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Abgeordneter über Scholz und Cum-Ex„Ein Auge zudrücken beim Bankraub“

Der Hamburger Bürgerschaftsabgeordnete Hackbusch glaubt dem Kanzler seine Erinnerungslücken im Cum-Ex-Skandal nicht. Nun muss Scholz vor den Ausschuss.

Norbert Hackbusch (Die Linke), Obmann im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss Foto: Christian Charisius/dpa
Gernot Knödler
Interview von Gernot Knödler

taz: Herr Hackbusch, wo liegt das Problem, wenn der Inhaber eines bedeutenden, alteingesessenen Kreditinstituts, Christian Olearius, den Hamburger Bürgermeister, Olaf Scholz (SPD), um ein Gespräch bittet?

Norbert Hackbusch: Problematisch ist nicht, dass Scholz Olearius empfangen hat, sondern, dass er ihn innerhalb weniger Wochen ein zweites Mal getroffen hat.

Warum war das zweite Treffen problematisch?

Im Interview: Norbert Hackbusch

ist 67 jahre alt, Doku­mentationsjournalist und Obmann der Linken im Unter­suchungs­ausschuss der Hamburger Bürgerschaft zum Cum-Ex‑Steuerraub.

Weil der Bürgermeister beim zweiten Mal genau wusste, dass es um eine Steuerangelegenheit gehen wird – in diesem Fall im Zusammenhang mit möglicher Steuerhinterziehung durch Cum-Ex-Aktiengeschäfte. Dabei hat er als Bürgermeister mit Steuerangelegenheiten nichts zu tun.

Schlimmer noch: Scholz nimmt ein Argumentationspapier der Bank an, das er an Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) weiterreichen lässt, obwohl es im Finanzamt schon vorliegt. Das bringt ihn in den Verdacht, er habe das Steuerverfahren politisch beeinflussen wollen.

Der Bürgermeister argumentiert, er habe das Schreiben auf dem Dienstweg weitergereicht, also den Finanzsenator als die zuständige Stelle – so wie der Finanzsenator sagte, ich habe mich informieren lassen aber keinen Einfluss genommen auf die Entscheidung meiner Behörde.

Das ist völlig unglaubwürdig, denn Tschentscher ist nicht der Dienstweg. Der Bürgermeister muss achtgeben, dass er eben nicht in den Ruch einer Unterstützung kommt, denn einzelne Steuersachen sind allein eine Entscheidung des Finanzamtes.

Was hätte Scholz tun müssen?

Er hätte schauen müssen, was es mit Cum-Ex-Geschäften an sich auf sich hat. Stattdessen unterhält er sich mit dem Chef der Bank darüber, was der will.

Wäre es dann nicht geradezu angeraten gewesen, sich an den Finanzsenator und dessen Behörde zu wenden?

Bei Scholz hätten mit dem Wissen um die bundesweit bekannt gewordenen Cum-Ex-Fälle die Alarmglocken läuten müssen. Er hätte sich fragen müssen: Was ist eigentlich generell mit Cum-Ex-Fällen in Hamburg? Wie haben wir damit eigentlich gearbeitet? Diese Initiative sehen wir von ihm nicht. Wir sehen nur die Initiative im Zusammenhang mit dem konkreten Fall Warburg und die Befürchtung, dass es der Bank schlecht gehen könnte.

Was ihm nicht unbedingt zum Negativen gereichen würde.

Natürlich muss man sich damit auseinandersetzen. Aber man darf einem Bankräuber auch nicht das Geld lassen, nur damit er nicht verarmt. Es gibt viel, was man tun kann, wenn ein Unternehmen in Schwierigkeiten kommt – aber nicht, ein Auge zuzudrücken im Zusammenhang mit einem Bankraub.

Was verspricht sich der Hamburger Ausschuss davon, ihn am Freitag ein zweites Mal einzuladen?

