piwik no script img

AfD-ParteitagCDU, bitte genau hinhören

Gareth Joswig
Kommentar von Gareth Joswig

Beim Parteitag in Magdeburg zeigt sich, trotz völkisch-nationalistischem Mainstream in der AfD gibt es noch immer heftige Grabenkämpfe.

Extremer geht's immer: AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah Foto: Carsten Koall/dpa

M an sollte CDU-Chef Friedrich Merz und so einige Uni­ons­po­li­ti­ke­r*in­nen im Osten zwingen, sich den AfD-Parteitag von Magdeburg in Dauerschleife anzuschauen. Wer sich ernsthaft demokratisch nennt und eine Normalisierung der AfD will oder sie durch Übernahme von Themen faktisch betreibt, sollte bestraft werden, mit dem extrem rechten Gebrüll in den Reden der völkischen Na­tio­na­lis­t*in­nen, bis die Ohren schmerzen. Ob antisemitische Verschwörungsideologie, rassistische Abschottungsfantasien oder Liebesgrüße nach Moskau: Auf dem Parteitag von Magdeburg öffneten sich ideologische Abgründe.

Es geht in der AfD 2023 nicht mehr um programmatische Grundsatzfragen. Die Entwicklung zur gesamtdeutschen rechtsextremen Partei hat die AfD abgeschlossen, radikalisiert von den Ideologen im Osten. Das zeigte nicht nur die Wahl des Spitzenkandidaten Maximilian Krah, der den Begriff konservativ für sich ablehnt und sich gleich „rechts“ nennt. Krah hängt illiberalen Gesellschaftsbildern an, lehnt Minderheiten ab und will die europäische Friedensordnung zugunsten einer verdrehten Großmächteideologie des NS-Vordenkers Carl Schmitt aufgeben. Die Ukraine soll geopfert werden für deutsche Interessen und russisches Gas.

Rechtsextremist Björn Höcke und Parteichef Tino Chrupalla haben Krah bei seiner Kandidatur unterstützt. Dabei verkörpert Krah vieles, was die AfD anderen Po­li­ti­ke­r*in­nen vom vermeintlichen Establishment vorwirft: Er ließ sich von ausländischen Unternehmen China-Reisen finanzieren und buckelt vor Katar. Selbst in der rechtsradikalen ID-Fraktion, deren Teil die AfD im EU-Parlament ist, wurde Krah mehrfach suspendiert – wegen Manipulationsvorwürfen und weil er im französischen Wahlkampf nicht Marine Le Pen vom Rassemblement National unterstützt hat, sondern ihren rechtsextremen Herausforderer Éric Zemmour.

Eine interessante Lehre vom Parteitag in Magdeburg ist auch, dass der völkisch-nationalistische Mainstream in der AfD keineswegs bedeutet, dass es keine Grabenkämpfe mehr gibt. Im Gegenteil: Kämpfe zwischen den unterschiedlichen Lagern blockierten die Listenaufstellung und beschädigten den vergeblich um Disziplin bemühten Parteivorstand. Die AfD ist noch immer eine Schlangengrube, Parteitage können im Chaos versinken.

Beim Streit geht es um die Machtfrage in der AfD: Denn während der Bundesvorstand Maximalforderungen wie die Auflösung der EU kleinlaut als „redaktionellen Fehler“ aus dem Leitantrag streichen will, fordert Höcke demonstrativ genau das. Die CDU sollte genau zuhören.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Gareth Joswig
Redakteur Inland
Arbeitet seit 2016 als Reporter und Redakteur bei der taz. Zunächst in den Lokalredaktionen von Bremen und Berlin, seit 2021 auch im Inland und Parlamentsbüro. Davor Geschichts- und Soziologiestudium in Potsdam. Themenschwerpunkte: extreme Rechte, AfD, soziale Bewegungen, Mietenpolitik, dies, das, verschiedene Dinge.
Mehr zum Thema

22 Kommentare

 / 
  • Vielleicht sollten sich die etablierten Parteien endlich mit den wahren Ursachen für den AFD beschäftigen, auch wenn diese teilweise sehr unangenehm sind.

    Es ist ja nun wirklich nicht so, dass es keine Möglichkeit gibt den Erfolg der AFD zu stoppen, aber dafür wäre natürlich auch etwas mehr Selbstkritik notwendig

    Folgendes sind die Themen die AFD Wähler beschäftigen und die die etablierten Parteien bisher nicht wirklich anpacken:

    - Inflation senken ( u. a. Überarbeitung des Sanktionspaketes vs Russland)



    - Entlastungspakete für einkommensschwache Personen



    - Ängste vor Überfremdung ernst nehmen ohne rechte Propaganda zu übernehmen



    - Stellenwert von "Wokethemen" verringern (ohne rechte Propaganda zu übernehmen, sondern lediglich die Prioritätisierung verändern)

    • @Alexander Schulz:

      "Inflation senken ( u. a. Überarbeitung des Sanktionspaketes vs Russland)"

      -Inflationstreiber Nummer eins ist der Klimawandel. Wer den ignoriert und auf die Lösungen der Vergangenheit setzt, treibt die Inflation künstlich in die Höhe.



