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Abschiebung eines VertragsarbeitersHardliner in Härtefallkommission

Sachsen will einen ehemaligen DDR-Vertragsarbeiter aus Vietnam abschieben. Er bekommt viel Unterstützung, aber der Ausländerbeauftragte bleibt stur.

Der Hardliner Geert Mackenroth darf allein über das Schicksal der Familie entscheiden Foto: Sebastian Kahnert/picture alliance

Berlin taz | Ein ehemaliger vietnamesischer DDR-Vertragsarbeiter und seine Familie sind akut von Abschiebung bedroht. Der Ausländerbeauftragte von Sachsen und Vorsitzende der Härtefallkommission, Geert Mackenroth, CDU-Hardliner und ehemaliger Landesjustizminister, hat abgelehnt, dass sich die Kommission erneut mit dem Fall befasst. Formal hat er nach der Verordnung der sächsischen Härtefallkommission das Recht, so eine Entscheidung allein zu treffen.

Pham Phi Son kam 1987 als Vertragsarbeiter nach Sachsen und lebte dort bis 2017 als unbescholtener Bürger: Er hatte eine Wohnung, Arbeit und zahlte Steuern. Dann wurde seine jüngste Tochter Emilia geboren. Son wollte ihre Geburt und ihre deutsche Staatsangehörigkeit beurkunden lassen, doch da fiel der Stadt Chemnitz etwas auf: Ein Jahr zuvor hatte Son Urlaub in Vietnam gemacht und war dort länger als sechs Monate geblieben. Nach sechs Monaten Aufenthalt außerhalb Deutschlands erlischt aber in der Regel die Niederlassungserlaubnis.

Son sowie seine damals neu zugewanderte vietnamesische Frau und das Baby sollten also Deutschland verlassen. Die Stadt Chemnitz sorgte dafür, dass die Familie Wohnung und Arbeit verlor. Eine Klage gegen den Entzug des Aufenthaltsrechts vor dem Verwaltungsgericht scheiterte. Auch die sächsische Härtefallkommission lehnte damals den Härtefallantrag ab.

Die Familie lebte danach mehrere Jahre im Untergrund in einem anderen Bundesland, wurde von der vietnamesischen Community unterstützt. Im Januar dann gingen Pham Phi Son und seine Frau mithilfe des parteilosen sächsischen Landtagsabgeordneten und SPD-Fraktionsmitglieds Frank Richter sowie ihres Seelsorgers Stefan Taeubner an die Öffentlichkeit. Mit Unterstützung der Chemnitzer Stadtgesellschaft und der neuen Chemnitzer Ausländerbeauftragten, Etelka Kobuß, durfte die Familie zurück nach Chemnitz ziehen, bekam wieder eine Wohnung und eine befristete Duldung.

Seit einer Woche droht die Abschiebung

Doch nun, da Geert Mackenroth die erneute Befassung mit dem Antrag abgelehnt hat, weil keine neuen Fakten vorgetragen wurden, droht seit einer Woche erneut die Abschiebung. Der Ausländerbeauftragte sagte der taz, dass er aus Gründen des Daten- und Persönlichkeitsrechtes keine Details für seine Entscheidung nennen möchte. „Ich habe den Antrag aber gründlich geprüft und auch Akten der Behörden herangezogen.“

Nam-Anh Nguyen von der Vereinigung der Vietnamesen in Berlin und Brandenburg, die Son und dessen Familie unterstützt, macht das wütend: „Es wurden sehr wohl neue Fakten vorgetragen.“ Beispielsweise habe er ein Attest aus Vietnam vorgelegt, wonach sich der ehemalige Vertragsarbeiter während seiner langen Abwesenheit in ärztliche Behandlung begeben musste. Das habe ihn an der rechtzeitigen Rückkehr nach Deutschland gehindert. Im subtropischen Klima Vietnams sei eine alte Kriegsverletzung an seinem Bein wieder aufgeflammt. „Außerdem schlägt sich die Familie seit fünf Jahren mit Unterstützung der vietnamesischen Gemeinde finanziell durch. Diesen Willen, ihm zu helfen, hätte man auch als neuen Fakt anerkennen müssen“, fügt Nguyen hinzu.

