land am stärksten unterfinanziert seien. Dazu tragen auch die Taliban mit ihrer frauenfeindlichen Politik bei.

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