Herr Scholz muss noch mal kommen, weil die SPD durchgesetzt hat, dass er schon im April gehört wurde, mit gehörigem Abstand zur Bundestagswahl. Unser Verfahrenskompromiss war, dass er am Ende, wenn wir den ganzen Fall aufgearbeitet haben, noch mal aussagen muss. Allerdings stehen wir doch noch nicht am Ende des Ausschusses, weil wir den Untersuchungsauftrag ausweiten werden.

In welche Richtung?

Auch die inzwischen umfirmierte HSH Nordbank hat als damalige Bank mit Landesbeteiligung Cum-Ex-Geschäfte betrieben und daraus 126 Millionen Euro aus eigener Initiative zurückgezahlt. Tschentscher behauptet, das sei vorbildlich aufgeklärt worden und die Bank habe zudem Bußgelder bezahlt. Das Zweite ist falsch.

Seit 2009 mussten sich Banken sogenannte Berufsträgerbescheinigungen ausstellen lassen, die Steuerraub mit Cum-Ex-Geschäften verhindern sollten. Wir wissen, dass das nicht funktioniert hat. Die HSH Nordbank konnte aber in 29 Fällen nicht einmal solche Bescheinigungen vorlegen. In der Finanzbehörde gab es eine Ermittlungsgruppe, die das aufklären sollte. Es ist erstaunlich, dass die nicht mehr herausgefunden hat als das, was die Bank freiwillig gemeldet hat.

Die Hamburger Senatskanzlei hatte die Frage, ob sich der Bürgermeister mit den Warburg-Bankiers getroffen habe, zuerst verneint. Wusste Scholz das? Wusste es die Senatskanzlei nicht besser?

Es war auf jeden Fall ein kapitaler Fehler, weil es nicht nur um die Beantwortung unserer Kleinen Anfrage ging. Scholz hat sich bei den Befragungen im Ausschuss nur an das erinnert, was in seinem Kalender stand oder aus öffentlichen Quellen bekannt war: Zum Inhalt der Gespräche habe er kein konkretes Wissen. Damit hat er ein Glaubwürdigkeitsproblem.

Warum?

Weil wir ihn kennen. Er trifft den Chef einer wichtigen Bank in Hamburg und der sagt: Erstens habe ich Probleme mit deiner Finanzverwaltung und zweitens, wenn die sich durchsetzt, gehe ich wahrscheinlich pleite. – Und an dieses Gespräch kann sich Scholz nicht erinnern? Er, der mir erklärt hat, wie die Bauteile in der Elbphilharmonie aufgehängt sind?

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14 Kommentare

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  • Gute Zusammenfassung von Till Reiners:



    youtu.be/dVr_LKDvhmM

  • Das sind schon Anzeichen, dass es faul ist bzw. faul sein könnte. Aber ich befürchte, dass die Black-Out-Lösung, bzw. die ich weiß nichts mehr-Lösung durchaus funktionieren könnte. Das ist bedauerlich, aber das hatten wir mit Helmut Kohl auch bereits in der Aufarbeitung der Flick-Affäre gab es dann den Black-Out, mit dem Kohl sich rettete, damals übrigens Bundeskanzler. Später im Ruhestand gab er dann ein Ehrenwort und vertuschte eine illegale Parteienfinanzierung, bzw. stoppte die Aufklärung darüber. In dieser Skala ist nun Olaf Scholz, allerdings noch auf der eher softeren Skala, angelangt.

    Dabei entgeht vielen Menschen eines: Die SPD wird von Durchschnittsmenschen gewählt, die zahlen fast alle Steuern, vor allem Einkommenssteuer. Dass zwei extrem mächtige Figuren der Hamburger SPD, Kahrs und Pawelczyk extrem reichen Privatbankiers unterstüzten, als sie die Stadt schädigen wollten, das sagt sehr viel über diese Partei und ihre Regierungsfähigkeit aus.