Trennung der Familie möglich

Die sächsische Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Linke) sieht den Fehler in der Verordnung über die Härtefallkommission des Freistaats: „Es kann nicht sein, dass eine Einzelperson eine erneute Befassung ablehnen kann.“ Frank Richter bezeichnet die drohende Abschiebung der Familie Pham als „eine menschliche Tragödie“. Er appelliere an die Behörden, der Familie eine Zukunft in Deutschland zu ermöglichen.

Der Abgeordnete sieht die Gefahr, dass die Familie durch Abschiebung getrennt wird, denn gegenwärtig haben nur Frau und Kind einen vietnamesischen Reisepass und können damit nach Vietnam einreisen. Der heute 65-jährige Mann hat keinen. Diese Familientrennung und die „Deportation“ der in Deutschland geborenen Tochter „in ein völlig fremdes Land“ wäre aus Richters Sicht „am schlimmsten“. Er will die sächsische Kinderschutzbeauftragte auf den Fall aufmerksam machen.

In Sachsen plädieren die Regierungsfraktionen SPD und Grüne in einem gemeinsamen Positionspapier, das der taz vorliegt, für humanitäre Entscheidungen für ein Bleiberecht für geduldete Menschen. Ihren Koalitionspartner CDU haben sie da nicht auf ihrer Seite.

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13 Kommentare

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  • Und schon wieder ein unglaublicher Bericht aus Sachsen wo ich lebe.

    Was ist hier los?

    Warum bitte schön steht jetzt die Sächsische CDU nicht gemeinsam mit ihren Koalitionspartnern Grüne und SPD hinter Pham Phi Son und die Familie?

    Es kann doch nicht der Wille einer Partei die immer ihren christlichen Werte betonen sein, normale Familiene die (sehr) lange hier ganz normal leben abzuschieben?

  • Ein unbarmherziger Mensch und eine ebenso unbarmherzige Regel, die ohne Grund Menschen ihre Freiheit nimmt und sie nach Jahrzehnten in ihrem Lebensort existenziell bedroht. Mit anderen Worten: Unrecht, was sich als Recht tarnt.

  • Was machen wir uns eigentlich über Neonazis in Deutschland, "Trauermärsche" in Chemnitz - vorne Höcke mit einer weißen Rose am Revers, hinten das Zeigen des Hitlergruß', aus Berlin 'Verständnis' des seinerzeitigen Bundesinnenministers Seehofers für die 'Demonstranten' - Gedanken?

    Wenn ein CDU-Politiker (das "C" steht angeblich für christlich, 'was du dem Geringsten unter meinen Brüdern getan hast, das hast du mir getan' und so) einen derartigen Rechtsmissbrauch - es geht formal nur um die Befassung der Härtekommision mit diesem Fall, faktisch aber um eine Entscheidung in der Sache¹ - begehen kann?

    Sie sind doch akkredidierte Journalist*innen hier bei der taz - fragen Sie Mackenroths Parteifreunde, den CDU-Vorsitzenden Merz auf Pressekonferenzen, wie sie diese Unmenschlichkeit beurteilen, dokumentieren Sie, wie sie sich wahrscheinlich rausreden, derartig menschenverachtenden Rassismus kleinreden werden!

    ¹die Konstruktion für das Wirken eines solchen Gremiums wird im Übrigen in sich widersprüchlich, zur Farce, wenn es per Wahl materiell derart weitreichende Entscheidungen an eine*n Vorsitzende*n deligieren muss, diese Verordnung das Gremium, das sie betrifft, die mit seiner Bildung intendierte Mehrstimmigkeit sozusagen per Installation eines Türstehers konterkariert.

    Besonders, um im Bild zu bleiben, wenn solche Typen dann aus der rechten Szene kommen. Wie hier z.B. www.queer.de/detai...p?article_id=42733

  • Rechtlich ist die Ausreiseverpflichtung nicht zu beanstanden. Wie oft sollten Behörden, Gerichte und Kommissionen eigentlich noch entscheiden? Wenn und soweit jemand absichtlich untertaucht um einer Ausreise zu entgehen, sollte die Ausreise alleine schon deshalb vollzogen werden. Sonst könnte man auf die Idee kommen, dass sich das Untertauchen auch lohnt. Bleibt zu hoffen, dass Herr Mackenroth standhaft bleibt.

