AfD-Strategie: Innen extrem, außen weichgespült
Beim AfD-Europa-Parteitag setzen sich die Extremisten durch. Doch bei Dexit und Nato-Austritt bleibt die Partei unverbindlich – mit Kalkül.
A uf dem AfD-Parteitag, der an den vergangenen zwei Wochenenden in Magdeburg getagt hat, war eine bemerkenswerte Dissonanz festzustellen. Wer bei der Aufstellung der Kandidat*innen für das Europaparlament am radikalsten auftrat, bekam den meisten Applaus und hatte die größte Aussicht auf einen sicheren Listenplatz. Beim Programm aber war man deutlich vorsichtiger. Das ist Strategie.
Da wurde einerseits vier Tage lang von Kandidaten lautstark vom „großen Austausch“ schwadroniert, einer rechtsextremen Verschwörungserzählung. Da war von „globalisierten Eliten“ die Rede, ein antisemitischer Code. Da wurde „Remigration“ gefordert, also die Deportation einer großen Anzahl von Einwander*innen und ihrer Nachkommen. Eine Kandidatin verlangte Pushbacks, „egal was der Europäische Gerichtshof dazu sagt“, und landete auf Listenplatz 7. Ein anderer behauptete, Schwule und Transmenschen seien „staatlich geduldete Kinderficker“, und bekam Applaus dafür.
Auf der Liste haben sich die besonders Extremen durchgesetzt. Beim Programm aber hat die Parteispitze erfolgreich dafür gesorgt, die radikalsten Forderungen weichzuspülen. Gefordert wird nicht, wie ursprünglich vorgesehen, die Auflösung der Europäischen Union. Eine europäische Wirtschafts- und Interessengemeinschaft, ein „Bund europäischer Nationen“ soll nun neugegründet werden. Bedeutet auch das Ende der EU, klingt aber weniger radikal.
Der Dexit, der deutsche Austritt aus der EU, der im Bundestagswahlprogramm steht, kommt nicht vor, obwohl die EU als „nicht reformierbar“ und „gescheitert“ bezeichnet wird. Zu Ende gedacht ist da ein Dexit nicht weit.
Auch ein Austritt aus der Nato, der in der AfD umstritten ist, wird nicht klar thematisiert. „Es ist notwendig, dass Europa seine Verteidigungsfähgkeit in die eigene Hand nimmt“, heißt es nun im Wahlprogramm, der Höcke-Flügel hat diese Formulierung durchgesetzt. Für Putin-Freund*innen lässt sie die Deutung zu, dass man sich von der Nato abwende.
In entscheidenden Passagen Deutungsmöglichkeiten offenzuhalten, hat in dem Wahlprogramm der AfD System. So will die Parteispitze auch die bei der Stange halten, die zu radikale Forderungen abschrecken könnten – wenn es um ihre wirtschaftliche Lage oder die eigene Sicherheit geht. Gute Umfragen sind schließlich noch keine Wahlergebnisse. Vielleicht würde es dem einen oder der anderen dann doch dämmern: Ein Ende der EU hätte für die deutsche Wirtschaft dramatische Folgen, Industrie, Arbeitsplätze und Wohlstand wären in Gefahr.
Dies aufzuzeigen könnte für die demokratischen Parteien im Übrigen sinnvoller sein, als auf die hohen Umfragewerte der AfD zu starren und sich gegenseitig dafür die Schuld zu geben.
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