      Es fragt sich, ob bei Rechten nicht sogar Kalkül dahintersteckt, um die Welt zu destabilisieren.

      "Ängste vor Überfremdung ernst nehmen ohne rechte Propaganda zu übernehmen"

      -Wenn Sie das Wort "Überfremdung" benutzen, haben Sie bereits rechte Propaganda übernommen.



      Hinter dem Wort steht das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren. Ist das aber wirklich so? Ist die einzige Möglichkeit dem zu begegnen, sich abzuschotten, wie es die AfD verspricht?

      "Stellenwert von "Wokethemen" verringern (ohne rechte Propaganda zu übernehmen, sondern lediglich die Prioritätisierung verändern)"

      -Der Stellenwert von "Woke-Themen" wird durch Rechte und manche Konservative künstlich zum Kulturkampf aufgeblasen, anstatt sich konstruktiv um konkrete Probleme zu kümmern.



      Es ist auch Woke von mir, das Wort "Überfremdung" zu kritisieren. Deshalb müssten Sie noch lange nicht sagen,"etwas nicht mehr sagen" zu dürfen.



      Sie könnten einfach damit leben, jemand zu sein, dem es nicht wichtig ist, wie er spricht. Aber wer will schon so dastehen.

      Viele haben Angst vor der Zukunft und glauben mit der AfD eine Versicherung gegen Schäden abschließen zu können.



      Sie haben sich für den Deal entschieden, ihre Loyalität gegen ihren Schutz einzutauschen.



      Ihre Ängste ernstzunehmen bringt deshalb nichts, weil sie Garantien wollen, die, wer mit offenen Augen durch die Welt geht, nicht geben kann.



      Als wahre Ursache für den Aufstieg der AFD sehe ich vor allem Überforderung bei vielen, in der Welt mitzuhalten.



      In einer rechten Blase mit ihren hierarchischen Strukturen und einfachen Lösungen scheint die Welt für sie noch in Ordnung zu sein.



      Die AfD bietet Wohlfühlatmosphäre mit Vollpension zum Nulltarif in blühenden Landschaften.



      Kein Wunder, dass da viele zuschlagen!

    • @Alexander Schulz:

      "Überarbeitung des Sanktionspaketes vs Russland"



      Und sich damit wieder dem Goodwill Putins ausliefern das schön billige Gas auch zuverlässig zu liefern? Haben sie die letzten 1,5 Jahre irgendwie verschlafen?



      "Stellenwert von "Wokethemen" verringern"



      Konkret bedeutet das dann aber eben doch, solche Themen irgendwo unter 'ferner liefen' herunterzupriorisieren und damit bestehende Diskriminierungen auch weiterhin bestehen zu lassen. Konkret also eben genau das zu tun was sich die Rechten wünschen und zwar zu Lasten ganz konkreter Opfer.

      • @Ingo Bernable:

        Schauen Sie sich bitte näher das Sanktionspaket an; es geht ja nicht nur um Gas (wobei es da ja sowieso viele Ausnahmen gibt). Es ist natürlich nie gut sich in Abhängigkeiten zu begeben, aber darum geht es ja auch nicht.

        Übrigens liefert Russland nachwievor zuverlässig Gas über die Ukraine an mehrere europäische Länder:

        www.merkur.de/poli...rieg-92399620.html

        Auch die Ukraine scheint auf Grund der Transitgebühren kein Interesse daran zu haben den Transfer zu stoppen - Politik/Wirtschaft ist nun einmal kompliziert.

        Es geht ja gar nicht darum generell bestehende Diskriminierungen nicht anzugehen.

        Letztendlich können wir aber natürlich die Ursachen weiterhin ignorieren, damit wir den Rechten nicht "entgegen kommen", aber dann sollte wir auch so ehrlich sein und den Preis von guten AFD Ergebnissen bereit sein zu zahlen und uns darüber nicht "wundern".

    • @Alexander Schulz:

      "die wahren Ursachen"

      Die Erfolge der AfD insbesondere in Ostdeutschland ist sicher nicht mit einer Überfrachtung Ostdeutschlands mit Migranten oder Wokeness zu erklären. Beides geht dort gegen null.

      Diese populistische AfD-Sicht verklärt dort die Probleme und tagt gar nüscht. Schauen Sie sich im Deutschlandatlas des Bundes um. Er hilft ihnen eine umfassende Sicht der Probleme bildlich in Karten zu erfassen: www.deutschlandatl...tensuche_node.html

    • @Alexander Schulz:

      "Überfremdung" ist ein Kampfbegriff der extremen Rechten - wenn Sie denen nicht die Steigbügel halten wollen, dann seien Sie bitte bei der Wortwahl sensibler

      • @jensdausd:

        Zwar auch bei Konservativen, aber mit Ausrufezeichen wäre besser gewesen. Danke für den Hinweis.