    Dazu noch die debile CDU der Stadt, die soviel krumme Sachen, aber meist noch weniger nachzuverfolgen, oder eben ganz offen in der Öffentlichkeit gemacht hat, zeigt für micht, dass zwei ehemals sehr dominante Parteien sich als eine Art Wahlverein der ultrareichen und mächtigen Kreise formieren. Wenn ein Durschnittsmenschen Steuern hoch und runter zahlen muss und Kapitalbesitzer sich diese Mittel noch rauben können, dann frage ich mich schon, wo wir stehen.

    Da kann Scholz eigentlich nicht mehr laut reden, hier wird er ganz, ganz klein, ganz leise.

    Er redete jahrelang von der Frau, die in der Kantine steht, die von der NGG organisiert ist und die auch klar kommen muss - mit einem relativ niedrigem Gehalt, die trotzdem fleißig arbeitet, Steuern bezahlt, sich für die Rente ein Polster anlegen muss.



    Ja, wie kommt sie denn klar, wenn ultrareiche Kreise ihr die Steuern dirtekt beim Staat klauen können?

    Scholz sollte mal seine Demut gegenüber diesen einfachen Menschen revue passieren lassen. Und laut antworten.

  • Scholz ist ein Kanzler auf Abruf. Nicht nur Cum-Ex hängt ihm an der Backe, sondern auch Wirecard. Ex-Wirecardvorstand Jan Marsalek lebt in Moskau in Putins Obhut. Wenn Putin Marsalek ausliefert und dieser vor einem deutschen Gericht auspackt, ist auch Scholz weg vom Fenster. Sagt zumindest Ex-Ausschußvorsitzender Fabio di Masi:



    "Putin hat die Bundesregierung in der Hand" www.t-online.de/fi...-in-der-hand-.html



    Das könnte übrigens erklären wieso Scholz in Sachen Ukraine so agiert wie er nun mal agiert.

  • Naja, manchen ereilt mit schlappen 64 Jahren schon eine deutliche Verminderung der kognitiven Fähigkeiten.



    Gedächnislücken, Augenblicksversagen ... das können erste Vorboten sein.

    Vllt muss man dann auch mal selbst die Reißleine ziehen ...



    ... wenn noch soviel Einsichtsfähigkeit vorhanden ist.

    • @Bolzkopf:

      Die Österreicher haben das ja schon früher erkannt und sich so einen richtig jungen Kanzler gegönnt, einen ohne Gedächtnislücken. Sebastian Kurz.



      Ja, ich weiß. Lief auch nicht so rund. Aber der hat bestimmt daraus gelernt wie man sich nicht erwischen lässt. Wie unser Philipp Amthor. Der lässt sich bestimmt nicht noch einmal mit den Fingern im Marmeladeglas erwischen.



      Ärgern sie sich nicht über Scholz und andere alternde Politiker. Die junge Garde steht schon bereit und wartet auf ihren Auftritt.

  • 6G
    659975 (Profil gelöscht)

    Sollten sich hier Vermutungen bestätigen, wird Scholz als Kanzler untragbar.



    Wie kann jemand Kanzler sein, der die Steuerzahler um hunderte Millionen Euro betrogen hat, um eine Bank vor der Pleite zu schützen?



    Im Übrigen, warum holt sich die Bank das Geld nicht von ihren entsprechenden Kunden zurück?



    Aber die SPD schickte ja auch mit Giffey eine Kandidatin ins Bürgermeisterrennen, die bei ihrer Dr- Arbeit betrogen hat. Deren Ehemann in krumme Geschäfte verwickelt ist. Dann noch Schröder und Feldmann.



    Und wie rechtmäßig die Wahlen in Berlin abgelaufen sind, ist auch noch eine ziemlich offene Frage.



    Fehlt nur noch, das die SPD sich bei der Rechtmäßigkeit der Wahlen auf internationale Wahlbeobachter aus Russland und China beruft :-)

    • @659975 (Profil gelöscht):

      Weil sie in diesem Fall auf "eigene Rechnung" gehandelt hat.

