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Afghanistan-Konferenz in DohaTaliban-Gespräche ohne Afghaninnen

Weil die afghanischen Taliban auf internationale Anerkennung hoffen, nahmen sie erstmals an einem von der UNO organisierten Treffen in Doha teil.

Taliban-Delegationsleiter Sabihullah Mudschahid am Sonntag in Doha mit dem Afghanistan-Gesandten des russischen Präsidenten Foto: Taliban-Sprecher Büro/ap

Berlin taz | Im katarischen Doha haben seit Sonntag Vertreter des Taliban-Regimes mit Diplomaten und Diplomatinnen von 25 Staaten und internationalen Organisationen über Afghanistans Zukunft beraten. Es ist das dritte Treffen im sogenannten Doha-Prozess, aber das erste mit den Taliban. Die Gespräche, bei denen es jetzt offiziell um die Bekämpfung von Terrorismus sowie wirtschaftliche Entwicklung ging, waren bis Montagabend geplant.

Zum ersten dieser von der UNO einberufenen Treffen im Mai 2023 waren die Taliban, die seit August 2021 wieder an der Macht sind, nicht eingeladen worden. Das wurden sie erst beim zweiten Treffen im letzten Februar, doch boykottierten sie dieses, weil auch Vertreter und Vertreterinnen der afghanischen Zivilgesellschaft teilnahmen, darunter explizit auch Frauen. Die Taliban beharren darauf, dass nur sie selbst die einzig wahren Vertreter des Landes seien.

Noch erkennt kein Staat das Taliban-Regime an, meist wegen dessen drakonischer Einschränkungen der Grund- und Bildungsrechte von Frauen. Doch haben 16 Staaten in Kabul Botschaften, und einige wie China, Russland und Saudi Arabien bewegen sich in Richtung einer offiziellen Anerkennung.

Um den Dialog nicht erneut zu gefährden, hatten die Verantwortlichen der UNO jetzt die Taliban-Bedingungen einer Konferenz ohne afghanische Frauen akzeptiert. Die US-Diplomatin Rosemary DiCarlo, die als UNO-Vizegeneralsekretärin für politische Angelegenheiten offiziell der Konferenz vorsteht, versprach aber: „Die Themen inklusive Regierungsführung, Frauen- und Menschenrechte werden Teil eines jeden Programmpunktes der Konferenz sein.“

„Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel“

Ihr widersprach der UN-Sonderberichterstatter zur Situation in Afghanistan, der neuseeländische Menschenrechtsexperte Richard Bennett. Der Ausschluss von Frauen sei ein „zu hoher Preis“ für das Treffen.

Auch afghanische Frauen- und Exilorganisationen sowie internationale Menschenrechtsgruppen kritisierten die UNO. Die Generalsekretärin von Amnesty International, Agnès Callamard, erklärte: „Die Glaubwürdigkeit dieses Treffens steht auf dem Spiel.“

Die UNO lädt Gruppen der afghanischen Zivilgesellschaft für Dienstag zu einem Treffen in Doha ein. Das boykottieren aber manche der Eingeladenen aus Protest gegen den Ausschluss von dem wichtigeren Treffen zuvor.

Schon vor Beginn des offiziellen Treffens in Doha, wo die Taliban auch ihr einziges internationales Büro unterhalten, traf sich deren Delegation unter Leitung von Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahid mit Gesandten aus Russland, Indien, Usbekistan und Saudi-Arabien.

Mudschahid nannte die Frage von Frauenrechten eine „interne Angelegenheit“ Afghanistans, die in Doha kein Thema sei. Andere Länder sollten die religiösen und kulturellen Werte Afghanistans anerkennen.

Taliban-Sprecher sieht Unterstützung für Afghanistan

Die Taliban wollen die Anerkennung ihres Regimes und ein Ende der Sanktionen erreichen und damit Zugang zum von den USA eingefrorenen afghanischen Auslandsguthaben im Umfang von rund 7 Milliarden US-Dollar bekommen.

Am Montag äußerte sich Mudschahid auf X optimistisch über den Konferenzverlauf: „Das heutige Treffen kommt sehr gut voran, die meisten Länder drücken ihre Unterstützung für Afghanistans Privatwirtschaft aus. Sie erklärten, dass die Restriktionen im Bank- und Wirtschaftssektor aufgehoben werden sollten.“

Afghanistans Wirtschaft liegt seit dem Abzug der internationalen Gemeinschaft im Sommer 2021 am Boden. Das Gros der Bevölkerung benötigt dringend wirtschaftliche Hilfe. Darüber hinaus leidet das Land unter Naturkatastrophen wie Dürren und Überschwemmungen.

Als Errungenschaft können die Taliban auf die Reduzierung des Opiumanbaus um rund 90 Prozent verweisen.

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3 Kommentare

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  • Klar, wer nimmt die UNO denn noch ernst? Aber nicht vergessen, sie garantiert Hunderttausende direkte und indirekte Jobs weltweit. Die den Vorteil haben, nichts zu bewirken und somit ausser etwas Ressourcenverbrauch und Klimaerwaermung kaum Schaden anzurichten. Eine beispielhafte Einrichtung mit viel Zukunft in einer Zukunft, in der Placebo-Jobs immer wichtiger werden.

  • Es fällt schwer, die UNO als Institution wahrzunehmen, die die Welt noch braucht. Angefangen vom Konzept der ständigen Mitglieder mit Vetorecht des Sicherheitsrats, über die nur indirekte demokratische Legitimation bis hin zur Stimmverteilung. Dazu noch handfeste Skandale um sexuelle Ausbeutung und Missbrauch durch UN-Mitarbeiter, die Forcierung des Nahost-Konflikts durch die UNRWA usw.



    Da ist dieser Schlag ins Gesicht aller Frauen, nur ein weiterer Beleg...

  • Klar, Menschenrechte, ergo auch Frauenrechte sollten eine "innere Angelegenheit" sein, genauso die religiöse Verbrämung jeglicher Form von Unterdrückung und Diskriminierung - vom Abtreibungsverbot in erzkatholisch oder evangelikal (irre)geleiteten Staaten bis zu Körper- und Todesstrafen in islami(sti)schen Staaten.



    Was hätten die anderen Konferenzteilnehmer tun können? Ausschließlich Frauen schicken, von der Verhandlungsführerin über die Übersetzerin bis zur Protokollantin. Oder die männlichen Konferenzteilnehmer hätten schweigen und nur die Frauen sprechen lassen sollen. Was hätte es für subversive Mittel gegeben... aber man will ja Geschäfte machen und China und Russland et al. haben da nicht so komische Skrupel.



    Menschenrechte, pah!