Abstimmung über Corona-Impfpflicht: Der Bundestag entscheidet
Seit Monaten diskutieren die Bundestagsabgeordneten über eine Impfpflicht. Am Donnerstag fällt die Entscheidung. Mit welchem Ergebnis?
Die Regierungsparteien hatten sich schon im vergangenen Jahr dafür ausgesprochen, dass die Abgeordneten nach ihrem eigenen Gewissen über die Impfpflicht entscheiden sollen. In den zwei Bundestagsdebatten zeigte sich, dass die unterschiedlichen Positionen nicht entlang der Parteilinien verlaufen. Abgeordnete der SPD, Grünen, FDP und Linken unterstützen verschiedene Anträge.
Friedrich Merz, Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion
Eine Gruppe, der neben FDP-Fraktionsvize Wolfgang Kubicki und dem Linken Gregor Gysi noch 48 weitere Abgeordnete angehören, spricht sich gegen eine Impfpflicht aus.
Zwei weitere fraktionsübergreifende Antragsgruppen haben sich am Dienstagabend zusammengeschlossen. Sie hatten ursprünglich eine Impfpflicht ab 18 beziehungsweise eine optionale Impfpflicht ab 50 beantragt. Ihr Kompromiss sieht nun ein Impfregister, eine verpflichtende Beratung für alle und eine Impfpflicht ab 60 Jahren vor.
Reihenfolge könnte entscheiden
Gemeinsam besteht die Gruppe aus etwa 280 Abgeordneten – das ist im Bundestag keine sichere Mehrheit, aber könnte genügen. Denn für die Impfpflicht reicht eine einfache Mehrheit. Es müssen also nicht mindestens 369 aller 736 Abgeordneten dafür stimmen, sondern es wäre genug, wenn von den anwesenden Parlamentarier*innen mehr mit Ja als mit Nein stimmen. „Es kommt also auch darauf an, wie viele sich enthalten“, erklärt die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic.
Vor der Entscheidung in der Sache muss der Bundestag aber wohl erst die Reihenfolge bei der Abstimmung über die vorliegenden Initiativen festlegen, die ebenfalls eine Rolle spielen dürfte. Beim letzten Antrag könnten Abgeordnete doch dafür stimmen, wenn ihr bevorzugter Vorschlag abgelehnt wurde. Und bisher haben sich auch noch nicht alle öffentlich positioniert.
Der Name von SPD-Gesundheitspolitiker Dirk Heidenblut steht zum Beispiel unter keinem der Anträge. Der Kompromiss zwischen der Impfpflicht ab 18 und der ab 50 gehe aber in die richtige Richtung. Er finde es gut, strittige Themen mit fraktionsübergreifenden Anträgen anzugehen. Und strittig ist die Impfpflicht nicht nur im Bundestag.
38 Prozent lehnen eine Impfpflicht ab, ergab eine repräsentativ gewichtete Onlinebefragung des Meinungsforschungsinstituts Ipsos unter 1.000 Personen am 1. April. Eine andere Studie der Freien Universität Berlin zeigt zudem: Es besteht große Uneinigkeit innerhalb der Anhänger*innenschaft von Parteien. Einzige Ausnahme ist das AfD-Lager, das die Impfpflicht recht einhellig ablehnt – wie auch die rechtsextreme Partei selbst.
Parteitaktisches Kalkül
Bei der Linken gibt es hingegen sowohl Abgeordnete, die eine Impfpflicht ab 18 unterstützt haben als auch welche, die jede Impfpflicht ablehnen. Vorgaben der Fraktion gibt es aber keine, bestätigt der Fraktionsvorsitzende der Linken, Dietmar Bartsch. Er selbst werde keinem der vorliegenden Anträge zustimmen, „weil ich die derzeitige Rechtslage bezüglich des Impfens als ausreichend empfinde“.
Die Unionsfraktion bleibt hingegen dabei, geschlossen für den eigenen Antrag für ein Impfvorsorgegesetz zu votieren, wie CDU-Chef Friedrich Merz am Mittwochmorgen im Deutschlandfunk betonte: „Hier geht es um verkorkste Kompromisse, die die Koalition machen muss, weil sie sich untereinander nicht einig ist.“
Allerdings dürfte bei der ganzen Sache auch parteitaktisches Kalkül eine Rolle spielen: Man will der Ampel mit den eigenen Stimmen nicht zum Erfolg verhelfen. Dabei halten nicht alle in der Union eine Impfpflicht für abwegig, im Gegenteil.
Einige CDU-Ministerpräsidenten – darunter die beiden Wahlkämpfer Hendrik Wüst aus NRW und Daniel Günther aus Schleswig-Holstein – haben die Einführung einer Impfpflicht gefordert. Viel spricht dafür, dass dies auch einige der Unionsabgeordneten so sehen.
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