      Banken sind nämlich schon lange keine Aufbewahrungsstätten für das Geld anderer mehr.



      Die Banken haben sich dermassen dumm und dämlich verdient, dass sie nicht wissen wohin mit der Kohle. (siehe "Verwahrentgeld")

      Aber im Portemonnaie ist schließlich immer Platz und Gier ist niemals zu stillen.

  • Wo kein Kläger da kein Richter und die Generalbundesanwaltschaft hat ja schon gemeint, nö gegen unseren indirekten Dienstherren wollen wir nicht agieren. Das ist nicht so schön. deswegen lassen wir das lieber.

  • Jedes Volk bekommt die Politiker die es verdient.



    Scholz wurde zum Kanzler gewählt, obwohl er Cum-Ex im Gepäck hatte. Und obwohl er mit "Polizeigewalt hat es nicht gegeben" beim G20 schamlos in die Kameras gelogen hat. Das kann auch sein nettes Lächeln nicht wegretuschieren.



    Deswegen, die Wähler, aber auch die Nichtwähler, scheinen sich an solch kleinen Unschärfen in der Wahrheitsfindung nicht zu stören und finden so Leute wie den Scholz aber auch die Baerbock (meine Lebensläufe) auch noch gut und "smart".



    Die agieren frei nach Gaucho Marx:



    "Und das sind meine Prinzipien. Wenn sie ihnen nicht gefallen, ich hab auch andere."

    • @chinamen:

      vergessen sie bitte nicht die Folteranordnungen ("Brechmittelgabe") als Hamburger Innensenator

  • Was wird er sagen, der Kanzler gefragt wird, "können Sie sich erinnern, dass ..." "Nö!"

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Auch ich glaube Scholz nicht. Seine Erinnerungslücken sind dramatisch, also fast krankhaft. Kann so einer Bundeskanzler bleiben?

  • „Weil wir ihn kennen. Er trifft den Chef einer wichtigen Bank in Hamburg und der sagt: Erstens habe ich Probleme mit deiner Finanzverwaltung und zweitens, wenn die sich durchsetzt, gehe ich wahrscheinlich pleite. – Und an dieses Gespräch kann sich Scholz nicht erinnern? Er, der mir erklärt hat, wie die Bauteile in der Elbphilharmonie aufgehängt sind?“

    Ich könnte mich wegschmeißen. Für wie blöd hält der Scholz eigentlich seine Mitmenschen. Ist schon erstaunlich, dass er bis jetzt mit dieser Lüge durchkommt.

  • Respekt Herr Hackbusch griffige und einfache Darstellung der Zusammenhänge und Ihre vergleichenden Erklärungen treffen den Sachverhalt im Kern.



    Gerade der letzte Zusammenhang, Hr. Scholz wüsste nicht mehr was er mit einem der größten Hamburger Banker besprochen hat ist nicht glaubhaft. WEnn ich als Thomas Huber einen Gesprächstermin mit Hrn. Scholz hätte wo es wiedermal um den großen Fischfang in der Alster ging, könnte ich durchaus verstehen das dieses GEdspräch Jahre später nicht mehr klar im Kopf nachvollziehbar ist. Aber ein Gespräch mit einem Herrn Olearius?



    Auch Hr. Tschenscher laviert in Sachen des Hamburger "Cumex"- Skandals massiv um seine Glaubwürdigkeit zu retten.



    Beide Herren und sicherlich noch etliche Andere im Hintergrund haben allen Grund zur Angst Ihren guten Leumund zu verlieren.



    Bleiben Sie dran Hr. Hackbusch - retten Sie unsere Demokratie vor korrupter Einflussnahme. Retten Sie unsere guten Werte, wenn es viele in der Politik schon nicht tun und nur darüber reden.