  • Ich hätte den Parteitag nicht gebraucht. Wer in Deutschland Nazis wählt weiß was er bekommt. CDU und AfD sind derzeit bei 48 %. In der Weimarer Republik dachte das Zentrum daran sich die NSDAP zu Eigen zu machen um die Macht zu erlangen.

  • Gibt es irgendwo ein Protokoll online von diesem Parteitag? Eine Transkription? Gar eine wörtliche Mitschrift? Weißes jemand etwas?

  • "Die CDU sollte genau zuhören."

    Warum nur die CDU? Ist die EU nicht auch das Projekt der anderen demokratischen Parteien?

    twitter.com/polenz...685232362366410754

    • @Rudolf Fissner:

      Weil die CDU sich gerade enorm an die AfD herankuschlt. Merz und Linnemann direkt, die restlichen Parteimitglieder in ihren Aussagen und Forderungen. Bezogen natürlich nicht auf das Thema Ukraine und russisches Gas, sondern hauptsächlich beim gemeinsamen Feind von AfD und CDU: Menschen, die aus anderen Ländern kommen, aber nicht weiß, oder bereit zum Arbeitssklaventum in Deutschland sind.

    • @Rudolf Fissner:

      Deswegen:

      www.spiegel.de/pol...-b6e0-fee583f72f53

      In anderen demokratischen Parteien gibt es aktuell keine solchen Diskussionen.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Alle anderen demokratischen Parteien arbeiten dort wo Rechtspopulisten regieren entsprechend der demokratischen Prozeduren mit diese Rechtspopulisten auch zusammen.

        Dass ist beim Sonneberger Landrat der Fall wie beim Bürgermeister der AfD. Keine weitere Partei verweigert deswegen nun die Entscheidungsfindungen in den dortigen kommunalen politischen Gremien. Das man das Verhalten der anderen Parteien nicht debattieren will ist bezeichnend.

        • @Rudolf Fissner:

          Interessante Ausreden. Aber die finden sich immer. Besonders bei "bürgerlichen" Parteien.

          Wohin das führt, wissen wir. Zum Ermächtigungsgesetz.

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            "Wohin das führt, wissen wir. Zum Ermächtigungsgesetz."

            Ach Gottchen. Sie wollen, dass Parteien sich aus der kommunalen Arbeit verabschieden, wenn es AfD Mehrheiten gibt?

            Da braucht es ja noch nicht einmal ein Ermächtigungsgesetz, wenn sich die Opposition verkrümelt, weil braune Parteien mehrheitlich gewählt wurden.

  • @VIDOCQ

    Natürlich war das absehbar -- vermutlich auch gewollt. Hauptgegner der CDU ist ja, wie wir wissen, die Grünen.

    • @tomás zerolo:

      Da sagt die CDU mal was richtiges und will die AfD in der politischen Debatte ignorieren und schon ist es auch wieder falsch. Warum wollen Sie dass man hauptsächlich über oder gar mit der AfD sabbelt?

  • Ich verstehe es immernoch nicht: spätestes mit dem Weggang von Gründer Lucke hätte jedem klar sein müssen, wer da die AfD für sich geentert hat; aber quer durch die Segmente unserer Medienwelt wurden die Vertreter dieser 'Partei' weiter hofiert, ihren Kreidefressern Plattformen geboten und so unnötig gefördert.

    Und jetzt wird Verwunderung über das Erstarken derselben kolportiert. Das war doch absehbar!

    • @Vidocq:

      Die AfD wurde nicht "geentert", Rechtsextremisten waren von Beginn an wichtiger Bestandteil der Partei. Höcke ist schließlich Gründungsmitglied.

    • @Vidocq:

      "quer durch die Segmente unserer Medienwelt wurden die Vertreter dieser 'Partei' weiter hofiert, ihren Kreidefressern Plattformen geboten und so unnötig gefördert."



      Hätte man also die AfD einfach "totschweigen"sollen? Die Partei, über die man nicht berichtet? Ich denke nicht,das so einfach funktioniert.Die Ursache(n) für den Erfolg dürften doch woanders liegen.

    • @Vidocq:

      Dass für Krahs Ideologie kein besserer Begriff einfällt als "illiberal", gibt einen Hinweis, warum das so gekommen ist:

      Es ist der Liberalismus, der Gesellschaften die Wahnidee aufdrückt, die Krahs dieser Welt sollten - so wie weiland die Hitlers und Goebbelse - als "honest actors" behandelt werden, statt gegen sie die geballte Staatsgewalt zu entfesseln.

      "Solange die AfD nicht verboten ist, ist sie eine demokratische Partei".

      Nö. Isse nicht.



      Sonst wäre die NSDAP *zum Zeitpunkt des Hitlerputsches* auch eine "demokratische Partei" gewesen. Sie war es aber nicht, und wurde auch nicht am 23.11.1923 schlagartig antidemokratisch.