AfD in den Medien: Eine unnötige Bühne
Reißerische Lügen lassen sich gut verkaufen. Trotzdem wären Fakten-Checks und Aufklärung viel sinnvoller als Interviews mit AfD-Politikern.
N ach der ersten Wahl des ersten AfD-Landrats in Thüringen sind viele Menschen, die nicht ins rechtsextreme Weltbild der AfD passen, tief verunsichert. Sie machen sich Sorgen um die Zukunft, haben Angst, sitzen teilweise sogar auf gepackten Koffern. Die AfD ist in Thüringen durch eine demokratische Wahl erstmals Teil der Exekutive, ein Teil Machtstruktur, mit dem man umgehen muss, der nicht mehr nur Einfluss aufs politische Klima hat, sondern Entscheidungen treffen kann.
Das macht die AfD aber noch lange nicht zu einer demokratischen Partei. Sie hat sich seit ihrer Gründung stetig radikalisiert, heute führen Rechtsextremisten wie Björn Höcke mit neofaschistischer Agenda. Trotz dieser Entwicklung normalisiert sich die AfD weiter – in Umfragen steht sie so gut da wie zuletzt 2018. Kürzlich verkündete Alice Weidel ihren Wunsch, einen Kanzlerkandidaten aufstellen zu wollen – eine Koalition mit anderen Parteien ist aber dennoch in weiter Ferne, gerade wegen ihrer Radikalisierung hat sie keine Chance auf das Kanzleramt.
In dieser Situation dachte der Stern, es sei eine gute Idee, ein Weidel-Interview auf den Titel zu heben, und begründet das in einem Editorial mit dem formulierten Machtanspruch und der angekündigten Kanzlerkandidatur. Man trägt allerdings zur Normalisierung der Partei bei, wenn man ihre Aussage aufgreift, einen Kanzlerkandidaten aufstellen zu wollen, und beflissen fragt, wie sie sich denn so eine AfD-Kanzlerschaft vorstelle. So geht man letztlich der Erzählung der AfD auf den Leim und bietet ihr unnötig eine Bühne.
Was es im journalistischen Umgang mit der AfD nicht braucht, sind reißerisch angetextete Wortlautinterviews über Fantasieambitionen und das Privatleben einer rechtsextremen Parteifunktionärin, in denen sie teils unwidersprochen Lügen verbreiten kann und behauptet, es gebe keine Rechtsextremen in der AfD. Was es braucht, sind Einordnungen, Recherche und Faktenchecks. Die dürfen dann gerne auch auf den Titel.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
RTL Quadrell
Klimakrise? War da was?
Verlierer der Wahlrechtsreform
Siegerin muss draußen bleiben
Absturz der Kryptowährung $LIBRA
Argentiniens Präsident Milei lässt Kryptowährung crashen
Linksruck bei U18-Wahl
Die Linke ist stärkste Kraft