    • @DiMa:

      Jemanden nach 35 Jahren zu vertreiben, ist unmenschlich! Da kann man sich noch so sehr hinter formalen Vorschriften verstecken.

      Besonders pervers wird es, wenn man Menschen in den Untergrund treibt und diese Tatsache dann auch noch gegen sie verwenden will.

  • Der eigentliche Skandal ist doch die geltende Rechtslage mit der Menschen auch nach 35 Jahren noch immer kein sicherer und dauerhafter Status zugestanden wird. Die Botschaft 'Ihr gehört nicht hierher, Integration unerwünscht!' könnte klarer kaum sein. Dass einen ein solcher Bericht wieder einmal aus Sachsen erreicht verwundert mittlerweile nur noch mäßig.

    • @Ingo Bernable:

      Frage mich auch wieso die Leute nach 30 Jahren Steuernzahlen keine Bürger sind.

  • "Pham Phi Son kam 1987 als Vertragsarbeiter nach Sachsen und lebte dort bis 2017 als unbescholtener Bürger:" - das ist offensichtlich falsch, da er kein Bürger ist, sondern nur Einwohner. Die Unterscheidung mag heutzutage sprachlich nicht mehr jedem geläufig sein, hat jedoch, wie man am vorliegenden Fall sieht, deutliche Konsequenzen.

    "Die Familie lebte danach mehrere Jahre im Untergrund in einem anderen Bundesland" - es liegt nahe, diese Aussage dahingehend zu übersetzen, daß die Familie über mehrere Jahre hinweg gegen das Aufenthaltsrecht, das Ausländerecht und möglicherweise auch gegen die Vorschriften über die allgemeine Schulpflicht - es wird von seiner jüngsten Tochter gesprochen, also müssen ältere Geschwister vorhanden sein - verstoßen hat.

    • @Johannes Cibo:

      "...kein Bürger ist, sondern nur Einwohner..."

      Juristische Haare spalten, muss Spaß machen. Dazu noch ein paar Unterstellungen und fertig ist die Rechtfertigung für Unmenschlichkeit.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Ich verstehe nicht, wie sie diesen Unterscheidung als juristische Haarspalterei abtun und diskreditieren: genau hier liegt doch das Problem in diesem Fall. Wäre er "Bürger", also im Besitz der Staatsbürgerschaft der Bundesrepublik Deutschland, hätte er keine aufenthaltsrechtlichen Schwierigkeiten. Zumal ich diese Unterscheidung selbst jeden Tag erfahren, da das Land, in dem ich meinem Wohnsitz habe, nicht mit dem Land, dessen Staatsangehörigkeit ich besitze, ident ist.



        Das Argument schließlich, daß man das in Deutschland geborene jüngste Kind nun in ein "völlig fremdes Land" abschieben wolle, kann man kaum gelten lassen: wäre die Familie nicht untergetaucht, um sich der wohl bevorstehenden Ausschaffung zu entziehen, wäre die Tochter in Vietnam aufgewachsen und sozialisiert worden, das Land wäre damit für sie heute nicht fremd.

  • Politische "Christen" bei der Arbeit!

  • "In Sachsen plädieren die Regierungsfraktionen SPD und Grüne in einem gemeinsamen Positionspapier, das der taz vorliegt, für humanitäre Entscheidungen für ein Bleiberecht für geduldete Menschen. Ihren Koalitionspartner CDU haben sie da nicht auf ihrer Seite."

    Das wäre doch mal eine gute Gelegenheit, diese Koalition platzen zu lassen. Soll die unchristliche Union doch mit der AfD ihre inhumane Politik machen.

  • Der Fehler liegt in der Vorschrift, dass die Niederlassungserlaubnis erlischt, wenn man sich länger als 6 Monate im Herkunftsland aufhält. (Und woher weiß die Stadt Chemnitz das eigentlich?)